28-08-2013
Unterwegs in China
Das neue Leben der Nomaden
von Ma Li

 

Durch ihr sesshaftes Leben profitieren die Nomadenvölker in Gannan seit kurzem von den Vorzügen der regionalen Entwicklung.  

Ehre für den Gründer: Gebet zu Ehren des ersten lebenden Buddhas des Klosters Labrang in der Autonomen Tibetischen Bezirk Gannan, das jedes Jahr im zweiten Monat des tibetischen Kalenders abgehalten wird (Zhao Jinlong)

Der Autonome Tibetische Bezirk Gannan in der Provinz Gansu im Nordwesten Chinas liegt am nordöstlichen Rand der Qinghai-Tibet-Hochebene.  

Die Mehrheit der Bevölkerung ist tibetisch. Daneben leben auch Angehörige von 23 weiteren ethnischen Gruppen, darunter Han, Hui, Tu und Mongolen, hier.  

Seit der Einrichtung autonomer Behörden in Gannan am 1. Oktober 1953 veränderte sich das Leben der Menschen hier schnell und grundlegend.

Ein besseres Leben

Fesselnde Vorstellung: Gesangs- und Tanzdarbietungen beim Wangkor-Fest (Erntefest), einem traditionellen tibetischen Fest, das alljährlich im Juli stattfindet (Shi Chang)

In den letzten Jahren hat die Zentralregierung die Unterstützung für Regionen, in denen mehrheitlich ethnische Minderheiten leben, verstärkt. Dafür sorgen eine entsprechende Politik und Hilfsprogramme. Beides hat das Leben der Nomadenvölker, die seit Generationen in Gannan leben, verändert.

Die von der Regierung finanzierten Ansiedlungsprogramme für Nomadenvölker haben die tibetischen Viehhirten dazu gebracht, ihrer Jahrhunderte alten nomadischen Lebensweise Lebewohl zu sagen, ihre Zelte gegen Häuser aus Stein zu tauschen und sich in Siedlungen in der gesamten Region niederzulassen.

Der 39-jährige Sangcai entschloss sich, sich neben einer Viehweide in der Gemeinde Nyima im Kreis Maqu niederzulassen. Vor vier Jahren führte er noch ein Nomadenleben, rund 120 Kilometer weit weg von der Siedlung, in der er jetzt lebt. Er sagt, er habe seine Entscheidung nie bereut.

Vor allem die Aussicht auf eine bessere Ausbildung für seine beiden Kinder hat Sangcai dazu gebracht, sein Leben zu verändern. „Jetzt kann ich davon ausgehen, dass sie einmal eine höhere Schulbildung erhalten und ein besseres Leben führen", sagt er.

Das sesshafte Leben habe seiner Familie viele Vorteile gebracht. Seine Kinder erhalten jetzt eine kostenlose Schulbildung, die medizinische Versorgung für ihn und seine Familie ist einfacher geworden, die meisten Ausgaben werden von einer Krankenversicherung gedeckt.

"Ich leide an einer ganzen Reihe von Krankheiten. Jeden Monat erhalten ich und meine Familie einen Unterhaltszuschuss von der Regierung. Das wäre unmöglich, wenn ich noch als Viehhirte leben würde", erklärt er.

Die Siedlung, in der Sangcai lebt, ist Heimat für 545 Familien. Jede wohnt in einer 62 Quadratmeter großen Wohnung, die ihnen von der Regierung zur Verfügung gestellt wird. Es gibt fließendes Wasser, Strom und Kabelfernsehen.

17238 Nomadenfamilien bzw. fast 95.000 Personen seien sesshaft geworden und hätten ihre Lebensweise dauerhaft verändert, erklärt Xu Yongquan, stellvertretender Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der KP in Gannan.

2012 lag das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen der städtischen Bevölkerung in Gannan bei 13.970 Yuan (1746 Euro), das Pro-Kopf-Nettoeinkommen der ländlichen Bevölkerung betrug 3610 Yuan (451 Euro). Daraus ergibt sich eine Reduzierung der unter der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung von 36,75 Prozent.

