19-03-2010
Deutschland und China - Gemeinsam in Bewegung
Bambus gehört die Zukunft - Markus Heinsdorff im Gespräch
von Wu Yanfei

Die Deutsch-Chinesische Promenade ist das Herzstück jeder Station von „Deutschland und China - Gemeinsam in Bewegung". Die Station dieses Jahres, die den Abschluss der drei Jahre andauernden Veranstaltung bilden soll, befindet sich auf dem Expo-Gelände in Shanghai. Der Installationskünstler Markus Heinsdorff hat auf dem Expo-Gelände einen Pavillon aus chinesischem Bambus und Hi-Tech-Werkstoffen gebaut. Im Interview mit der Beijing Rundschau hat der Münchener über Balance und Harmonie, nachhaltige Urbanisierung, Energieeffizienz im Straßenverkehr und die Zukunft der Stadtplanung gesprochen.

Herr Heinsdorff, Ihr Design für „Deutschland und China - Gemeinsam in Bewegung" auf der EXPO 2010 in Shanghai erinnert stark an asiatische Ästhetik. Was für eine Rolle spielt die asiatische Kultur in Ihrer Arbeit?

In meiner Arbeit als Installationskünstler spielen unterschiedliche kreative Disziplinen wie Architektur, Design, Fotografie und Bildhauerei eine wichtige Rolle. Ich experimentiere mit Ihnen und verbinde sie auf unterschiedliche Weise miteinander. Das Ergebnis ist eine neue spannende Kunst- und Ausdrucksform, bei der fremde Kulturformen, vor allem die asiatische Kultur, von besonderer Bedeutung sind.

Schon vor dreizehn Jahren habe ich dieses kulturenübergreifende Thema aufgenommen, zum Beispiel mit meiner Installation „Windows – Marco Polos Traum", die an den historischen Originalschauplätzen in Hangzhou (Provinz Zhejiang) und Venedig (Italien) ausgestellt waren und in der unter anderem mit chinesischen Schriftzeichen gearbeitet wurde. Anschließend ging diese Ausstellung als kulturverbindende Themenreihe durch mehrere Länder.

In vielen meiner Installationen lasse ich fremde Kulturformen einfließen und erreiche damit einen einzigartigen Ausdruck. Das gilt auch für meine aktuellen Projekte wie Bambusbauten oder die Wasser- und Teethemen. Wasser, Tee und Bambus sind asiatische Themen, die ich für den Dialog zwischen Ost und West aufgreife.

 

Können Sie uns Ihre dem Projekt zugrundeliegende Bauphilosophie erläutern? Wie bewerten Sie die Beziehung zwischen Ihrem Bambusbau mit dem Deutschen Pavillon „balancity"?

Es gibt in diesem Sinne keine Philosophie – es gibt nur die Suche nach Perfektion und besonderen Ausdrucksformen sowie dem Schaffen eines ganz neuen Werkes. Ich versuche dabei Bambus als einen hochmodernen Werkstoff einzusetzen und ihn als solchen der Öffentlichkeit zu vermitteln. Dafür habe ich mich zunächst mit der traditionellen Verarbeitung von Bambus beschäftigt. Vor allem wegen seines kunsthandwerklichen Charakters reizt es mich besonders, ihn als Material für ein zeitgenössisches Kunstwerk oder Bauprojekt einzusetzen. Ich möchte die Besucher in Erstaunen darüber versetzen, was man alles mit Bambus machen kann. So mache ich als Künstler aufmerksam auf die notwendige Auseinandersetzung mit einer nachhaltigen Zukunft, Urbanisierung und einer lebenswerten Umwelt. Es ist mir als Künstler ein besonderes Anliegen, mit meiner Arbeit anzuregen und für diese Themen zu sensibilisieren.

Der Deutsche Pavillon ist ein sehr moderner Bau mit einem nach außen futuristischen Design. Das Deutsch-Chinesische Haus von „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" ist anders, ergänzt aber thematisch den Pavillon. Während es im Innern des Deutschen Pavillons rund um das EXPO-Thema „better city, better life" geht, ist Material und Design des Deutsch-Chinesischen Hauses Symbol und Botschaft für die Nachhaltigkeit der Zukunft.

Durch die begrenzte Größe des Baus war es wichtig, gleich in die Grundform eine Botschaft für nachhaltige Urbanisierung, dem Kernthema von „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" zu integrieren.

 

China bemüht sich, eine harmonische Gesellschaft aufzubauen. Was ist „Harmonie" in den Augen eines Architekten und was ist Ihrer Meinung nach entscheidend, um Harmonie und Balance in einer Metropole wie Shanghai aufrechtzuerhalten?

Als Künstler braucht man sowohl Harmonie als auch Disharmonie. Beides ist für die innere Spannung einer gelungenen Form wichtig. Das findet man auch in Shanghai in vielen Bereichen. Meiner Meinung nach gehört Shanghai zu den aufregendsten Städten der Welt, mit einem völlig eigenen Charakter und einer spannenden Mischung von Harmonie und Balance. Aber der Schein trügt natürlich auch. So sehr die Hochstraßen mit ihrer schönen, nächtlichen Beleuchtung auch faszinieren, sie weisen bestimmt nicht den Weg zu einer Entwicklung von Zukunftsmetropolen. Das gilt auch für schnelles Bauen ohne Qualität und Gesicht, oder mit viel kitschigem Dekor. Zur Aufrechterhaltung zukünftiger Balance gehört für mich in erster Linie Qualität in Design und Material. Die Stadtplanung sollte mit gut gestalteten Freiflächen den Straßenverkehr mit seinen Emissionen tendenziell eher aus der Stadt drängen als ihm weitere neue Trassen zu widmen. Shanghai hat aus meiner Sicht alle Chancen, eine Modellstadt für die Zukunft zu werden, die Mensch und Umwelt in Einklang bringt und Vorbild für andere Metropolen sein kann.

 

Nennen Sie bitte einige chinesische Bauwerke, sowohl moderne als auch klassische, die Ihrer Vorstellung von Harmonie und Balance entsprechen.

Es gibt einige chinesische Bauwerke, die mir ausnehmend gut gefallen. Zum Beispiel die Wahrzeichen von Shanghai wie der chinesische Pavillon auf dem EXPO-Geblände, der Oriental Pearl Tower Fernsehturm in Pudong oder die historischen Bauten wie das Teehaus mit dem angrenzenden Yu-Garten. Der Pavillon der chinesischen Stadt Ningbo auf der EXPO 2010 ist auch ein sehr schönes Beispiel für einen gelungenen modernen Bau in ureigenem chinesischen Stil. Jeder Bau hat eine eigene Sprache, die für China steht. Immer dann, wenn sich Bauten aus der Baugeschichte entwickelt haben, ist die Architektur besonders spannend und sehenswert. Westliches Design ergänzt zwar, sollte aber eher einen kleineren Teil der Gestaltung chinesischer Städte ausmachen. So kann Shanghai einzigartig bleiben und nicht wie viele Weltmetropolen durch zahlreiche ungestaltete Zweckbauten seinen besonderen Charakter und Charme verlieren.