09-01-2013
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Hinter dem Lächeln--- Die dunkle Seite des Dalai Lama
© Max Milo Éditions

 

 

 

VI

 

Unabhängigkeit oder Autonomie?

 

 

            In Abhängigkeit von Umständen, Ort, beteiligten Parteien und dem, was er als seine gegenwärtigen Interessen erachtet, hat der Dalai Lama zuweilen beides gefordert, sowohl Autonomie innerhalb des Chinas, das er liebt, und Unabhängigkeit von dem China, das er verachtet. Zweideutigkeit, Widersprüchlichkeiten und offensichtliche Umkehrungen gibt es zuhauf. Reflektiert dies die verständliche Evolution seines Denkens über die Zeit, oder handelt es sich von Anfang an um eine Herangehensweise mit zwei Gesichtern? Und schließlich bleibt die Frage unbeantwortet, was der Dalai Lama eigentlich will. Unabhängigkeit? Oder Autonomie? Die Antwort wird hier durch Auszüge seiner eigenen Reden und Schriften gegeben, da die Worte seiner Kritiker selbstredend suspekt sind.

            Nehmen wir Korsika, eine Gebietskörperschaft Frankreichs. Der Unterschied zwischen dem Korsika, das seinen Sonderstatus als Insel genießt, und jenem Korsika, das für seine Unabhängigkeit kämpft, ist im ersten Fall, dass es Frankreich als „der Kontinent" bezeichnet, während es im zweiten Fall einfach „Frankreich" heißt, womit betont wird, dass es Ausland ist. Dieselbe Faustregel gilt für jeden und überall.

            Es ist besonders bedeutsam für unsere gegenwärtige Diskussion über den Dalai Lama, der sein Land künstlich in zwei Hälften geteilt hat:Die Tibeter auf der einen Seite, und auf der anderen die 55 ethnischen Gruppen, die China ausmachen. Jene letzteren nennt er „Chinesen" und gelegentlich auch „die chinesischen Horden".

            Kapitel 4 seiner Autobiographie titelt „Unser Nachbar China", was klar anzeigt, dass China ein anderes Land ist, da „Tibet von 1912 bis zum schicksalhaften Jahr 1950 de facto eine vollständige Unabhängigkeit von jeder anderen Nation genoss".

            „Tibet hat viele Nachbarn: China, die Mongolei, Ostturkestan im Osten und Norden, und Indien, Burma, und die Staaten Nepal, Sikkim und Bhutan im Süden. Pakistan, Afghanistan und die Sowjetunion liegen auch nicht weit entfernt von uns."

            An diesem Punkt fragen sich die Leser vielleicht, warum der Dalai Lama will, dass Tibet eine autonome Region innerhalb eines dieser „fremden" Länder, nämlich China, wird.

            Tatsächlich macht er kaum einen Versuch, das über die Jahrhunderte unbeständige Gewirr der Beziehungen zwischen Tibet und China zu enträtseln. Diese Beziehungen waren nie geradlinig, und manchmal ziemlich locker, so wie eine europäische Macht (England) mit seiner Armee die Gesetze machte. Wie Alexandra David-Néel es ausdrückt, „war die Geschichte von Tibet mit der Chinas für Jahrhunderte verflochten."

            Der Dalai Lama scheint das zu bestätigen, indem er sagt: „Ich wusste, dass die Chinesen behaupten werden, Tibet seiimmer ein Teil von China gewesen", um dann jedoch mit den Worten „trotz unserer 38 Jahre totaler Freiheit" fortzufahren.

            Das heißt, dass zwischen dem ersten Dalai Lama Gendun Drup, der 1474 verstarb, und dem 14. namens Tenzin Gyatso, der bis 1959 herrschte, beinahe fünf Jahrhunderte vergingen, während derer Tibet insgesamt „38 Jahre totaler Freiheit" erlebte. „In der Tat eine kurze Freiheitsperiode, und kaum total, außer man die koloniale Anwesenheit der Briten ignoriert."

            Nichtsdestoweniger scheinen nach Ansicht des Dalai Lama jene weniger als 40 Jahre relativer Unabhängigkeit mehr zu zählen als fünf Jahrhunderte geteilten Lebens, dessen Fortsetzung die Einzigartigkeit der tibetischen Rasse verwässern würde. Diesen Glauben beschreibt er in dem Five Point Peace Plan, den der Dalai Lama am 21. September 1987 vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses vorstellte.

            In seiner Ansprache sprach er sich für eine strenge rassische Säuberung in „ganz Tibet" aus, die zweckmäßig dadurch zu erreichen sei, einfach alle außer den ethnischen Tibetern auszuschaffen. Der Dalai Lama bestand darauf, dass die 7,5 Millionen Eindringlinge das Land verlassen müssen, sobald er selbst dorthin zurückkehrt, und er betrachtete diesen „Transfer" als „geboten".

