Wir denken oft: Warum missversteht der Westen China? Aber missversteht China nicht auch oft den Westen? Jeder schlägt den Ton an, den er gewohnt ist.
Sie liebt es, starke Sätze von Deng Xiaoping zu zitieren: „China ist groß, aber auch klein; China ist stark, aber auch schwach."
Sie denkt immer, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.
Oft sagt sie, dass man in der Diplomatie vor allem objektiv bleiben müsse und vor Problemen nicht die Augen verschließen solle. Außerdem muss man sich darum bemühen, den eigenen Standpunkt verständlich zu kommunizieren.
Am 4. Januar hat der Staatsrat neue Mitglieder in seine Reihen aufgenommen und andere in den Ruhestand verabschiedet. In der langen Liste fällt Fu Ying auf, als Angehörige der Nationalen Minderheit der Mongolen und als Frau. Sie wird neue stellvertretende Außenministerin. Seit Gründung der Volksrepublik China ist sie erst die zweite Frau, die dieses Amt innehat.
In den letzten zwei Jahren fand Fu Ying wegen des ausgezeichneten Profils, das sie in den Augen vieler Chinesen als Botschafterin in London erworben hat, allgemeine Anerkennung und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Viele Menschen wurden auf sie aufmerksam durch ihren Artikel: „Wenn der Westen uns versteht".
Liebling der Medien
Im April 2007 hatte Fu Ying gerade ihren Dienstposten als neue Botschafterin in Großbritannien angetreten, als sie auch schon am „Anglo-Chinesischen Medienforum" teilnahm. Sie suchte den Kontakt mit den Medien, sie war furchtlos und unerschrocken, wenn es galt, Kritik an China zurückzuweisen. Später besuchte sie oft die Führungsetagen großer Medienunternehmen, trank dort Tee und pflegte Small Talk. Oft verlieh sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Medien über das wahre China berichten mögen. Auf den Websites der wichtigsten britischen Tageszeitungen stand ihr eine Kolumne zur Verfügung, in der sie mit einigen persönlichen Farbtupfern versehen den Standpunkt der chinesischen Regierung darlegen konnte. Es sind Zeitungen, die vom breiten Mittelstand Großbritanniens gelesen werden. Hier wird Meinung gebildet, die sich in politischen Willen umsetzt. „Der Mittelstand bildet den Kern der englischen Gesellschaft, diesen Teil der Bürgerschaft zu überzeugen, ist sehr wichtig", sagt Zeng Biao, ein chinesischer Student, der es trotz Fish & Chips mehrere Jahre in Großbritannien ausgehalten hat.
Cai Fangbai, der ehemalige chinesische Botschafter in Frankreich, sieht die Aufgaben eines Botschafters so: „China zu präsentieren und den Kontakt zur Welt herzustellen. Aber jeder Botschafter pflegt seinen eigenen Stil. Fu Yings Stärke ist, dass sie ein großer Kommunikator ist. Sie versteht es, sich in die Denkweise der Briten einzufühlen, und nicht einfach die üblichen Klischees zu wiederholen, mit denen Chinesen im Ausland die Welt noch immer zu beeindrucken versuchen," sagt Cai.
Tatsächlich ist Fu Ying bereits als Botschafterin in Australien für ihren individuellen Stil im Umgang mit der Öffentlichkeit aufgefallen. Brendan Nicholson, Hauptstadtreporter der Tageszeitung „The Age", hat Fu Ying oft interviewt. Am meisten hat ihn eine Begegnung im Juni 2005 beeindruckt. Damals hatte Fu Ying bei einer Buchvorstellung moderiert, aber alle Fragen der anwesenden Journalisten drehten sich nur um Chen Yonglin. Chen Yonglin war Erster Sekretär des chinesischen Konsulats in Sydney gewesen. Wenige Tage zuvor hatte er gemeinsam mit seiner Frau und Tochter das Konsultat verlassen und sich in Australien um politisches Asyl beworben. Vor den Medien hatte Chen erklärt, dass seine Aufgabe die Überwachung von chinesischen Dissidenten und Falun Gong- Anhängern in Australien gewesen sei, und dass China im Gastland ein Heer von 1000 Spionen unterhalte. Entsprechend aggressiv fielen die Fragen der australischen Medienvertreter bei der Begegnung mit der Botschafterin aus. Lächelnd und betont ruhig entgegnete Fu Ying: „Wenn ich so umfangreiche Geheimdienstaktivitäten koordinieren müsste, wie könnte ich da noch Zeit haben, mich hier mit Ihnen zum Gespräch zu treffen?" In China wurde ihr dies als schlagfertige Antwort aufs Sympathiekonto verbucht.
Der ABC Radio-Journalist Graeme Dobell hebt hervor, dass Fu Ying im Vergleich zu ihrem Vorgänger auf dem Botschafterposten einen gewissen Stilwechsel vollzogen hatte: „Seit März 2004 war sie in Australien. Niemals hat sie die Medien mit der Floskel ´Kein Kommentar´ abgespeist." Wie jeder Journalist weiß auch Dobell auskunftsbereite Politiker zu schätzen. Gut erinnert er sich an die Antwort von Fu Ying bei einem Exklusivinterview über die Taiwanfrage. Fu Ying sagte: „Die Chinesen werden eine Unabhängigkeit Taiwans nicht akzeptieren. Das ist doch wie bei zwei Brüdern, die ein Haus von ihren Eltern geerbt haben. Wir sind zwar Brüder, aber wir hassen einander. Wir verschließen die Tür voreinander. Aber wir werden nicht das Dach einreißen. Wir haben vor, das Erbe der Eltern zu erhalten."
Soziale Kompetenz als Trumpf
In China wird Fu Ying oft als „Krisenexpertin" bezeichnet. Während ihrer Botschaftertätigkeit ist ihre Spezialität, sich aktiv im gesellschaftlichen Umfeld zu bewegen. Sie ist eine ausgezeichnete Gesprächspartnerin. Sie ist imstande, Geschichten zu erzählen, persönliche Eindrücke widerzugeben, anstatt nur hohle Phrasen zu dreschen. Vor allem gelingt es ihr, individuelle Lebensgeschichten mit einer Reflexion über Aufstieg und Niedergang der Nation zu verknüpfen.
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