Um den Wandel zu veranschaulichen, der sich in China vollzogen hat, benutzt sie gerne das Beispiel Essen. In ihrem Vortrag „Chinas Entwicklung: Harmonie und Frieden", den sie an der Cambridge Universität gehalten hat, sagt Fu Ying: "Ich erinnere mich an meine Studentenzeit in China. An der Uni haben wir Kommilitonen uns untereinander immer mit der Formel ´Hast du schon gegessen?´ begrüßt. Kommt man einem Jugendlichen heute mit diesem Spruch, dann erntet man nur die verdutzte Antwort: „Haben Sie sonst keine Sorgen?"
Dann schlägt Fu den Bogen zu China: „Heute besitzen 310 000 Familien in China ein Vermögen von über einer Million US-Dollar, die Zahl wird sich bis 2011 noch verdoppeln. In den Städten gibt es je 100 Familien 153 Handys, 47 Computer und vier Autos."
Damit man nicht denkt, Fu Ying würde nur die Erfolgsgeschichte des Landes groß hinausposaunen, kommt sie gleich auf die Schattenseiten zu sprechen und hebt hervor, was Beijings Spitzenpolitiker stets wiederholen: China sei noch immer ein Entwicklungsland. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der chinesischen Bevölkerung betrage nur ein Achtzehntel des BIP Großbritanniens. Das ist ganz im Sinne der Worte von Ministerpräsident Wen Jiabao: „Egal, wie klein ein Problem ist, für ein Land mit einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen ist es immer riesengroß! Egal, wie groß die Gesamtwirtschaft ist, geteilt durch 1,3 Milliarden ist sie sehr klein!"
Sie führt gerne Worte von Deng Xiaoping im Munde: „China ist groß, aber auch klein; China ist stark, aber auch schwach", und erklärt dazu den Briten: „Das ist noch immer Realität in China. Ich spreche darüber, weil China sich noch auf lange Zeit darauf konzentrieren muss, seine inneren Probleme zu lösen. Das heißt aber nicht, dass China sich der Verantwortung auf internationaler Bühne entziehen wird."
Als sie Australien verließ, um Botschafterin in Großbritannien zu werden, fand sie vielfach Lob in der Öffentlichkeit, aber sie dachte stets, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben. Aber auch nicht die Naivität der britischen Middle Class überschätzen: Vor allem Fu Yings Äußerungen zu Fragen, die Probleme der Nationalen Minderheiten Chinas betreffen, wurden von britischen Lesern oft als politisch motivierter Ethnokitsch wahrgenommen, der nichts mit der Alltagsrealität Chinas zu tun hat. Der Internetuser „Beijing 101" spricht für viele, wenn er am 13. Juli 2009 einen Artikel Fu Yings auf der Website des „Guardian" kommentiert:
„Der Artikel folgt dem gewohnten Muster, das bereits nach den Unruhen in Tibet angewandt wurde. Die Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlicht plumpe und, offen gesagt, lächerliche Kommentare, welche die mit Scheuklappen versehene Linie der Regierung unterstreichen. Anschließend umschreibt die Botschafterin die Auffassung der Regierung in einer Weise, die sie für die westliche Öffentlichkeit genießbar machen soll, in Wirklichkeit aber nicht von der Grundaussage abweicht. Es bleibt der gleiche Unwille, danach zu fragen, warum die gegenwärtige Politik Chinas zu ethnischen Konflikten führt. Ich habe keinen Zweifel, dass Botschafterin Fu diese Probleme im privaten Kreis selbstverständlich anspricht."
1985 markierte einen wichtigen Einschnitt in Fu Yings Leben: als Glückskind, das früh auf Staatskosten nach Großbritannien zum Studium geschickt wird, beginnt sie am Rutherford College an der Universität Kent ein Magisterstudium im Fach Anglistik, das sie bereits 1986 abschließt.
Diese Erfahrung hat sie geprägt. In einer Rede erinnert sich Fu: „Meine ernsthafte Lebensauffassung und meinen Lernfleiß verdanke ich meinem Studium an der Universität Kent. Aber noch wichtiger war die Tatsache, dass ich Gelegenheit hatte, in einem westlichen Land zu leben und mich mit Briten und Studenten aus aller Welt austauschen zu können."
Im Verborgenen üben oder bescheiden sein?
Während ihrer Ausbildung an der Parteischule des Zentralkomitees schrieb Fu Ying eine Arbeit mit dem Titel "Taoguang Yanghui und diplomatische Praxis". Taoguang heißt auf Chinesisch „Glanz verbergen" und Yanghui heißt „sich in einer unauffälligen Ecke entfalten". Vor einigen Jahren hat ein amerikanischer Sinologe „Taoguang Yanghui" so übersetzt: „Die Zähne zusammenbeißen und den rechten Augenblick abwarten". Verständlich, dass diese Lesart die Furcht vor einer chinesischen Bedrohung verstärkt. Eine wohlwollendere Übersetzung wäre hingegen: „Mehr sein als scheinen".
In einem Vortrag vor Vertretern der britischen Führungsschicht erklärte Fu Ying dann auch, dass „Unterschiede in Sprach- und Denkmustern häufig zu Missverständnissen führen."
Fu Ying half dabei, einen Rekord zu brechen: Im Dezember 2005 gab es die größte Teilnehmerzahl an einem der traditionellen Mittagessen des Melbourne Mining Clubs, einer Gesellschaft zur Förderung der australischen Bergwerksindustrie. Fu Ying sprach vor 550 Menschen Gästen zum Thema „Das moderne China und seine Beziehungen zu Australien". Nach ihrer Rückkehr ins Hotel bekannte sie: „In meiner mehr als zwanzigjährigen Erfahrung als Diplomatin habe ich noch nie so stark wie heute gespürt, dass die Stimme Chinas von so vielen Menschen auf der Welt wahrgenommen wird, und sich der Raum für die Beziehungen mit der Außenwelt immer mehr erweitert."
Fu Ying s agt gerne, dass man in der Diplomatie vor allem objektiv bleiben und vor anstehenden Problemen in den zwischenstaatlichen Beziehungen nicht die Augen verschließen soll. Außerdem muss man sich darum bemühen, die Position der Regierung verständlich zu erläutern, zugleich aber einen persönlichen Stil in seinen Äußerungen pflegen. So schafft man im diplomatischen Verkehr einen ungewohnten Effekt, der den Umgang miteinander wesentlich erleichtern kann. Dazu bedarf es nicht nur Geschick im Umgang mit Menschen, sondern auch die Fähigkeit, sich an die Ausdrucksweise anzupassen, die auf dem internationalen Parkett gepflegt wird. Du Ping, der in der Zeitung Lianhe Zaobao aus Singapur über die langfristigen Trends in der chinesischen Diplomatie schreibt, hat kritisiert, dass es zu wenig Beamte gibt, die Auslandserfahrung haben und Umgang mit ausländischen Medien pflegen. Nicht nur die Menschen in der westlichen Welt, sondern auch die Chinesen selbst würden das seit Jahrzehnten von Spitzenfunktionären gepflegte Parteichinesisch weder verstehen noch gutheißen können.
|