Sechs Immobilienbüros und 18 Wohnungen in fünf Tagen - Verena Menzel, 27, hat sich in Beijing auf Wohnungssuche begeben. Kein leichtes Unterfangen in Chinas Hauptstadt, wo die Immobilienbranche boomt und sich einige schwarze Schafe auf dem Markt tummeln. Ein Erfahrungsbericht aus der quirligen Metropole im Norden.
Das Zwei-Zimmer-Apartment ist zugestellt mit Gerümpel – Brettern, alten Matratzen, Altpapier. Von den Wänden bröckelt der Putz, die Luft ist stickig, Küche und Bad sind in einem erbärmlichen Zustand. „Es muss noch aufgeräumt werden", sagt Xiao Sun, 23 und mein Immobilienmakler. Das sehe ich. Die Wohnung sei günstig – nur 3300 Yuan, umgerechnet rund 370 Euro. Ein durchschnittliches Einstiegsgehalt für Absolventen einer chinesischen Universität liegt bei rund 2000-3000 Yuan monatlich. Ich möchte mir lieber noch ein paar andere Wohnungen ansehen, sage ich.
„Wo ai wo jia" – Ich liebe mein Zuhause, so der vielversprechende Name der Immobilienfirma, die ich für die Wohnungsvermittlung auserkoren habe. Es ist mein zweiter Tag in Beijing und bitterkalt. Draußen rauscht unermüdlich der Verkehr vorbei – Autos, Busse, Lastwagen, Zweiräder – und wir mittendrin, ich und Xiao Sun auf dem Elektroroller. Ich ziehe die Mütze noch tiefer ins Gesicht. Ja, ein warmes Zuhause zum Liebhaben, das wäre jetzt was.
Wer heute in Beijing auf Wohnungssuche geht, braucht vor allem zwei Dinge – gute Nerven und eine dicke Brieftasche. In ganz China boomt die Immobilienbranche, vor allem in der Hauptstadt. Auf dem Wohnungsmarkt tummeln sich unzählige Immobilienfirmen und Spekulanten, auch viele Privatleute. Jeder will ein Stück vom großen Kuchen abhaben. Die Stadt ist gepflastert mit Wohnungsanzeigen – kleine weiße Zettel an Laternenpfosten und Brückengeländern, Bushaltestellen und Hauseingängen. Ganz Beijing im Immobilienrausch, so scheint es.
Xiao Suns Krawatte und sein Jackett verschwinden unter der dicken, jugendlichen Daunenjacke. Im eisigen Fahrtwind bugsiert er mich durch die Feierabendblechlawinen. Noch zwei weitere Wohnungsbesichtigungen, ähnlichen Kalibers wie sich herausstellen soll, stehen auf dem Programm.
Wer in den letzten Jahren eine Wohnung im Zentrum Beijings gekauft hat, reibt sich die Hände. Die Immobilienpreise steigen in schwindelerregende Höhen und noch ist kein Ende in Sicht. Und das, obwohl an allen Ecken in atemberaubendem Tempo immer neue Hochhaustürme aus dem Boden gestampft werden. Eine Eigentumswohnung zu besitzen, das gehört in China zum guten Ton. „Fangzi, chezi, piaozi" – Wohnung, Auto und Moneten, das sind die Dinge, die einen guten Ehemann ausmachen, so sagt man. Vor allem für junge verheiratete Paare gehört eine eigene Immobilie zur Grundausstattung, erst dann folgt die Familienplanung. Oft greifen die Eltern ihren Sprösslingen beim Wohnungskauf finanziell unter die Arme. Zur Miete wohnen in Chinas Großstädten die wenigsten. Warum nicht lieber in ein eigenes Zuhause investieren? Mietverhältnisse gelten vielen Chinesen als unsicher. Groß ist die Furcht, wegen horrender Mieterhöhungen letztlich auf der Straße zu landen.
Die Immobilienbüros füllen in Chinas Großstädten ganze Straßenzüge. Im Sommer stehen die überwiegend jungen Makler vor den Filialen und werben die Kundschaft direkt auf der Straße an. Für eine Vermittlung ist eine Kaution in Höhe einer Kaltmiete zu berappen, die meist der Mieter zahlt. Manchmal teilen sich Mieter und Vermieter die Kosten. Oft wird auch einfach auf beiden Seiten abkassiert. Der Wohnungsmarkt ist ein lukratives Geschäft.
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