            In seinem Plan forderte er auch Unabhängigkeit und er unterschied zwischen Tibetern, die „anders" sind, und den anderen 55 ethnischen Gruppen Chinas, die offenbar ein homogenes Ganzes darstellen, obwohl sie meist ihre eigene Kultur, Tradition und Sprache haben. Wäre der Dalai Lama jedoch gewillt zu akzeptieren, dass jede ethnische Gruppe einzigartig ist, dannmüsste er offen schlussfolgern und erklären, dass es Chinas Schicksal sei, in eine Unmenge von Kleinstaaten zu zersplittern.

            Stellen Sie sich vor, was mit Frankeich, eine aus Krimskrams zusammengesetzte Nation, geschähe, wenn man dem Baskenland, Bretonien und der Provence, Korsika, der Region Nizza und den Departements und Territorien in Übersee Unabhängigkeit gewähren würde. Die Provence kam nicht vor 1481 unter französische Herrschaft, Bretonien im Jahr 1532, Korsika 1768 und die Grafschaft Nizza erst 1860. Und wie steht es um Frankreichs weit entfernte Besitztümer, die sich maßlos vom französischen Festland unterscheiden, wie Neukaledonien, ein französisches Archipel, das 17.000 Kilometer vom Rest des Landes entfernt liegt?

            Da die Idee der Fragmentierung unvorteilhaft für seine eigene Forderung war, entschied sich der Dalai Lama stattdessen, China gleichsam wie eine Dichotomie zu beschreiben.

            „Es bestehen ungelöste Konflikte im Nahen Osten, in Südostasien und in meinem eigenen Land, Tibet."

            „Tibeter und Chinesen sind unterschiedliche Völker, jedes mit eigenem Land, Geschichte, Kultur, Sprache und Lebensweise."

            „Es ist Chinas illeagle Besetzung von Tibet [...]"

            „Tibet war ein vollkommen unabhängiger Staat, als die Volksbefreiungsarmee in das Land einmarschierte [...]"

            „Im Jahr 1982, [...], entsandte ich meine Vertreter nach Peking, um Gespräche betreffs der Zukunft meines Landes und meines Volkes aufzunehmen."

            „Ich hoffe, dies kann zu einer Zukunft in Freundschaft und Zusammenarbeit mit all unseren Nachbarn, einschließlich dem chinesischen Volk, beitragen."

            Am 10. Dezember 1989, während seiner Ansprache zur Annahme des Nobelpreises, ließ er die ehrenwerte Versammlung wissen, „das Leid unseres Volkes während der vergangenen vierzig Jahre der Besetzung ist gut dokumentiert".

            Es fällt leicht, nun zu sagen, dass diese Reden älteren Datums sind, und dass der Dalai Lama seine Melodie geändert hat. Wie ich bereits erläutert habe, wetzen sich seine Pläne mit der Zeit und angesichts wiederholten Scheiterns ab, obwohl gelegentlich noch immer ununterdrückbare Forderungen nach Unabhängigkeit aus ihm hervorbrechen, sein gehegter Herzenswunsch, den er kaum daran hindern kann, hervorzuscheinen. Denn tatsächlich fordert er nicht einfach Tibets historische Autonomie (die es ja bereits hat, da es innerhalb Chinas als AutonomesGebiet Tibet bezeichnet wird), sondern stattdessen Unabhängigkeit für etwas, dass er „Groß-Tibet" nennt, ein immens großes Terrotorium, das auch Regionen beinhaltet, in denen ethnische Tibeter immer eine Minderheit waren.

            In einer Rede über „Buddhismus und Demokratie", die er in Washington, D.C. im April 1993 hielt, und die aus verallgemeinernden Aussagen über Demokratie bestand, beteuerte der Dalai Lama: „Aus vielen Gründen habe ich mich entschlossen, dass ich nicht das Oberhaupt oder irgendeine Rolle in der Regierung spielen werde, wenn Tibet unabhängig wird." Am 10. März 2008 jedoch hielt er im indischen Dharamsala eine Rede, in der er behauptete, dass Tibets Sprache, Gebräuche und Traditionen schrittweise verschwinden, und nahm seine Rolle als Sprecher des tibetischen Volkes erneut ein, indem er sagte: „Ich habe eine historische und moralische Verantwortung, auch weiterhin in ihrem Auftrag frei meine Meinung zu äußern." Er kritisiert ebenfalls die Organisation der autonomen Gebiete in China als „autonom nur dem Namen nach".

            Die französischen Senatoren jedoch sahen das Autonome Gebiet Tibet anders: „Die TAR (Autonomes Gebiet Tibet) ist nur die Heimat von etwas mehr als zwei der sechs Millionen Tibeter, die in China leben.

