Der Obsthändler Li in dem Dorf Longkaikou hat große Sorgen, denn seit dem 11. Juni ist sein Umsatz schlagartig um die Hälfte zurückgegangen. Er weiß nicht, dass das Umweltministerium zum 11. Juni die Einstellung des Wasserkraftwerksprojekt am Mittellauf des Jinsha-Flusses bzw. in den Dörfern Longkaikou und Ludila in der Provinz Yunnan in Südwesten von China verfügt hat. Der Bau der Wasserkraftwerke – so die Begründung – sei ohne entsprechende Bewilligungen aus dem Umweltministerium begonnen worden. Eine Umweltverträglichkeitsstudie für das Projekt wurde vom Ministerium bislang noch nicht veröffentlicht. So haben in den letzten Tagen viele Bauarbeiter Longkaikou abgezogen, und das Geschäft für Obsthändler Li wird zunehmend flauer.
Aber es geht nicht nur um das Obst des Herrn Li, sondern um Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Yuan. Den Bau der beiden Kraftwerke haben China Huaneng und China Huadian finanziert, zwei der fünf größten staatseigenen Stromversorger Chinas. Nach Ansicht des Umweltministeriums aber soll man sich mit der Entwicklung der Wasserkraft am Mittellauf des Jinsha-Flusses erst noch eingehender befassen, bevor es grünes Licht für die Werke geben kann. Der Schwerpunkt der Untersuchung sei der Einfluss des Projekts auf das ökologische Gleichgewicht des Biotops, vor allem auf Fische, Amphibien und Wasserpflanzen.
An der Baustelle des Ludila-Wasserkraftwerks der China Huadian ist das Wasser des Jinsha-Flusses schon umgeleitet: Flussbett und Hänge zu beiden Ufern gelten bereits als Baustelle. Das Projekt steht kurz vor der vollständigen Stauung des Flusses. Beim Longkaikou-Projekt, das ein Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 20 Milliarden Yuan hat, ist man bereits bei der Errichtung der Hauptgebäude der Anlage. Das Umweltministerium hat für jeweils einen Tag seine Untersuchungskommission vor Ort geschickt. In Anbetracht der bereits verbauten Gelder in Höhe von zwei Milliarden Yuan rechnen die Projektträger allerdings nicht wirklich damit, dass der Bau definitiv eingestellt wird.
Das Umweltministerium sieht sich starkem Druck ausgesetzt: einerseits sind von seiner Entscheidung staatseigene Unternehmen betroffen. Je länger der Baustopp dauert, desto mehr Geld verliert der Staat. Wenn das Projekt fortgesetzt wird, können andererseits die Umweltschäden erhebliche Ausmaße annehmen. Die Beamten der Lokalregierung machen ihrerseits deutlich, dass der Aufschub der Bauarbeiten das Umsiedlungsprojekt der Bewohner behindert. Das könnte sozialen Zündstoff liefern.
Zhou Weidong, Generaldirektor der Huadian Ludila Wasserkraftwerks GmbH erklärt gegenüber Nanfang Weekend: „Der Bau der Wasserkraftwerke eröffnet der lokalen Wirtschaft ungeahnte Möglichkeiten. Das Wasserkraftwerksprojekt in Ludila wird nicht nur Zigmillionen Yuan an Steuereinnahmen generieren, sondern auch der lokalen Logistik- und Baubranche einen enormen Auftrieb verschaffen. Die Lage auf dem örtlichen Arbeitsmarkt wird durch das Projekt natürlich auch deutlich verbessert werden."
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