Auch Huang Malun zählt unter die Gläubigen. Sie sagt, sie sei 107 Jahre alt. Sie und ein Dutzend Familienmitglieder umspannen fünf Generationen und leben alle zusammen im selben kleinen Haus in Poyue. Frau Huang, eine gutmütige, hutzlige kleine Frau, die am Stock geht, erinnert sich an ihre Abenteuer in Begleitung der Roten Armee, die Jahrzehnte zurückliegen. Sie half der Revolution durch das Nähen von Uniformen. „Wir lebten von wildwachsendem Gemüse und Kräutern. Das Leben war sehr hart damals." Wie erklärt sie sich ihr hohes Alter? „Organische Lebensmittel und die gute Luft", sagt sie. „Ich habe nur natürlich angebautes Gemüse gegessen. Heute verwenden sie überall Chemikalien, das ist natürlich schädlich."
Im Vier-Sterne Hotel Langlebigkeit in Bama-City wird alles rund ums lange Leben verkauft: vom Lebenswasser in Flaschen bis zu in Alkohol eingelegte Schlangen (eine bewährte chinesische Medizin). Das Reisebüro hat mir Wagen und Fahrer vermittelt, der mich, meinen Übersetzer und einen Führer für umgerechnet 23 Euro am Tag in die Dörfer fährt. Wir fanden im ganzen Landkreis jedoch niemanden, der auch nur ein paar Worte Englisch gesprochen hätte. In der Tourismus-Hochburg Guilin, eine Tagesfahrt mit dem Auto oder eine Flugstunde von Bama entfernt, offerieren Reisebüros Führer für 78 Euro und mehr plus Spesen.
Die Straße von Bama-Stadt nach Poyue bietet herrliche Ansichten von baumbestandenen Felsgebirgen, die geradewegs chinesischer Tuschmalerei entstammen könnten. Einige Einheimische sagen, dass es wahrscheinlich an der hohen Konzentration von negativen Ionen in der Atmosphäre liegt (wer erinnert sich noch an das Schicksal der Ionenaustauscher in unseren Wohnungen?), die einen in ein Hochgefühl versetzen. Das soll erheblich zur Langlebigkeit beitragen. Dies mag schon sein, aber die Landschaft ist hier schon so erhaben, dass es nur schwer zu glauben ist, dass negativ geladene Teilchen noch irgendeinen Verstärkungseffekt haben könnten. Die Langlebigkeitsdörfer mit ihren Häusern aus Bruchsteinen oder Lehmziegeln laden ein zu malerischen Spaziergängen. Das Mittagessen im Hotel Lebensverlängerung war köstlich, ob aber davon eine lebensverlängernde Wirkung ausgeht, ist schwer zu sagen. Ein Riesengewinn war jedoch die Besichtigung der Hundert-Geister-Höhle, ein Grottensystem mit immensen Felshängen, die wie ein gigantischer Skulpturenpark wirken. Die Lokalregierung hat einen rund 3,5 Kilometer langen beleuchteten Pfad angelegt, an steilen Stellen durch Drahtseile gesichert, und damit das geschaffen, was sicherlich eine der touristenfreundlichsten Höhlensysteme der Welt ist. Einziger Schönheitsfehler: die fast vollständige Abwesenheit von Touristen! Unsere Führerin sagt, dass sie gerade einmal alle vierzehn Tage einen Besucher zu Gesicht bekommt.
Die Grotte ist allerdings bei den Einheimischen sehr beliebt: jeden Morgen versammeln sie sich dort, plaudern miteinander und spielen Mahjong. Sie kommen hierher, weil es heißt, dass der Wert an negativen Ionen in der Höhle außerordentlich hoch ist. Dort habe ich auch den 84-jährigen Guan Rongcang getroffen, einen Lehrer im Ruhestand, der vor vier Jahren nach Poyue gezogen ist. Er selbst ist die beste Werbung für die negativen Ionen: zweimal pro Woche fährt er mit dem Rad nach Bama-Stadt und zurück, ein Ausflug von rund 50 Kilometern. „Ich bin berühmt in dieser Gegend für meine Radtouren", sagt er. „Jeder kennt mich."
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