            Das Gesetz über Regionale Ethnische Autonomie, das am 31. Mai 1984 verabschiedet wurde, definiert die generellen Rahmenbedingungen für alle autonomen Gebiete Chinas. Nach diesem Gesetz hat der Volkskongress des Autonomen Gebietes Tibet die Macht, örtliche Vorschriften zu erlassen, die auf ein normales Verwaltungsgebiet auf Provinzebene angewendet werden, und die Macht, Bestimmungen über die Ausübung von Autonomie zu verfügen sowie gesonderte Regelungen vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Besonderheiten der ethnischen Gruppe oder ethnischer Gruppen in der Region bekannt zu geben. Das gesetzgebende Organ der autonomen Gebiete kann auch bestimmte staatliche Gesetze ändern oder ergänzen. Ein Beispiel: Aus Rücksicht auf die besonderen natürlichen und geografischen Faktoren von Tibet, legte das Autonome Gebiet Tibet die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden fest, fünf Stunden weniger als die nationale gesetzliche Arbeitswoche."

            Aber die erstaunlichste Entwicklung war diese: Im März 2008, im Vorfeld der Olympischen Spiele von Beijing, begannen im Ausland (einschließlich in Paris, worauf ich noch eingehen werde) Kampagnen wie Pilze aus dem Boden zu schießen, um die tibetische Sache voranzubringen, was die chinesische Bevölkerung in Rage versetzte. Es wäre ein schwerwiegender Fehler für den Dalai Lama gewesen, wenn er sich nicht davon distanziert hätte. Er wünschte nicht mit den Leuten in Verbindung gebracht zu werden, die als Feinde Chinas und Zerstörer des olympischen Traums herüberkamen, ein Traum, den die Tibeter teilen. Die olympische Fackel sollte plangemäß durch die tibetische Hauptstadt Lhasa und die Region Shannan reisen. Am 28. März startete der Dalai Lama einen „Appell an das chinesische Volk." Es erscheint beinhahe unglaublich, dass der Text konstatiert: „Chinesische Brüder und Schwestern, ich versichere euch, dass ich kein Verlangen habe, einen Keil zwischen das tibetische und das chinesische Volk zu treiben." Er fuhr damit fort, „meiner Besorgnis Ausdruck zu verleihen, sowohl als Mitmensch, wie auch als einer, der darauf vorbereit ist, sich selbst als ein Mitglied der großen Familie zu betrachten, die die Volksrepublik China darstellt", und erklärte sein Erstaunen über eine ungerechte Unterstellung: „Es ist bedauerlich, dass trotz meiner aufrichtigen Bemühungen, Tibet nicht von China zu trennen, die Führer der VR China fortfahren, mich als ‚Separatisten' zu beschuldigen."

            Unvorstellbar! Am Ende hat der Dalai Lama vor der Welt niemals seine Liebe verborgen für diese „große Familie", deren Mitglied er zu bleiben hofft, die besteht aus rücksichtslosen" (S. 192) "Eindringlingen" (S. 73), die Plünderungen" betrieben, an schlechten Manieren" (S. 74) krankten, die sie dazu trieben abscheuliche" Taten gegen Tibeter zu begehen, dienicht nur erschossen wurden, sondern auch zu Tode geprügelt, gekreuzigt, bei lebendigem Leib verbrannt, ertränkt, seziert, ausgehungert, erdrosselt, erhängt, verbrüht, lebendig begraben, ausgeweidet, und geköpft" (S. 184). Kleine Kinder wurden sogar gezwungen, ihre Eltern zu erschießen" (S. 184), und viele tibetische Männer und Frauen glauben, dass die Chinesen sie sterilisiert haben" (S. 185). Nebenbei möchte ich darauf hinweisen, dass die Mitglieder einer vom Dalai Lama einberufenen,internationalen Kommission jede chinesische und tibetische Aussage untersuchten" (S. 183), aber ihre Aussagen nicht als schlüssig angenommen hat." Das hat den Dalai Lama nicht daran gehindert, ihren Schilderungen Glauben zu schenken und sie zu verbreiten, da letztlich Chinesen Kriminelle" sind, die „Methoden, die an den Dschungel erinnern", anwenden (S. 217) und Tibet in eine „Nacht der Unterwerfung und Unterdrückung" tauchen (S. 222).

            Man könnte jetzt etwas gegen die Tatsache einwenden, dass ich Aussagen von 2008 mit solchen aus einem in der 1960er Jahren veröffentlichten Buch vergleiche. Und es ist auch wahr, dass der Dalai Lama in seinem Appell vom März 2008 Mitleid mit den Opfern jeder Rasse zeigte, ob Han (die er „Chinesen" nennt) oder Tibeter.

            „Im Lichte der kürzlichen Entwicklungen in Tibet möchte ich Ihnen meine Gedanken mitteilen, was die Beziehungen zwischen den Völkern der Tibeter und Chinesen angeht, und appelliere persönlich an Sie alle.

