Die Verbesserung der Industriestruktur ist in keiner Stadt einfach. Beim Start von Reformen braucht man vor allem Mut, ist die Sache erst einmal auf den Weg gebracht, zählen dann eher Ausdauer und kluges Vorgehen. In den letzten dreißig Jahren versuchte Shenzhen auf der Grundlage der Reform des Wirtschaftssystems immer auch politische Reformen anzuregen. Und in gewissem Maße wurde Shenzhen tatsächlich auch zu einem Experimentierfeld für Verwaltungsreformen auf der Ebene der Lokalregierung.
Im Mai 2009 wurde der Reformplan von Shenzhen vom Staatsrat in vollem Umfang angenommen. An erster Stelle steht die Reform der Verwaltung, das ist ein Novum für die sieben von der Zentralregierung ausgesuchten Modellprojekte, die als Versuchslabor dienen, darunter Pudong in Shanghai und Binhai in Tianjin.
„Wir stehen vor einer historischen Wende", sagt Meng Jing, Hauptautor des Reformplans, stellvertretender Generalsekretär des Parteikomitees der Stadt Shenzhen und zugleich Direktor des Zentrums für Politikforschung. „Nach herkömmlicher Auffassung steht an erster Stelle die Reform der Wirtschaft, dann kommt die der Politik und schließlich die der Gesellschaft. Tatsächlich aber ist die Reform des Regierungssystems der entscheidende Schritt. Ohne eine Reform der Regierung können viele andere Reformen gar nicht erst angegangen werden."
Die Sonderwirtschaftszone Shenzhen, die von ihren Bewohnern eigentlich als gar nicht so „besonders" wahrgenommen wird, hat endlich das „vom Kaiser persönlich verliehene Schwert" erhalten und kehrt stolz auf die Bühne der Reformpolitik zurück. Die Verwaltungsreform wird nun beschleunigt durchgeführt, danach sollen großangelegte Veränderungen im Dienstrecht der Beamten und die Überführung der Universitätsverwaltung in die Hände der Professoren angegangen werden. Zahlreiche der in Shenzhen ergriffenen Maßnahmen sind vollkommen neu für China.
Am 19. Juli 2010 ging ein internationales Treffen von Stadtplanern in Shenzhen zu Ende. Auf der Konferenz wurde ein Entwicklungskonzept für den noch weitgehend unerschlossenen Qianhai-Distrikt beschlossen. Der Plan setzt den Schwerpunkt der Entwicklung in sechs Bereichen: Anwerbung von Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Qianhai nehmen sollen, innovative Finanzdienstleistungen, moderne Logistik, die Einrichtung von Technologieparks, qualitativ hochwertige Dienstleistungen und ein überzeugendes Angebot bei Telekommunikation, Medien und Einzelhandelsgeschäften. Der Qianhai-Distrikt soll als eine „Sonderzone innerhalb der Sonderwirtschaftszone" den Traum Shenzhens in den nächsten dreißig Jahren weitertragen.
Chinas Reformprozess ist längst noch nicht abgeschlossen. Die Fortführung der Reform in Shenzhen ist der Lackmustest dafür, ob Reformen in China weiterhin eine Chance haben. Vielleicht lastet heute ein zu starker Erfolgsdruck auf Shenzhen, aber die Stadt ist in der Lage, als Versuchslabor zu bestehen. Das liegt an der Entstehungsgeschichte Shenzhens und ist Teil der Daseinsberechtigung dieser außergewöhnlichen Stadt.
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