10-03-2011
Unterwegs in China
Französischer Käse aus Beijing – Liebe auf den ersten Biss!
von Hannah Synycia

Liu Yang in seiner Käserei (Foto: Hannah Synycia)

Nördlich des fünften Rings, im Bezirk Huilongguan, liegt für Beijings Käseliebhaber das kulinarische Zentrum der Stadt. In direkter Nachbarschaft zum Xindi Markt produziert Liu Yang hier seit 2009 Käse nach französischer Art. Wie der 36-jährige seine Leidenschaft für Käse entdeckte und warum er in der chinesischen Hauptstadt seinen eigenen Käse produziert, erzählte Liu im Interview mit der Beijing Rundschau.

 

Herr Liu, wie viel Käse essen Sie in der Woche?

Käse esse ich jeden Tag, schließlich muss ich den Reifegrad und die Qualität meiner Ware kontrollieren. Pro Woche sind das vielleicht 200 Gramm. Hinzu kommt, was ich privat verzehre. Am liebsten esse ich Frischkäse mit Marmelade zum Frühstück.

 

Wie funktioniert das, wenn sie Käse herstellen?

Der Ablauf unterscheidet sich je nachdem, welche Sorte gerade produziert wird. Ein Camembert muss zum Beispiel viel länger reifen als Frischkäse.

Wenn ich Camembert-Käse mache, wird zunächst die Milch erhitzt, in die ein Enzym gegeben wird, dass die Milch eindickt. Die Molke setzt sich nach und nach ab, bis die Milch so fest geworden ist, dass sie geschnitten werden kann. Die Masse wird in Formen gegeben, deren Gestalt sie nach einer bestimmten Zeit annimmt. Dann ist der Käse fast fertig. Die Laibe werden nur noch aus der Form heraus genommen und in den Ruheraum gebracht. Dort entwickelt der Käse sein volles Aroma. Ein Camembert ruht insgesamt zwölf Tage. Eine Produktionsrunde bringt etwa 120 bis 150 Camembert. Pro Monat produziere ich mit meinen vier Mitarbeitern so etwa 800 bis 1 000 Laib Käse.

 

Bekommen Sie in China alle Zutaten, die Sie für den Herstellungsprozess benötigen?

Leider nicht. Ausreichend Milch kriege ich hier problemlos. Die für die Produktion so wichtigen Bakterien muss ich aus Frankreich importieren.

 

In China steigt die Akzeptanz von Milchprodukten, doch können sich wohl die wenigsten Chinesen für Camembert oder würzigen Bleu d'Auvergne begeistern. Woher rührt ihre Leidenschaft für Käse?

Die ist das Ergebnis meiner Studienzeit in Frankreich. Dort habe ich zum ersten Mal echten französischen Käse gegessen. Es war Liebe auf den ersten Biss! Vorher wusste ich gar nicht, wie viele unterschiedliche Käsesorten es gibt – von zu hause kannte ich lediglich den faden Hamburgerkäse. Mit meiner Begeisterung für Käse bin ich momentan wohl eher die Ausnahme. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass in naher Zukunft immer mehr Chinesen Käse – und damit meine ich nicht den Hamburgerkäse – für sich entdecken werden. Denken Sie nur an die Entwicklung bei Kaffee und Wein. Es ist noch nicht so lange her, dass die meisten Chinesen nicht viel damit anfangen konnten. Ich denke, dass sich Käse in den nächsten fünf Jahren am chinesischen Markt durchsetzen wird.

 

Französischer Käse aus Beijing – Liebe auf den ersten Biss!

 

Woher kommen Ihre Kunden?

Meine Kunden sind überwiegend in Beijing lebende Ausländer. Ich habe aber auch einen wachsenden chinesischen Kundenstamm. So kauft beispielsweise eine Mutter aus der Nachbarschaft bei mir regelmäßig Frischkäse für ihre Kinder. In letzter Zeit liefere ich zunehmend an Chinesen, die den französischen Käse im Urlaub kennen und schätzen gelernt haben. Mein Unternehmen ist jung, wir arbeiten daran, unseren Kundenkreis zu erweitern. Leider sind viele Chinesen noch nicht sehr vertraut mit der westlichen Käsekultur.

 

Nun ist es ein Unterschied, ob man leidenschaftlich gerne Käse isst oder ob man ihn selber herstellt. Wie sind Sie zu dem Entschluss gekommen in Beijing Ihren eigenen Käse zu produzieren?

Insgesamt habe ich sechs Jahre in Frankreich gelebt, unter anderem auf Korsika. Ich wohnte Tür an Tür mit zwei Brüdern, die etwa 400 Schafe hatten und jeden Tag frischen Käse aus Schafsmilch herstellten. Sie waren meine Inspiration und haben mich in dem Entschluss bestätigt, das Handwerk des Fromager zu ergreifen. Ein halbes Jahr habe ich in einer französischen Käseschule die Grundlagen der Herstellung gelernt. Danach habe ich vier Monate ein Praktikum bei meinen korsischen Nachbarn gemacht. Mit dem Ziel meine eigene Käseproduktion aufzubauen, bin ich 2007 nach Beijing zurückgekommen. Im Gepäck hatte ich die Grundausrüstung zur Käseherstellung. Zwei Jahre habe ich daraufhin in meiner Küche experimentiert, um die passenden Rezepturen zu finden.

Im Mai 2009 habe ich meinen Laden eröffnet. Seitdem ist das Sortiment auf 13 unterschiedlichen Käsesorten gewachsen. Der in Kräuteröl eingelegte Camembert ist mein derzeitiger Favorit.