Ich bin tief traurig angesichts des Verlusts von Menschenleben während der jüngsten, tragischen Ereignisse in Tibet. Mir ist klar, dass auch manche Chinesen umgekommen sind. Ich fühle für die Opfer und ihre Familien und bete für sie. Die kürzlichen Unruhen haben klar gezeigt, wie schwerwiegend die Lage in Tibet ist, und auch die dringende Notwendigkeit, eine friedliche und beiden Seiten dienliche Lösung durch Dialog zu finden."

Tatsächlich haben die Zeiten sich gewandelt. Der Traum des Dalai Lama, der aus einer Zeit stammt, als er noch glaubte, er könne nach China zurückkehren (mithilfe der internationalen Gemeinschaft, die zunächst angemessen erschreckt werden musste), ist nicht länger von Bedeutung, seit er erkannt hat, dass keine bewaffnete Intervention möglich ist (China hat jetzt Atomwaffen). Hinreichend effektive Wirtschafts- oder Handelssanktionenstehen gleichfalls außer Frage. Trotzihrer eigenenBedenkenundVorbehalte gegen daschinesische Systemhaben einige Intellektuelle(Autoren, Journalisten etc.)und Politiker, dieTibetbesucht haben,den Schleier des ehemaligenTibet gelüftetundfestgestellt, dass nicht alle Veränderungen dort negativ waren.

            Und so passt sich auch der Dalai Lama seinen Umständen an. Er hat seine Ausdrucksweise geglättet, doch ohne jemals seine früheren Aussagen zurückzunehmen. Eine Konstante bleibt der Wunsch nach Unabhängigkeit, und er bereitet sich mit seiner „Regierung" in Dharamsala unermüdlich auf seine Ankunft vor.

Die Publizität, die im Westen rund um dieses Geschäft der Auslöschung der tibetanischen Bevölkerung (mittels Sterilisation und Massaker) ausbrach, sorgte für eine tiefe Quelle des Mitgefühls für Tibet und den Buddhismus. Nichtsdestotrotz bewiesen international anerkannte Experten wissenschaftlich, dass das falsch sei.

Das gleiche gilt für die Zahl von 1,2 Millionen durch Gewalt in Tibet verursachten Todesfällen, seit der 13. Dalai Lama floh. Sie wurde von der "tibetischen Exilregierung" des 14. Dalai Lama übertrieben, wie internationale Forscher gezeigt haben. Es genügt, einfach mal die Bevölkerungspyramide zu untersuchen, um die Lüge diesem großen Märchen beizugesellen, das sogar der Dalai Lama nicht mehr unterstützt. In seinen Anklagen spricht nicht mehr „Völkermord", sondern von einem „kulturellen Völkermord". Außerdem, wie kann jemand über Völkermord an Vollblut-Tibetern (der „reinen Rasse") sprechen, wenn Tibet in der Tat, im Unterschied zu den meisten Regionen Chinas, von der Ein-Kind-Politik befreit ist, und die („reine") Bevölkerung seit 1959 spektakulär angewachsen ist?

Solche Unwahrheiten lassen Raum für Zweifel an der Richtigkeit und Authentizität anderer Berichte über Gewalt. Außerdem könnte wohl nur ein ganz und gar unbedarfter Mensch ohne Kenntnis der Geschichte glauben, dass eine Militärmacht in einem Land, das von seinen fliehenden Rebellenführern aufgegeben wurde, völlig die Menschenrechte oder sogar internationale Konventionen respektieren würde. Wir wissen, wie unsere eigenen französischen Armeen sich in verschiedenen Teilen der Welt aufführten Madagaskar, Indochina, Algerien und China, wo sie den Alten Sommerpalast plünderten und sogar auf unserem eigenen Boden, in Paris selbst (französische Muslime wurden im Oktober 1961 in die Seine geworfen, das Massaker in der U-Bahnstation Charonne im Februar 1962 und so weiter). Traurigerweise waren andere wohl ähnlich skrupellos. Die Briten zum Beispiel bezwangen Tibet mit Waffengewalt, bevor sie seine Klöster plünderten, entweihten und zerstörten.

Wenn, wie der Französische Senat im Oktober 2007 berichtete, Tibet ein Schatz der Menschheit und das Auge der Welt auf die chinesische Entwicklung" bleibt, wäre es am besten für jemanden, den Balken zu entfernen, der in diesem Auge steckenblieb, ohne es offensichtlich zu stören.

Unterdessen macht der Dalai Lama einen Fehler, wenn er stillschweigend die wohl gelittenen Verbrechen ignoriert, die seine Vorgänger seit Jahrhunderten begingen, die oft noch grausamer waren und den Menschen keine Hoffnung auf ein Ende boten. Keine Hoffnung, weil man eine Autorität nicht absetzt, die speziell und für den einzigen Zweck wiedergeboren wurde, von einem Palastkloster in der Hauptstadt zu herrschen.

