08-07-2009
Von Dongfanghong zu Beidou
„Ein selbstentwickeltes Navigationssystem ist sogar wichtiger als die bemannte Raumfahrt!"
 

Um 0 Uhr 16 am 15. April 2009 wurde die Compass G2 von einer Trägerrakete ins All gebracht. In den kommenden Jahren will China sein globales Navigationssystem (Compass) erheblich ausbauen. Es ist geplant, bis zum Jahr 2015 mehr als 30 Navigationssatelliten ins All zu bringen. Sie sollen eine globale Abdeckung ermöglichen, auf deren Grundlage ein Navigationssystem errichtet werden kann. Generalmajor Jin Yinan, Leiter des Instituts für Strategische Forschung hat in einem Interview mit China National Radio (CNR) seine Ansichten über das neue Navigationssystem dargelegt.

CNR: Können Sie uns einen Überblick über Compass geben?

Jin: Compass ist der Name des chinesischen selbstentwickelten Satellitennavigationssystems, das neben dem amerikanischen GPS und russischen GLONASS zum dritten selbstständigen Navigationssystem gezählt wird. Es besteht aus drei Elementen: den Beidou-Navigationssatelliten, dem Kontrollzentrum auf der Erde und den Nutzern des Systems. Die geostationären Satelliten tragen den Namen Beidou (Sternbild Großer Bär). Beidou-1A und –1B wurden am 30. Oktober und 20. Dezember 2000 gestartet und Beidou-2A (alter Name: Beidou-1C) ist seit dem 24. Mai 2003 im All. China verfügt also über ein selbstentwickeltes Navigationssystem der ersten Generation. Das Navigationssystem der ersten Generation deckt China und benachbarte Regionen ab. Das Compass-Navigationssystem der ersten Generation kann für die Verkehrssteuerung, die Wetterüberwachung, die Suche nach Ölfeldern, die Überwachung von Waldbränden sowie den Aufbau von Telekommunikationsverbindungen genutzt werden. Im Jahr 2009 und 2010 wird China weitere 10 Satelliten der Serie 2 ins All bringen. Bis 2010 sollen 35 Navigationssatelliten im All stationiert sein, die eine globale Abdeckung ermöglichen, auf deren Grundlage ein Regelbetrieb eingerichtet werden kann. Die zweite Generation des Compass-Navigationssystems wird zu gegebener Zeit aufgebaut.

 

Worin liegt für China der Nutzen, ein eigenes Navigationssystem zu entwickeln? 

Ich finde, dass der Aufbau eines eigenen Navigationssystems nicht nur wichtig für die nationale Sicherheit ist, sondern auch notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ein selbstentwickeltes Navigationssystem ist sogar wichtiger als die bemannte Raumfahrt!

China ist ein potenzieller Markt für Auto- und Mobilnavigation. Derzeit wird dieses Marktsegment jedoch hauptsächlich vom amerikanischen GPS besetzt. Wenn wir weiterhin kein  eigenes Navigationssystem entwickeln, entstehen der chinesischen Volkswirtschaft erhebliche Nachteile. Je später ein chinesischer Anbieter in den Markt eintritt, umso schwieriger wird es für ihn, darin Fuß zu fassen.

Als ein Frachtschiff der chinesischen Reederei COSCO während des Irakkriegs Kurs auf den Indischen Ozean nahm, wollten amerikanische Kriegsschiffe die Fracht des Schiffes überprüfen. Dieses Ansinnen wurde von COSCO abgelehnt. Die Reederei argumentierte, dass sich die USA mit dem Irak zwar im Krieg befänden, sie aber dennoch kein Recht hätten, alle Schiffe auf dem Indischen Ozean zu kontrollieren. Deswegen ließ der Kapitän sein Schiff nicht stoppen. Kurz darauf stellte die Besatzung fest, dass das GPS des Schiffes ausgefallen war. Zuerst dachte der Kapitän an einen technischen Defekt. Nach einer Überprüfung war man sich jedoch sicher, dass die USA das GPS-Signal des Schiffes abgeschirmt hatten.

 

Welche Nachteile und Beschränkungen weist das gegenwärtige Compass-System auf? 

Das gegenwärtige Compass-System kann nur bestimmte Regionen erfassen, nämlich das Staatsgebiet der Volksrepublik China und einen Bereich, der von den Ryukyu-Inseln bis zum philippinischen Archipel reicht. Die Möglichkeiten einer effektiven Nutzung sind also eingeschränkt und entsprechen nicht den Bedürfnissen der nationalen Sicherheit. Für die Eskortierung von Handelsschiffen im Golf von Aden vor der Küste Somalias kann Compass beispielsweise nicht eingesetzt werden. Durch diese eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit müssen chinesische Truppenverbände bei gemeinsamen Übungen unter anderem auf GPS zurückgreifen.

 

Worin liegt die hauptsächliche Schwierigkeit beim Aufbau eines weltweiten Navigationssystems?

Ich glaube, es gibt zwei Probleme. Zunächst einmal ist es nicht besonders schwer für ein Land, Satelliten ins All zu bringen. Wie aber platziert man sie sinnvoll in einer Umlaufbahn im Orbit? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Außerdem muss man beim Internationalen Fernmeldeverein und der Union Radio-Scientifique Internationale (URSI) entsprechende Frequenzen beantragen. Der Prozess der Antragstellung und das Genehmigungsverfahren sind relativ langwierig.