17-08-2009
Unterwegs in China
Chen Mang: vom Druckereiarbeiter zum Tourismusexperten
von Zeng Wenhui

Nach Europa reisen? Ja, das liegt in China seit einigen Jahren im Trend. Und wenn man nach einem geeigneten Reisebüro für eine Traumreise nach Europa fragt, hört man oft „Caissa" als Antwort. So ist CAISSA Touristic besonders in Nordchina als Spezialist für Europareisen bekannt. Die Erfolgsgeschichte von Chen Mang, des Chefs der Firma, ist faszinierend und ziemlich typisch für Auslandschinesen.

Der 49-jährige Chen Mang sieht wie ein typischer chinesischer Geschäftsmann aus: nicht eben groß, aber tüchtig und geschickt. Er wurde in Chengdu in der Provinz Sichuan geboren und wuchs in Beijing auf. Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik ist es unter Chinesen modern geworden, eine Fremdsprache zu lernen, in erster Linie Englisch. Da Chen auf der Mittelschule ein bisschen Deutsch gelernt hatte, wollte er weiter Deutsch lernen. Er bat einen Deutschlehrer, einen Kurs an der Abendschule zu veranstalten. Der Lehrer versprach ihm einen Deutschkurs, wenn Chen genügend Mitschüler finden würde. Chen klebte fleißig Zettel auf Laternenmasten, um für den Kurs zu werben. Schließlich haben sich mehr als vierzig Leute für den Kurs angemeldet und Chen lernte Deutsch.

Chen arbeitete eigentlich in einer Druckerei in Beijing. Nachdem der Betrieb mehrere Druckmaschinen aus Deutschland gekauft hatte, wurde er Übersetzer in der Technikabteilung. Dank seiner hervorragenden Sprachkenntnisse begann er dann in den frühen 80er Jahren für die größte staatliche Reiseagentur in China, China International Travel Service (CITS), als Reiseführer für deutsche Touristen zu arbeiten. 1988 kam er nach Deutschland und studierte in Gießen Betriebswirtschaftslehre.

Schon früh erkannte Chen Mang das touristische Potential Chinas. Seine Erfahrungen in der Touristikbranche und das in Deutschland erworbene Wissen setzte er um, als er 1993 die heutige CAISSA Touristic (Group) AG in Hamburg gründete.

Anfänglich gab es nur zwei Angestellte in der Firma: er und seine Frau. Und die Büroausstattung bestand aus einem Faxgerät. Er bestellte Flugtickets für Chinesen in Deutschland, die nicht Deutsch können, und verdiente sich sein Startkapital durch Provisionen der Fluggesellschaft und seiner Kunden. Seit 1992 steigt die Zahl chinesischer Touristen in Deutschland. Durch einen Freund erhält er die Chance, Europareisen für chinesische Touristen zu organisieren. Er selbst dient sich den Touristen als Reiseführer an. Als das Geschäft sich immer besser entwickelt und er über immer mehr Kapital verfügt, kauft er ein Reisebüro in Hamburg und übernimmt das Personal. Er spezialisiert sich auf Europareisen für Chinesen. Heute hat sein Unternehmen neben dem Firmensitz Hamburg Zweigstellen in München, Paris, Beijing und Guangzhou mit insgesamt 500 Mitarbeitern. Laut Chen hält CAISSA Touristic in Nordchina den größten Marktanteil bei Europareisen.

„Früher kamen die meisten Chinesen nur auf Dienstreise nach Europa. Jetzt reisen viele Chinesen auf eigene Kosten nach Europa", erklärt Chen der Beijing Rundschau in Hamburg. Dies zeige, dass die Chinesen immer reicher werden und sich wünschen, die Welt zu sehen, so Chen.

CAISSA hat sich auf zwei Märkte spezialisiert: sie organisiert als eine der größten europäischen Incoming-Agenturen Reisen für chinesische Kunden nach Europa. Für deutsche Kunden stellt die CAISSA Touristic (Group) AG unter der Marke China Holidays ein eigenes Programm für Reisen nach China und Asien zusammen. „Das Geschäft mit Reisen von Chinesen nach Europa macht den Löwenanteil unseres Umsatzes aus, etwa 60 Prozent. Dienstreisen von Ausländern nach China steuern einen Anteil von 30 Prozent bei, die restlichen 10 Prozent machen Reisen von Europäern nach China aus", sagt Chen.

Die Reiseführer der Caissa Touristic in Europa sind überwiegend Chinesen, die in Europa leben, darunter viele Studenten. Das Unternehmen stellt den Reiseführern vielfältige Fortbildungsprogramme zu Kultur und Geschichte Europas zur Verfügung. Wichtig sind aber auch praktische Hinweise für Touristen, allem voran die besten Einkaufsadressen, so dass die Kunden rundum zufrieden sein können mit dem Service ihres Reiseveranstalters.

Chen erzählt von seiner Zeit als Reiseführer in China. Die meisten europäischen Touristen seien mit einem dicken Buch ausgestattet gewesen. Sie haben sich schon vor Antritt der Reise umfassend über China informiert. Die frühen chinesischen Touristen in Europa hingegen wussten fast nichts über die Zielländer und haben nur ihren Reiseführern zugehört. „Jetzt ist das allerdings ganz anders! Auch die chinesischen Touristen kommen mit einem Buch in ihrem Gepäck und wissen manchmal fast mehr als unsere Führer! Dies stellt natürlich auch höhere Anforderungen an unsere Reiseführer", sagt Chen.

Caissa Touristic organisiert auch viele interessante Veranstaltungen in China und Europa, z.B. wird alljährlich ein Golfturnier in Hamburg veranstaltet, wozu vierzig deutsche und vierzig chinesische Geschäftsleute eingeladen werden. Der „Green" ist immer schon ein geeignetes „Parkett" für das Anbahnen von Geschäften. Das China Education Training Centre (CETC) von Caissa bietet verschiedene Programme für die Fortbildung von Chinesen aus unterschiedlichen Ministerien, Behörden, Unternehmen an. So besuchten viele Chinesen in Hamburg einen Lehrgang über das Sachenrecht, bevor in China das Gesetz über Privateigentum ausgearbeitet wurde. Universitätslehrer und Professoren aus Hamburg und anderen Teilen Deutschlands waren dazu als Dozenten eingeladen. „Manche Uni-Fächer sind in China immer noch nur rudimentär vorhanden, es klaffen riesige Lücken bei der Vermittlung nützlicher Kenntnisse. In Deutschland können chinesische Experten aktuelles akademisches Wissen zur Kenntnis nehmen", sagt Chen.

Nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise im letzten Jahr ist das Tourismusgeschäft um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen, sagt Chen. „Eigentlich dachte ich, dass es dieses Jahr besser wird. Aber dann kam die Schweinegrippe dazwischen, und das Geschäft hat wieder gelitten." Allerdings ist Chen sehr zuversichtlich: „Es gibt Talsohlen und Gipfel in der Wirtschaftsentwicklung. Die Konjunktur wird bestimmt wieder besser. Und mit der Entwicklung der Gesellschaft wollen bestimmt immer mehr Chinesen die Welt kennen lernen. So sehe ich noch großes Potential für uns."