Am 6. April 2008, angetrieben von den Protesten in Lhasa, streckte der Dalai Lama allen Tibetern" die Hand entgegen und erklärte: „Wir hatten schon unseren Ansatz formuliert, um nach einer Lösung der Tibet-Frage im Rahmen der Verfassung der VR China zu suchen."


Beachten Sie, dass er durch diese Worte zugab, dass die Lösungen, die er früher zu erreichen suchte außerhalb deren Verfassung" gewesen wären, etwas, was uns schon längst klar war.

Am 23. November 2008, die New York Times-Homepage mit der Aufschrift lautete: „Dalai Lama fordertExil-Führer auf ‚umsichtig' zu sein".Warum?

Der Dalai Lama hatte gerade zu mehr als 500 Delegierten aus aller Welt gesprochen, die sich eine Woche in Dharamsala versammelt hatten. Er sagte zu ihnen: „In den nächsten 20 Jahren besteht, wenn wir nicht aufpassen, wenn wir in unseren Plänen nicht umsichtig sind, eine große Gefahr. Das könnte zur Gefahr des Scheiterns führen." Mit anderen Worten waren die Dinge nicht ganz erledigt. Die Delegierten beendeten ihre einwöchige Konferenz am Samstag mit der Aussage, sie haben sich fürs erste dagegen entschieden, nach Unabhängigkeit zu streben und sich an den ‚Mittelweg' des Dalai Lama zu halten sein Drängen auf Autonomie durch einen angemessenen Kompromiss, der mit dem Ruf nach Unabhängigkeit nichts zu tun hat."

Das klingt verdächtig nach dem Fuchs in der Fabel, der anmerkt, da er unfähig ist, die baumelnden Trauben zu erreichen: „Oh, ihr seid noch nicht einmal reif! Ich brauche keine sauren Trauben."

Aber was genau ist dieser „Mittelweg", ein Vorschlag, den der Dalai Lama der chinesischen Regierungsmacht , als innovativ, versöhnlich und akzeptabel präsentiert? In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg am 24. Oktober 2001erklärte er, dass der neue Vorschlag das 17-Punkte-Abkommen" ersetzen soll, das ihm von der Zentralregierung im Jahr 1951 „aufgezwungen" wurde. Er beschrieb das Abkommen als lediglich eine „Autonomie auf dem Papier", auch wenn es die Regierung in Peking verpflichtete, „nicht das bestehende politische System in Tibet zu verändern, nicht den Status, die Funktionen und die Befugnisse des Dalai Lama zu verändern, die religiösen Glauben, Sitten und Gebräuche des tibetischen Volkes zu respektieren und die Klöster zu schützen, die Landwirtschaft zu entwickeln und den Lebensstandard der Menschen zu verbessern; und die Menschen nicht zu zwingen, Reformen zu akzeptieren". Kein schlechter Deal – und doch war es genau diese Vereinbarung, die die Adligen und Buddhisten dazu trieb, die Revolte zu schüren, die in ihrem Exil gipfelte.

            In seinem Vorschlag vom 24. Oktober 2001, bekannt als der „Straßburger Vorschlag", bat der Dalai Lama darum, Tibet möge echte Autonomie genießen im Rahmenwerk der Volksrepublik China. Jedoch nicht die Autonomie auf dem Papier, die uns vor 50 Jahren in dem 17-Punkte-Abkommen auferlegt wurde, sondern eine echte Selbstverwaltung, ein wirklich autonomes Tibet, mit Tibetern, die voll verantwortlich für ihre eigenen inneren Angelegenheiten sind, einschließlich der Erziehung ihrer Kinder, religiöser Angelegenheiten, kultureller Angelegenheiten, der Pflege ihrer empfindlichen und kostbaren Umwelt , und der lokalen Wirtschaft. Peking würde dann weiterhin verantwortlich sein für die auswärtigen Angelegenheiten und die militärische Verteidigung."

            Argumentative Personen mögen sich nun fragen: wenn das Autonomie ist, wie genau würde er dann Unabhängigkeit definieren?Es ist gerade so, als wolle der Dalai Lama Die Hochzeit des Figaro parodieren: „Solange Ihr keinen Versuch macht, Einfluss zu nehmen auf unsere Wirtschaft, Gesetze, soziale Gebräuche, Kultur, Religion, Justiz, Umwelt und alles andere, das zu Konflikten mit meinen Entscheidungen führt, die ich kraft meiner göttlichen Macht fälle, dürft Ihr Tibet gemeinsam mit mir verwalten, insbesondere, wenn Ihr draußen bleibt, um meine Grenzen und kommerziellen Interessen unter dem wachsamen und kritischen Auge der internationalen Gemeinschaft zu schützen."

