18-02-2011
Unterwegs in China
Auf Wohnungssuche in Beijing – ein Erfahrungsbericht
von Verena Menzel

Auch online boomt die Branche, unzählige Wohnungsbörsen finden sich im Netz. Wer aber hofft, private Wohnungsanzeigen zu finden, und die teuren Maklergebühren zu umgehen, wird eines Besseren belehrt – so auch ich.

Ich bin mit Xiao Zhang verabredet. In einer Online-Annonce schreibt er, er habe eine Wohnung zu vermieten, privat. Schon von Weitem sehe ich die gelbe Leuchtreklame von Maitian-Immobilien am Treffpunkt. Die im Internet gezeigte Wohnung, ein helles, geräumiges Einzimmerapartment mit nagelneuen Möbeln, kann heute leider nicht besichtigt werden. Aber er habe eine Alternative, beruhigt Xiao Zhang. Auch Xiao Zhang hat einen Elektroroller, und mit dem geht es hinaus aus Beijings Zentrum in eine riesige Wohnsiedlung. Die Lobby des riesigen Gebäudekomplexes wirkt wie ausgestorben. Nur eine ältere Dame teilt sich mit uns den Aufzug und kann ihren Blick nicht von uns wenden, acht Stockwerke lang. Ausländer verirren sich wohl selten hierher. Das Apartment Nummer 21, 3200 Yuan, bietet freien Blick auf die umliegenden Hochhäuser. „Man hat hier alles vor Ort – einen Supermarkt, einen Bankautomaten, eine Bushaltestelle", schwärmt Xiao Zhang, als wir zurück zur menschenleeren Straße gehen. Tagsüber gleicht das Wohnviertel einer Geisterstadt. Ist es denn weit von hier zu meinem Arbeitsplatz? Niemals! „Nur drei Mal umsteigen mit dem Bus", sagt Xiao Zhang. Angesichts der Automassen, die sich jeden Tag zur Rush-Hour ins Zentrum der Stadt quälen, eine Wegdauer von mindestens anderthalb Stunden.

Der nächste Tag. Das Mobiltelefon von Xiao Chen von Zhongda-Immobilien klingelt unentwegt, während sie mir ein Zweizimmerapartment zeigt. „Möbliert, 4000 Yuan monatlich" ruft sie mir beiläufig zu, während sie sanft, aber bestimmt einen ungeduldigen Kunden vertröstet. Xiao Chen ist 19, ihr rosa Mobiltelefon mit Teddybären verziert. Sie habe direkt nach dem Schulabschluss als Maklerin anfangen, erzählt sie. Eloquent führt sie mich in ihrem Businesskostüm durch die Wohnung, als ob sie nie etwas anderes getan hätte. Leider sind die 60 Quadratmeter vollständig zugestellt mit vergilbtem Mobiliar, dass den Duft des Vormieters trägt, vermutlich Kettenraucher. Bad und Küche sind für landestypische Verhältnisse in gutem Zustand – sie ließen sich problemlos reinigen. Irgendwie fühle ich mich beengt, vielleicht sollte ich auf Fengshui zur Erklärung zurückgreifen? Nicht nötig, Xiao Chen führt bereits das nächste Telefonat mit einem Kunden, als wir die Wohnung verlassen. Erst nachdem ich mit meiner Unterschrift bezeugt habe, dass ich die Wohnung mit ihr besichtigt habe, trennen sich unsere Wege. Nicht dass ich auf die Idee käme, hinter dem Rücken des Immobilienbüros den Eigentümer privat zu kontaktieren und so die Maklergebühr zu sparen. Man ist vorsichtig geworden im Haifischbecken der chinesischen Immobilienwelt.

Es ist Tag fünf nach der ersten Tour mit Xiao Sun und mir stecken 18 Wohnungsbesichtigungen mit sechs verschiedenen Immobilienbüros in den Knochen. Jede davon ein einzigartiges Erlebnis. So etwa eine ungewollt komische Führung von Mieterin Zhou, die uns samstagfrüh mit frisch angelegter weißer Gesichtsmaske ihre vier Wände zeigte, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, versteht sich; oder die eines jungen Mannes, der sich, beim Nachmittagsschlaf überrascht, da wir nun schon mal mitten im Wohnzimmer standen, nicht scheute, die Führung kurzerhand in langer Unterhose vorzunehmen; oder die des wohlhabenden Geschäftsmannes Herr Wei, der mir sein Dreizimmerapartment zum Spottpreis anbot, unter der Voraussetzung, dass er einen Schlüssel behalten und hin und wieder selbst dort übernachten könne. Fünf Tage und das Mobiltelefon will nicht mehr stillstehen – Xiao Liu von „Wo ai wo jia", Xiao Pei von „Tianlian Immobilien", Xiao Wang von „21st Century Immobilien". Ob ich bereits eine Wohnung gefunden habe? Es gebe noch eine Wohnung, die ich unbedingt sehen müsse! Und wie sieht meine Entscheidung für das Apartment von gestern aus? Moment, welches war das noch gleich? Ich habe den Überblick verloren vor lauter Xiao Wangs, Xiao Lius, Xiao Peis.

Kein Problem, ich stelle das Handy einfach aus, denn ich habe meine Wohnung gefunden. 4600 Yuan monatlich für rund 50 Quadratmeter, kein Schnäppchen, aber mit allem, was das Herz begehrt – warm, ruhig, hell, frisch renoviert und neu eingerichtet und nur zehn Gehminuten von der Firma entfernt. Doch noch ein Happy end also im Beijinger Immobiliendschungel, wenn auch ein nervenaufreibendes und kostspieliges. Aber was soll's: „Wo ai wo jia" – Ich liebe mein Zuhause.

 

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