10-06-2015
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Auf ein Schläfchen zu Ikea
von Maike Schulte

  18 Einrichtungshäuser des in Schweden gegründeten Möbelkonzerns gibt es mittlerweile in China, zwei davon in Beijing. Das Unternehmen expandiert rasant. Doch offenbar ist es nicht nur das skandinavische Möbeldesign, das die chinesischen Kunden in die Geschäfte lockt.

Normale Anblicke bei Ikea in Beijing: Lockere Gesprächsrunde auf dem Sofa (li.). Wenn der Schlaf ruft, tut es zur Not auch ein Kinderbett (re.). (Fotos: Maike Schulte)

 

Auf den ersten Blick ist alles wie gehabt: In den beiden Ikea-Filialen im Nordosten und Südwesten der chinesischen Hauptstadt türmen sich die bekannten Kieferkreationen „Billy" und „Ivar", daran vorbei schieben sich die Kunden. Doch eins ist anders in Beijing: Die ausgestellten Möbel werden nicht nur kritisch in Augenschein genommen, sondern gleich einem ausführlichen Praxistest unterzogen, das Möbelhaus zum vorübergehenden Zweitwohnsitz. Da döst ein Pärchen im Bett, schnarcht ein Senior im Sessel und ganze Grüppchen haben es sich zum Plaudern auf Sofas bequem gemacht.

Sonntagnachmittag in Siyuanqiao im Nordosten Beijings. Hier befindet sich der ältere, 1999 eröffnete Hauptstadt-Ableger des 1943 gegründeten Möbelunternehmens. Wie überall auf der Welt ist der gelbe Schriftzug auf blauem Grund schon von weitem sichtbar, und eine ansehnliche Menge künftiger Kunden strömt auf die große Ikea-Halle zu. Auffallend viele junge Pärchen mit kleinen Kindern sind darunter, die Mission heißt ganz offensichtlich Nestbau oder -verschönerung. Mit Einkaufslisten, ausgedruckten Wohnungsgrundrissen und zum Taschenrechner umfunktionierten Handys schweben sie auf mehreren Rolltreppen in das Labyrinth der Ausstellungshallen. 

 

Schwedenmöbel sind hip

1998 eröffnete Ikea seine erste chinesische Filiale in Shanghai, bis heute sind 17 weitere Geschäfte mit insgesamt 7000 Mitarbeitern aus dem Boden geschossen. Kiefernholzmöbel und schlichtes Design sind vor allem bei der wachsenden Mittelschicht beliebt, obwohl die Preise teilweise höher sind als in Deutschland. So kostet Kleiderschrank „Hemnes" in China 2999 Yuan (428 Euro), in Deutschland dagegen nur 299 Euro, für Bett „Malm" müssen chinesische Kunden 2599 Yuan (371 Euro) hinblättern, deutsche nur 299 Euro. „Chinesen finden es toll, sich bei Ikea einzurichten, weil es eine Marke aus dem Westen ist ", erklärt eine Kollegin, „Das gilt als etwas Besonderes, obwohl die Qualität in Wirklichkeit nicht überdurchschnittlich ist", meint sie.

In Beijing kommen Medienberichten zufolge jeden Tag fast 30.000 Menschen zu Ikea, am Wochenende sind es nochmals deutlich mehr. Beide Filialen sind gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden, eine leichte Erreichbarkeit gehört zur Firmenpolitik in China. Und beide Läden haben sich mit langen Öffnungszeiten (Siyuanqiao: bis 23 Uhr, Xihongmen: bis 22 Uhr) auf den Kundenansturm eingestellt. Bei Kräften und Laune gehalten werden sie auch durch die stets gut besuchten Restaurants mit ihrem weltweit verlässlichen Angebot an Köttbullar und Kartoffelpüree, die man nach einem Marathon durch die Möbelhallen tatsächlich gut gebrauchen kann.

Denn das Prinzip der weltweit 315 Läden ist immer gleich: Bevor sich die Kunden Sofa „Kivik" oder Kleiderschrank „Pax" im der Warenhalle auf ihren Einkaufswagen hieven können, müssen sie durch die Hallen der „Versuchungen", Abkürzung ausgeschlossen. Auf dem langen Weg durch die Ausstellungsräume mit Küchen-, Wohnzimmer- oder Badezimmermöbeln locken an jeder Ecke Kisten mit Sonderangeboten. Ein Kissen für 40 Yuan? Gläser für 14 Yuan? Wie billig, wie praktisch, her damit. Kein Wunder, dass viele schon vor Ankunft in den Einkaufshallen diverse prall gefüllte gelbe Einkaufstüten mit sich herumschleppen.

Kein Wunder auch, dass es abgekämpfte Kunden gegen Ende ihrer Besichtigungstour nach Entspannung in der Waagerechten gelüstet. Da kommt die angenehm klimatisierte Schlafzimmerabteilung gerade recht und einladende Matratzen, kuschelige Bettdecken, Sofas und Sessel werden vor allem in der Filiale Xihongmen im Süden der Stadt als Erholungsoase gern und ausgiebig in Anspruch genommen. Erschöpfte Schwiegereltern machen genauso ein Schläfchen wie Babys, andere lümmeln sich in Socken auf Sofas ganz wie daheim, spielen auf ihren Smartphones oder posieren für ein Selfie vor einer skandinavischen Küche. Und immer wieder huschen gelb-blau-gekleidete Angestellte durch das gigantische „Schlafzimmer", um Laken glattzustreichen, Bettdecken zu richten und Kissen in Form zu bringen. Eine echte Sisyphusarbeit.

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