19-02-2015
Unterwegs in China
Wie eine deutsch-chinesische Familie das Frühlingsfest feiert
von Maike Schulte

Ma Jinghua und Harald Kumpfert, beide 49, sind so etwas wie China und Deutschland in Personalunion. Die Marketingfachfrau aus der Provinz Shandong und der Geschäftsführer eines Unternehmens für Heizungspumpen aus Ostdeutschland sind seit 2002 verheiratet und leben mit ihrem 13-jährigen Sohn Sebastian in Beijing. In ihrem Alltag prallen zwei Kulturen mit unterschiedlichen Traditionen aufeinander. Wie ihre Familie das wichtigste chinesische Fest, das Frühlingsfest, feiert und ob es sich im Laufe der Zeit möglicherweise "germanisiert" hat, haben sie der Beijing Rundschau erzählt.

 

 

Ma Jinghua und Harald Kumpfert lieben die Natur. Mit Sohn Sebastian und Neffe Shi Chang waren sie im vergangenen Jahr in Island. (Foto: Privat)

Vom 18. bis 24. Februar begrüßt China das neue Jahr des Schafes. Das Haus wird geputzt, Neujahrsreime werden an die Türen geklebt, rote Umschläge mit Geld verschenkt, Unmengen von Feuerwerk werden in die Luft gejagt und genauso viel gegessen. Das ganze Land setzt sich zu diesem Anlass in Bewegung. Mit dem alljährlichen Frühlingsfest beginnt die größte Völkerwanderung der Welt. Züge, Flugzeuge und Busse sind randvoll mit Menschen, die zu dieser Zeit an ihren Heimatort zu ihren Familien zurückkehren, um Verwandte und Freunde zu besuchen.

"Das Frühlingsfest ist für Chinesen etwa so bedeutsam wie Weihnachten für Deutsche", erklärt Ma Jinghua, "es ist ein sehr wichtiges Familienfest." Aus allen Himmelsrichtungen kommen Kinder, Eltern, Großeltern und entfernte Verwandte zusammen, um sich über persönliche Erfahrungen auszutauschen, über Zukunftspläne zu sprechen und – wir sind schließlich in China – ausgiebig und gut zu essen. "Es ist eine erholsame Zeit für die Chinesen. Ich mag diese Ruhe und Entspannung", sagt Ma Jinghua, "allerdings nicht das zu viele Essen."

So wie China hat sich auch das Fest im Laufe der Zeit verändert, manche Traditionen sind verloren gegangen. "In meiner Kindheit haben wir ganz anders gefeiert", erinnert sie sich. "Zum Frühlingsfest zogen die Kinder neue Kleidung an, um das neue Jahr zu begrüßen, das ist heute seltener geworden. Es gab ein großes Feuerwerk und die Eltern bereiteten eine Menge leckeres Essen vor." Heute dagegen würden viele Familien am Neujahrsabend in ein Restaurant gehen, anstatt selber zu kochen, bedauert sie. "Viele Bräuche finden auch bei uns nur noch in vereinfachter Form statt", räumt sie ein, "aber eine Tradition haben wir bewahrt, nämlich am Silvesterabend Jiaozi selber zu machen."

Für die deutsch-chinesische Familie ist das Frühlingsfest vor allem zu einer willkommenen Zeit der Entspannung und des Auftankens geworden, das hohe Arbeitspensum während der restlichen Jahreszeit fordert seinen Tribut. Ma Jinghua ist für das Marketing eines Autozulieferers in Beijing verantwortlich, ihr Mann Harald pendelt als Leiter eines Heizungspumpenherstellers zwischen der Hauptstadt und Shenyang hin und her. "Wir fliegen daher meist nach Hainan und verbringen zehn Tage ruhige Tage in unserem Haus am Wuzhishan", erzählt sie. Das Haus liegt fernab vom Touristentrubel eine Stunde nördlich von Sanya, abgeschieden inmitten bewaldeter Berge in einem Naturschutzgebiet.

Ihr Mann Harald lebt seit gut 20 Jahren in China. Auch für ihn ist das chinesische Neujahr mittlerweile zu einem wichtigen Familienfest geworden, das er am liebsten mit Frau und Kind fernab der Hektik und Kälte Beijings in warmen Hainan verbringt. "Ich respektiere Traditionen", sagt er. "Aber ich persönlich bin kein Fan davon, immer nur das Alte zu wiederholen. Mir ist wichtig, dass man sein Leben immer auch selber gestalten kann."

Und was sagt Sohn Sebastian zu den bevorstehenden Ferien im Süden Chinas? Natur und Ruhe pur sind offensichtlich nicht ganz sein Ding. Wie viele Gleichaltrige liebt er Computerspiele. Darauf muss er während des Frühlingsfests verzichten. Auf die Frage, ob er sich schon auf die Ferien freue, antwortet er nur: "Es gibt kein Internet in unserem Haus."