13-04-2015
Unterwegs in China
Das Leben abseits des Selfies
von Denis Green (Der Autor ist ein in Beijing lebender Brite)

LEBEN DURCH DIE LINSE: Touristen machen ein Selfie in Hanzhong, Shaanxi Provinz TAO MING

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als man ein Telefon, einen Computer und eine Kamera hatte? Ich tu es, denn es ist noch überhaupt nicht lange her. Heute muss nicht mehr alle drei Geräte mitnehmen – mit dem Smartphone kann man fotografieren, sich im Internet einloggen um die Bilder beim Social Media Netzwerk hochzuladen, und man kann sogar die Telefonfunktion verwenden, um seinen Freunden von den eben gemachten Bildern erzählen. Der Punkt auf den ich hinauswill, ist, dass Menschen heutzutage zu viel Zeit mit ihrem Smartphone verbringen, wenn sie eine Sehenswürdigkeit besuchen und dabei nicht mehr erleben und genießen, was um sie herum ist.

Als ich vor kurzem bei Ausflügen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Beijings den allwissenden Tourguide für meinen Vater spielte, kamen wir beide nicht umhin zu bemerken, in welch fortschrittlicher Welt wir nun leben und wie dadurch unsere Art Dinge wahrzunehmen beeinflusst wird. Es ist, als ob die Menschen ihr Leben durch eine Linse erleben und nicht mehr in die Schönheit und Bedeutung der von ihnen besuchten Plätze eintauchen wollen.

Als wir uns durch die Massen an den weltbekannten Orten, wie der Verbotenen Stadt oder dem Himmelstempel, kämpften, war es offensichtlich, dass die meisten gar nicht mehr die an diesen Orten bewahrte Geschichte bemerkten, da sie nur mehr interessiert waren, Bilder oder Videos von sich selbst in den Social Medias hochzuladen.

Das sind keine normalen Bilder mehr. Selfie Sticks und GoPro Kameras eröffnen neue Möglichkeiten, die eigenen Reiseerfahrungen zu dokumentieren. Mich zwischen den anderen Touristen zu bewegen, entwickelte sich regelrecht zu einem Kampf, da diese zu beschäftigt waren, sich selbst durch ihre Smartphones aufzunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass sich die meisten mehr für ihre Bilder als für den Ort interessierten.

Für viele von ihnen ist es möglicherweise das erste und letzte Mal, dass sie diese historischen Plätze besuchten – es ist das einzige Mal in ihrem Leben, dass sie durch die weiten Höfe der Verbotenen Stadt gehen und ihre einzige Gelegenheit, die Chinesische Mauer zu sehen. Ich finde es wichtig, dabei einen Moment innezuhalten. Das Gefühl beim Ausblick über den Sommerpalast kann von keinem Bild der Welt jemals eingefangen werden. Dieses Gefühl bleibt aber in der Erinnerung. Man sollte im Augenblick leben und nicht durch den Filter einer Linse!

Die neue Technologie ist großartig und mit Smartphones kann man unglaublich schöne Bilder machen, aber man sollte vielleicht daran denken, dass diese Bilder ohnehin schon im gesamten Internet verbreitet sind. Ich finde es einigermaßen schockierend, dass Menschen nun einem vorgegebenem Pfad folgen um mit einem verlängerbaren Stab sich selbst oder was auch immer aufnehmen, ohne dabei die beeindruckende Szenerie um sich herum wahrzunehmen. Aber wir leben mittlerweile in einer Welt, in der Touristen einen Großteil ihrer Reise hinter ihrem Smartphone kleben: um Bilder zu machen, Videos aufzunehmen, mit Freunden Nachrichten auszutauschen, Bilder auf Social Medias zu posten, die Kommentare zu ihren Bildern zu lesen, diese Kommentare zu beantworten, und so weiter und so fort.

Fotografie ist wunderbar, aber es kommt doch der Punkt, an dem Touristen den Kopf heben und aufhören sollten, ständig zu kontrollieren wie die Bilder auf ihrem Smartphone aussehen. Man sollte die Welt um sich herum genießen Schönheit liegt schließlich im Auge des Betrachters!