            Was für ein teuflisch kluges Vorgehen war das, vorzugeben, eine gleichberechtigte Partnerschaft anzubieten, einen „Mittelweg", in dem beide Parteien offensichtlich vergleichbare Befugnisse genießen. Mit der Kartierung von etwas, das ein Kurs auf halbem Wege zwischen Unabhängigkeit und Annektierung zu sein scheint, könnte ein gewiefter Verhandler diese so genannte Äquivalenz umkehren, wobei Lhasa nur bestimmte Zugeständnisse an Peking macht, und es so zu ermöglichen, den Rest für sich zu behalten. Eines Mannes Heim ist immer noch seine Burg aber dieser spezielle Mensch in seinem safranfarbenen Gewand hat die gesamte Region als sein Heim beansprucht, und vielleicht auch ein paar andere umliegende Regionen.

Ist es so schwer, sich vorzustellen, warum Peking diesen Vorschlag für einen Trick und eine Ablehnung halten mag, und sich sogar weigert, eine Delegation zu einem Gespräch zu empfangen? Vielleicht liegt es einfach daran, dass die Delegation eine Regierung des Dalai Lama repräsentieren würde, der weiterhin verspricht, dass er „keine Lust habe, Tibets Abtrennung zu erreichen", da er selbst für ein Mitglied der großen Familie, die die Volksrepublik China ist" hält. Angesichts solcher Widersprüche, hat die chinesische Regierung auf mehr Klarheit gedrängt, indem sie den Dalai Lama auffordert, eine wesentliche Bedingung vor jeglicher Sitzung zu akzeptieren: Er muss seine „Regierung" auflösen, da China andernfalls dazu gezwungen wäre, ihn als ausländischen Regierungschef anzuerkennen, der einen offiziellen Staatsbesuch macht.

            Es sollte nicht überraschen, dass, wenn der Dalai Lama fordert, in vollem Umfang mit der tibetischen Kultur betraut zu werden, die Stimme von Victor Hugo noch einmal in unseren Ohren hallt, eifernd gegen Schall und Rauch, die dort den Fortschritt und das Denken blockiert haben:

„Ah, wir kennen dich! Wir kennen die klerikale Partei. Es ist eine alte Partei. Sie ist es, die eine Wache an der Tür der Orthodoxie postiert. Sie ist es, die statt der Wahrheit diese beiden wunderbaren Unterstützer gefunden hat, Unwissenheit und Irrtum! Sie ist es, die Wissenschaft und Genie verbietet, das Überschreiten der Missale, und die den Wunsch verspürt, Gedanken in Klostermauern aus Dogmen einzusperren. Jeder Schritt, den die Intelligenz von Europa nach vorne gemacht hat, war ein Trotzdem. Ihre Geschichte steht auch in der Geschichte des menschlichen Fortschritts geschrieben, aber auf der Rückseite des Blattes. Sie ist allem entgegengesetzt.

Sie ist es, die dazu führte, dass Prinelli gegeißelt wurde, weil er sagte, dass die Sterne nicht herunterfallen. Sie ist es, die Campanella sieben Mal auf die Folterbank legte, nachdem er bekräftigte, dass die Zahl der Welten unendlich sei, und weil er einen Blick auf das Geheimnis der Schöpfung erhaschte. Sie ist es, die Harvey dafür verfolgte, dass er die Zirkulation des Blutes bewiesen hatte. Im Namen von Jesus stopfte sie Galileo das Maul. Im Namen des heiligen Paulus inhaftierte sie Christopher Columbus. Ein Gesetz des Himmels zu entdecken war ein Frevel. Eine Welt zu entdecken war eine Häresie. Sie ist es, die Pascal im Namen der Religion verfluchte, Montaigne im Namen der Moral, Molière im Namen der Moral und der Religion. Oh, ja! Natürlich, wer immer Ihr sein mögt, wer Euch katholische Partei nennt und wer die klerikale Partei ist, wir kennen Euch. Schon seit langer Zeit hat das menschliche Bewusstsein gegen Euch revoltiert, und verlangt nun von Euch zu wissen ‚Was verlangt Ihr von mir? '. Schon seit langer Zeit habt Ihr versucht, den menschlichen Intellekt zu knebeln.

            Ihr wollt die Herren der Erziehung sein."

            Obwohl Hugo diese Rede vor eineinhalb Jahrhunderten hielt, scheint sein Finger sogar jetzt noch über Lhasa und Dharamsala zu schweben, bereit, eine Reihe von 14 Dalai Lamas wegzuwischen.