Seit Anfang 2010 hat die Regierung von Gannan großzügig in bessere Wohnmöglichkeiten für Bauern, sesshaft gewordene Viehhirten und Geringverdiener aus der Stadt investiert, Sie hat Unterhaltszuschüsse erhöht sowie die Kranken- und Rentenversicherung für alle zugänglich gemacht.  

Die Regierung förderte Projekte für einen kostenlosen neunjährigen Pflichtschulbesuch, Schüler sind vom Schulgeld befreit und erhalten kostenlose Schulbücher. Internatsschüler aus armen Familien vom Land haben ebenso ein Anrecht auf Zuschüsse. Alle Schüler vom Land erhalten während der Pflichtschulzeit subventionierte Schulessen. In Gannan hat außerdem ein Projekt zur kostenlosen weiterführenden Schulbildung begonnen.

Bis dato ist die Anzahl der Internate für die Pflichtschulzeit auf 146 gestiegen, 71,36 Prozent der Schüler erhalten Kost und Logis. Die Qualität der Bildung und die Ausstattung an diesen Schulen hat sich dramatisch verbessert.

Es sind Dorfkliniken eingerichtet worden, die der gesamten Bevölkerung von Gannan zugute kommen sollen. Insgesamt 670 Büchereien entstanden in den Siedlungen für Viehhirten, 86 Freizeitzentren wurden in den Gemeinden eröffnet. Die örtliche Regierung hat ebenso in Trinkwasserprojekte investiert, von denen rund 553.000 Menschen profitieren.

Blühende Wirtschaft

2012 erzielte Gannan ein BIP von 9,67 Milliarden Yuan (1,2 Milliarden Euro), die Anlageinvestitionen erhöhten sich auf 17,45 Milliarden Yuan (2,18 Milliarden Euro), die Steuereinnahmen der Regierung auf 1,18 Milliarden Yuan (147,5 Millionen Euro). Der boomende Privatsektor trug im vergangenen Jahr 35 Prozent zum regionalen BIP bei.

"Das Wirtschaftswachstum von Gannan lässt sich auf unsere Bemühungen zur Förderung von Industrien mit Wettbewerbsvorteilen zurückführen. Dazu zählen Wasserkraft, Tourismus, der Abbau von Bodenschätzen und die Tierverarbeitung", erklärt Gannans Gouverneur Mao Shengwu. „Gleichzeitig haben wir unsere wirtschaftliche Struktur verbessert, das Verhältnis von Grundstoff zu verarbeitender Industrie und Dienstleistungssektor hat sich von 30 zu 22 zu 48 auf 22 zu 24,6 zu 53,4 verbessert."

Die örtliche Regierung hat spezielle Strategien zur Förderung der Viehzucht formuliert, um Nutzen aus den Vorteilen von Viehzucht und –haltung zu ziehen. Gannan ist mittlerweile zu einem wichtigen Verarbeitungsstandort für Vieh, das in großen Höhenlagen gezüchtet wird, geworden.

In den vergangenen fünf Jahren hat Gannan es geschafft, mehr Kapital, Technologien und qualifiziertes Personal aus anderen Landesteilen und dem Ausland in die Region zu holen, um die Entwicklung vor Ort zu fördern. Es wurden Verträge über 219 Projekte im Wert von 13,75 Milliarden Yuan (1,71 Milliarden Euro) unterzeichnet.

Zu den aktuellen Infrastrukturprojekten zählen Gannans erster ziviler Flughafen, eine Autobahn zwischen der benachbarten Autonomen Bezirk Linxia der Hui-Nationalität und Hezuo, der Hauptstadt von Gannan, sowie ein Wasserumleitungsprojekt vom Fluss Taohe ins wasserarme Hezuo.

Gannan gehört zum Quellgebiet für den Gelben Fluss, Chinas zweitlängsten Wasserweg, und hat daher ein umfassendes Umweltschutzprojekt ins Leben gerufen.  

Das Stromnetzwerk in Gannan wurde ebenfalls modernisiert, um seine Stabilität zu steigern, das Telefonnetz wurde ausgebaut und deckt nun die gesamte Region ab.