15-08-2014
Unterwegs in China
„Weiter, weiter!“ Ein Tag mit einer chinesischen Reisegruppe
von Maike Schulte

 

Ein Rundhaus der Rekorde

Anders als Tianluokeng liegt Yuchang Lou eingebettet in ein kleines Dorf. Es ist gewissermaßen ein Rundhaus der Rekorde. Zum einen ist es für seine um bis zu 15 Grad nach innen geneigten Holzsäulen bekannt. Gleichzeitig ist es das älteste Rundhaus der Provinz Fujian (Baujahr 1308) und das imposanteste. Seine Mauern sind über 18 Meter hoch, es ist 6358 Quadratmeter groß und sein Außenring hat einen Durchmesser von beeindruckenden 36 Metern. Die Zimmerzahl kann es problemlos mit einem größeren Hotel aufnehmen, auf fünf Etagen verteilen sich 270 Räume. Im Erdgeschoss gibt es 22 Küchen, jede mit einem eigenen Brunnen, auch das Rekord.

 

Der Ahnensaal im Yuchang Lou, dem größten und ältesten Rundhaus Fujians

Den größten Teil des Innenhofes nimmt jedoch der Ahnensaal ein, in dem auch die Gemeinschaftsangelegenheiten besprochen werden, sozusagen das Rathaus des Tulou. Und darum herum wuseln die Bewohner wie gewohnt, spülen ihr Geschirr, trocknen Getreide, bereiten das Essen zu und bieten auch hier ihre Waren an. Eine besondere Attraktion ist eine ältere Frau, von Hand rollt sie Tabak geschickt zu Zigaretten und bietet sie zum Proberauchen und Verkauf an. Angesichts der Mittagshitze hat unsere Reiseleiterin Erbarmen, „Zehn Minuten Pause!", verkündet sie und sinkt wie wir verschwitzt auf einen kleinen Hocker und erholt sich bei einer kleinen Tasse Tee. Wir beobachten das quirlige Treiben um uns herum, bis es („Zoule, zoule!") weiter geht, diesmal nicht im Bus, sondern in nahtlosem Wechsel in kleinen Wägelchen in Richtung Programmpunkt Nummer drei, ins nahegelegene Hakka-Dorf Taxia.

„Mini-Venedig": Elf Steinbrücken überqueren den kleinen Fluss im Dörfchen Taxia

 

Taxia gehört zu den 15 Chinese Landscape Villages, Dörfern, die wegen ihrer landschaftlichen Umgebung als besonders sehenswert gelten. Ein Bach schlängelt sich durch den 1426 entstandenen verschlafenen Ort, überspannt von elf alten Steinbogenbrücken. Bekannt ist Taxia auch für einen der am besten erhaltenen Ahnensäle Chinas. Er ist mehr als 400 Jahre alt und gehört dem Clan der Zhang, den Gründern des Dorfes. In unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfes befinden sich zudem mehr als 40 Tulous, der älteste stammt aus dem Jahr 1631. In seinem Innenhof geht es deutlich weniger touristisch zu, die vorwiegend älteren Bewohner widmen sich in aller Ruhe ihren Alltagsbeschäftigungen, plaudern miteinander und ignorieren uns weitgehend. So bekommen wir am Ende noch einen authentischeren Einblick in das normale Leben im Innern der Wohnfestungen.

Damit haben wir dann auch schon unser Reiseprogramm absolviert, und dass, obwohl es erst kurz nach 14 Uhr ist, wie wir etwas perplex feststellen. Mit meist dösenden Fahrgästen rollt unser rosa Bus im Nu zurück durch die gleißende Sommerhitze, vorbei an Reisfeldern und Bauern mit den typischen kegelförmigen Hüten. Bereits am späten Nachmittag sind wir zurück in Xiamen. Der Reiseleiter verabschiedet uns per Mikrofon als „seine neuen ausländischen Freunde" und wir haben noch jede Menge Zeit, die gesammelten Eindrücke zu verdauen.

Unser Fazit: Anders als anfänglich befürchtet, wurden wir kein bisschen als exotische „Waiguoren" bestaunt, sondern unspektakulär freundlich in die Reisegruppe aufgenommen. Ein wenig hektisch war es zwar, eine Art überwältigender Tulou-Rush und -Rausch, dafür aber perfekt organisiert und vom Preis-Leistungs-Verhältnis sowieso unschlagbar. Kurzum: Ein unvergesslicher Tag, allein unter Chinesen.

 

 

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