            Könnte irgendetwas als diese Beispiele – die nicht von der Zentralregierung in Peking stammen, sondern aus dem Mund oder der Feder des Dalai Lama – klarer demonstrieren, dass er nicht eine Sekunde lang damit aufgehört hat, nach Unabhängigkeit und einem theokratischen Tibet unter seiner Herrschaft zu streben? Nur sein Stil, den Kampf zu leiten, hat sich dem Wandel der Zeiten angepasst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

VII

 

Das Entsetzliche Regime der Dalai Lamas

 

 

            „Die Vorherrschaft der Mönchsorden in Tibet ist etwas Einzigartiges. Es kann auch mit einer strengen Diktatur verglichen werden."[76]

Sozialer Aufstieg war einfacher für Mönche und Mitglieder der religiösen Administration: „Einige von ihnen hatten große Landzuteilungen, und einige Stiftungsgelder [...] Einige fungierten als Geldverleiher, und einige wenige verlangten höhere Zinsen, als ich gutheißen kann."[77]Leider bietet das Buch keinerlei Zahlen, aber der Zins variierte zwischen 20 und 50 Prozent. Und als ob das nicht genug wäre, erhielten Mönche Subventionen von der Regierung," vor allem an Lebensmitteln [...].Natürlich stammten diese Subventionen letztlich aus den Mieten oder Steuern der Laien."[78]

„Unsere Ungleichheit in der Verteilung des Wohlstands war sicherlich nicht in Übereinstimmung mit der buddhistischen Lehre, und in den wenigen Jahren, in denen ich effektive Macht in Tibet hatte, gelang es mir, einige grundlegende Reformen durchzuführen."[79]

Natürlich waren diese „wenigen Jahre" eigentlich neun, und obwohl er relativ (zu) jung war, verließ sich der Dalai Lama auf Berater und einen Regenten, und er schien reif genug zu sein, um einige Entscheidungen selbst zu treffen (wie die Entscheidung, sein massives Heim zu vergrößern), eine Tatsache, der er sich rühmt, um seine frühe Weisheit zu unterstreichen. Wie bei „einigen grundlegenden Reformen" wäre es für den Dalai Lama hilfreich gewesen, sie zu nennen und zu erwähnen, ob diese Maßnahmen erfolgreich waren.

Er hat allerdings angegeben, dass er einen 50-köpfigen Ausschuss ernannte, und dass die „einfachste Reform in der Erhebung von Steuern" bestand. Offenbar, zusätzlich zu den staatlichen Steuern, konnten die Bezirksämter so viel zusätzlich erheben, wie sie wollten [...]. Da dies gesetzlich zulässig war, mussten die Leute löhnen."[80]Und welche Arten von Steuern waren erlaubt? Die Liste nähert sich schnell dem Lächerlichen: Es gab Steuern auf Hochzeiten, Geburten und Todesfälle, das Anpflanzen von Bäumen vor ihren Hütten, Tiere, religiöse Feste, Singen, Tanzen, Trommeln, das Läuten von Glocken, das Durchqueren eines Dorfs, wenn man ins Gefängnis geschickt wurde, wenn man aus dem Gefängnis entlassen wurde, Arbeitslosigkeit usw.

„Das Volk musste löhnen", und sie taten dies freiwillig, wohl wissend, dass es viel teurer wäre, ungehorsam zu sein. Lhasaersetztedie Gewinne ausdiesemlegal sanktioniertenDiebstahl durch ein Gehalt, das an die Steuerbeamten ausgezahlt wurde (immer noch von dem Geld, das beim Volk eingesammelt wurde).

Da das Land, das die Leibeigenen bis zur Erschöpfung bearbeiteten, in staatlicher Hand war, mussten sie Miete zahlen, oft dadurch, dass sie einen Teil ihrer mageren Ernte abgaben, was die wichtigste Quelle der staatlichen Bestände war, die an die Klöster, die Armee und die Beamten verteilt wurden". Andere zahlten in Arbeitsstunden (Fronarbeit) oder mussten sonst kostenlosen Transport für Regierungsbeamte zur Verfügung stellen, und in einigen Fällen auch für die Klöster."[81]Dies bedeutete für Leibeigene und Sklaven das Tragen von Lasten auf dem Rücken, um die fragilen Mönche, Soldaten und Regierungsbeamten von dieser Aufgabe zu entlasten. Sie benutzten immer und überall ihre eigenen Rücken, da das Rad (eine Erfindung aus dem Jahr 3500 v. Chr.) verboten war. Sogar der Gedanke an Schubkarren (die der Rest von China seit 100 v. Chr. verwendet) oder von Lasttieren gezogene Karren war ausgeschlossen, da diese Narben auf der heiligen Oberfläche der Erde hinterlassen" hätten. Nicht nur verausgabten sich Männer völlig und starben durch das Tragen schwerer Lasten, sondern auch der Handel wurde behindert, der allgemeine Lebensstandard stagnierte, und die einzige Straße in Tibet war ein einzelner Streifen, der auf dem Roten Berg des Potala in Lhasa gebaut wurde, so dass der 13. Dalai Lama in einem seiner drei Autos rauf und runter fahren konnte – die dann wohl die göttliche Macht besaßen, keine Spuren zu hinterlassen. Dennoch erschienen Fahrräder und Roller zu seinen Lebzeiten. Im Jahr 1943, verbot der Regent des 14. Dalai Lama (der zu dem Zeitpunkt acht Jahre alt war) noch einmal ihre Verwendung, aus dem gleichen Grund wie bereits erwähnt, dem die Mönche selbst mehr Nachdruck verliehen. Selbst Verbindungswege waren tabu. Als die britischen Besatzer sie zu bauen versuchten, erfuhren sie, dass der Himmel beleidigt sei und die Nachbarschaft bestrafen würde.[82]

