Mit der Erhöhung der Wirtschaftskraft des Landes mehren sich in der internationalen Gemeinschaft die Stimmen, die China nicht länger den Status eines Entwicklungslandes zubilligen wollen. Viele Leute meinen, dass China im Begriff sei, eine neue Supermacht zu werden. Manch einer glaubt, dass China und die USA in Zukunft die Welt gemeinsam regieren werden.

Seit der Reform und Öffnung ist Chinas Potential beträchtlich verstärkt worden und sein Rang in der internationalen Gemeinschaft hat sich deutlich erhöht. Das ist eine objektive Tatsache. Wenn man auf dieser Grundlage jedoch Chinas Eigenschaft als Entwicklungsland in Abrede stellen wollte, so wäre dies ein großer Irrtum. Da China ein großes Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern ist, sollte man seinen Status nicht nur an den Kennzahlen des Bruttoinlandsproduktes messen, sondern auch die Struktur und Produktivität seiner Wirtschaft berücksichtigen.

Das Gesamtvolumen der Wirtschaft ist hoch. Allerdings beträgt Chinas BIP pro Kopf nur ungefähr 3700 US-Dollar, wodurch China nur auf dem 124. Platz in der Welt liegt. China ist eine große Handelsnation, allerdings nimmt die verarbeitende Industrie die Hälfte des gesamten Außenhandels ein. China wird als „verlängerte Werkbank" der Industrieländer bezeichnet. Im Bereich der Präzisionsinstrumente, neuen Werkstoffe und  Präzisionsersatzteile ist China noch immer vom Import abhängig. An Chinas Exportvolumen halten Unternehmen, die eigene Marken vertreiben, einen Anteil von weniger als 20 Prozent.

Obwohl der durchschnittliche Lebensstandard der chinesischen Bevölkerung mittlerweile zufriedenstellend ist, ist die Zahl der Armen in China noch immer sehr hoch. Nach dem von den Vereinten Nationen ausgearbeitet Standard, wonach jeder Mensch pro Tag mindestens einen US-Dollar zur Verfügung haben sollte, gibt es in China mindestens 150 Millionen Arme. Nach einer chinesischen Berechnungsformel, wonach das Jahreseinkommen eines Bauern mindestens 1 196 Yuan (138 Euro) erreichen soll, zählen 35,97 Millionen Menschen zur Armutsbevölkerung, eine Zahl, die der halben Einwohnerzahl Frankreichs entspricht. 

Im Vergleich zu den Industrieländern der Welt hat China in den Bereichen Technik, Bildung und Sozialversicherung noch einen weiten Weg vor sich. Im Jahr 2009 entsprachen die Ausgaben für technische Anwendungen und Grundlagenforschung nur 1,62 Prozent des BIP, was weit hinter der Quote in den entwickelten Ländern liegt.

Die Stabilität einer Kette ist nur so groß wie die Kraft seines schwächsten Gliedes. China hat sich auf vielen Gebieten – etwa in Wirtschaft und Technik – erstaunlich entwickelt. Allerdings herrschen nach wie vor beträchtliche Unterschiede zwischen Stadt und Land und zwischen Küstenregionen und dem Binnenland. In der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung bestehen noch viele Probleme und scharfe Wiedersprüche.

Auch Chinas Außenpolitik erweist das Land als ein Entwicklungsland. Hinsichtlich der Wahrung von Souveränität und Sicherheit teilt China gemeinsame Interessen mit anderen Entwicklungsländern in Asien, Afrika und Lateinamerika. Es ist für alle offensichtlich, dass China noch ein Entwicklungsland ist. Allerdings hat China seine Rolle auf der internationalen Bühne gut gespielt und seine Pflichten erfüllt, um zum Frieden, der Stabilität und des Aufschwung in der Welt beitragen zu können. Die Kritik, dass China unter Hinweis auf seinen Status als Entwicklungsland seinen internationalen Verpflichtungen ausweiche, wird nicht von den Tatsachen gedeckt und ist unverantwortlich.