Moslems sind eine kleine Minderheit in der chinesischen Hauptstadt. Doch in einem kleinen Viertel im Süden pulsiert moslemisches Leben.
Die Moschee an der Niujie hat optisch wenig mit einer Moschee, wie man sie aus dem arabischen Raum kennt, gemein (Maike Schulte)
Rund 230.000 Moslems leben in Chinas Hauptstadt. Bei einer Bevölkerungszahl von mehr als 20 Millionen macht das nicht einmal ein Prozent aus. Dementsprechend selten sind Kopftücher oder Gebetsmützen im Stadtbild vertreten. Mit einer Ausnahme: Im Süden des Bezirks Xichengs pulsiert moslemisches Leben. Religiöses Zentrum ist die Niujie-Moschee, die älteste und größte der insgesamt 68 Moscheen der Hauptstadt.
Über drei hintereinander liegende Höfe sind die Gebäude der 996 vom arabischen Gelehrten Nasurutan errichteten Moschee verteilt. Nach Erweiterungen während der Qing- und Ming-Dynastie umfasst sie heute ein Areal von 10.000 Quadratmetern. Mit einer Moschee wie man sie aus arabischen Ländern kennt, hat das Bauwerk, das seit 1988 zu Chinas Nationaldenkmälern zählt, allerdings wenig gemein.
Auch in der 760 Quadratmeter großen Gebetshalle weisen nur die arabischen Schriftzeichen auf den Torbögen darauf hin, dass es sich nicht um einen chinesischen Tempel handelt (Maike Schulte)
Bestes Beispiel dafür ist das Hauptgebäude, die 760 Quadratmeter große Gebetshalle. Nur der Teppich und die goldenen arabischen Inschriften auf ihren Holzbögen sind eindeutige Indizien dafür, dass es sich hier nicht um einen chinesischen Tempel handelt. „Außerdem gibt es bei uns keine menschlichen Bildnisse. Das verbietet unsere Religion anders als der Buddhismus oder Taoismus", erklärt Moscheevorsteher Wei Chunjie.
Auch das Minarett gleich nebenan erinnert mit seinem geschwungenen Ziegeldach und seiner geringen Höhe mehr an einen typisch chinesischen Pavillon. Und einen Muezzin, der zum Gebet ruft, gibt es auch nicht mehr. „Die Leute aus der Nachbarschaft kennen uns mittlerweile, sie kommen jeden Freitag von ganz allein", berichtet Wei, der stolz darauf ist, nach Mekka gepilgert zu sein. Rund 1000 Menschen finden sich allwöchentlich zum Gebet an der Niujie (dt. Rindergasse) ein, das Ende des Fastenmonats Ramadan feiern regelmäßig bis zu 2500 Gläubige. Dann wird das gesamte Gelände der Moschee mit Teppichen ausgelegt und im riesigen Kupferkessel, einem Geschenk des chinesischen Kaisers Kangxi (1654-1722), Haferbrei zubereitet.
Kangxi setzte sich auch mit einem Edikt für die nicht immer friedliche Koexistenz von Moslems und Chinesen ein. Nachdem Gerüchte über einen moslemischen Aufstand für Unruhe sorgten, stattete er der Moschee einen Besuch ab. Als er keinerlei Anzeichen für eine Verschwörung finden konnte, erließ er ein Edikt, das für jeden, der sich weiterhin an der Verbreitung der Gerüchte beteiligte, die Todesstrafe vorsah.
Muhamed Ali als prominenter Gast
Das Originaldokument aus dem Jahr 1694 befindet sich heute in der Predigthalle der Moschee. Es ist nicht die einzige historische Rarität. Neben Jahrhunderte alten handgeschriebenen Korantexten oder Räuchergefäßen aus der Qing-Dynastie finden sich auf dem Gelände der Moschee die Gräber zweier Geistlicher aus dem 13. Jahrhundert mit perfekt erhaltenen arabischen Inschriften. Neben Gläubigen aus aller Welt haben auch viele prominente Besucher wie der Boxer Muhamed Ali oder Grünen-Politiker Cem Özdemir die Moschee und ihre Artefakte besichtigt.
Dass beides so gut erhalten ist, verdankt sie auch der chinesischen Regierung. Seit 1949 wurde sie vier Mal in großem Maßstab renoviert und erweitert. Heute gehören auch ein Krankenhaus und Altenheim für Moslems dazu. „Allein 2005 haben wir 25 Millionen Yuan (rund 3,1 Millionen Euro) für den Ausbau erhalten", sagt Wei. Einer der insgesamt sieben Imame habe gute Kontakte zur Regierung, erwähnt er noch. Nicht immer ging es so harmonisch zu. Während der Kulturrevolution musste der Imam der Moschee flüchten, erst Jahre danach wurde er offiziell rehabilitiert.
Rund 21 Millionen Moslems leben offiziellen Angaben zufolge heute in China. Und auch wenn sie schon lange im Reich der Mitte präsent sind – die ersten kamen Mitte des 7. Jahrhunderts über die Seiden- und die Gewürzstraße ins Land – ist das Verhältnis zu ihnen durchaus ambivalent. Mit den Hui, einer über das ganze Land verstreuten Volksgruppe moslemischen Glaubens, gibt es keine Konflikte.„Wir leben friedlich zusammen. Sie sind wie wir, sehen aus wie wir. Vielleicht ist es dadurch leichter", erklärt Tourguide Emma.
Von Spannungen ist in der Umgebung der Moschee aber nichts zu spüren. In den Geschäften und Restaurants mit arabischen Aufschriften herrscht reges Treiben. Auf dem Markt und der kleinen Imbissmeile mit Halal-Produkten feilschen Menschen mit oder ohne Kopftuch um die Wette. Gebetskäppis erregen keine misstrauischen Blicke. Die meisten Jugendlichen unterscheiden sich in ihrer Kleidung jedoch nicht von ihren Altersgenossen. Und wie überall auf der Welt betrauern die Alten den Verlust von Traditionen: „Als ich jung war, grüßten sich die Leute mit „Salam aleikum"". Die junge Generation vergisst diese Traditionen allmählich", bedauert der Metzger des Viertels.
Info:
Öffnungszeiten 8 – 17 Uhr, Adresse: Xuanwuqu, Niujie 88, U-Bahn: Linie 2 bis Changchun Jie oder Linie 4 bis Caishikou. Busse: 10, 48, 88 oder 717 bis zur Haltestelle Niujie Libaisi
|