Da „dem Recht auf Transport viel zu viele Menschen zugeteilt worden waren" und Fronarbeit mit jedem aufeinanderfolgenden Dalai Lama nur noch mehr ausgeweitet wurde, beschloss der 14. in einem Anfall von Mitgefühl und doch sorgfältig begrenztem demokratischem Eifer, nicht die Gräuel aufzuheben, sondern die Gebühren für den Transport zu erhöhen, der nicht Teil einer obligatorischen Fronarbeit war, festgelegt von Fall zu Fall per „besonderer Sanktion."[83]

            Dennoch, die dringendste einzelne Reform" hatte mit den Befugnissen der Lehnsherren zu tun, die, wie die Mönche in ihren Klöstern, „ein feudales Recht der Gerichtsbarkeit ausübten". Und leider, wie er sagt, gerade als der Dalai Lama sich anschickte, auf die Berichte seines Reformausschusses hin zu handeln und die Grundstücksbesitzer zu enteignen, die ihr Land ja nur als Lehen erhalten hatten, das nun unter den Bauern verteilt werden würde, die es schon bearbeitet hatten"[84], gerade als er in Erwägung zog, einen zweiten Schritt zu unternehmen, um auch den Landbesitz der Klöster zu enteignen, schlugen die „chinesischen Invasoren" den Aufstand nieder, den er heimlich dirigierte, ergriffen die durch seine Flucht freigewordene Macht und beraubten ihn des Vergnügens, die Fehler des [tibetischen] Systems" auszumerzen. Ganz niedlich fasst der Dalai Lama die Situation folgendermaßen zusammen: „Weitaus einschneidendere Ereignisse überrollten uns, und in dem Moment musste es aufgegeben werden."[85]

            Obwohl seine Aufgabe vereitelt wurde, war der Dalai Lama glücklich, auf die Arbeit hinzuweisen, die er bereits vollbracht hatte: „Wir hatten also damit begonnen, unser soziales System von einem mittelalterlichen in ein modernes zu verwandeln [...]."[86]

            Aber was genau brachte die mittelalterliche Gesellschaftsordnung mit sich? Der aktuelle Dalai Lama weicht der Frage aus, und es ist leicht einzusehen, warum. Dreizehn Dalai Lamas vor ihm, und er selbst während neun Jahren, akzeptierten und profitierten sogar von einem genozidalen, den Geist zerstörenden, brutalen System. Auch wenn sein Vorgänger ein paar winzige Reformen durchführte, und dem 14. Dalai Lama es gelungen war, ein paar der schärferen Ecken abzufeilen, blieb das System selbst eine Beleidigung für die Demokratie. Wir können auch fragen, welche Teile davon er verurteilt, und welche Teile davon seiner Auffassung nach so viel sanfter sind als das System, das nach seiner Flucht etabliert wurde, das er immer wieder gegenüber der Welt als eine Hölle auf Erden anprangert, wo es einst den Himmel auf Erden gab („Also waren wir froh.").

            War das alte System Völkermord? Ja, denn die rückständige Theokratie war so unbarmherzig, dass während ihrer Regierungszeit die Bevölkerungszahl von knapp über einer Million Einwohnern über zwei Jahrhunderte stagnierte. Angesichts der kurzen Lebenserwartung der Leibeigenen und der frommen Enthaltsamkeit von einem Viertel der männlichen Bevölkerung, riskierte das tibetische Volk seine Auslöschung im Falle einer Epidemie oder von Nahrungsknappheit. Als die Briten mit formal ausgebildeten Ärzten nach Tibet kamen, die die modernen, wissenschaftlichen Erkenntnisse im Gepäck hatten, die überall sonst auf der Welt angewendet wurden, um Schmerzen zu lindern, Krankheiten zu heilen und den Marsch in Richtung Tod zu verlangsamen, wurden sie von den Mönchen mit Feindseligkeit bedacht. Der sogenannte ethnische Völkermord, den das tibetische Volk in den Händen der Zentralregierung in Peking angeblich erlitt, lauerte greifbar bereits zuvor rund um die verarmten Dörfer, in denen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte vergangen waren, ohne dass in irgendeiner Weise die Not der mittellosen Familien, die sich dort ans Leben klammerten, gelindert wurde.

            Zerstörte es das Denken? Ja, denn Bildung, von der bekannt ist, dass sie Atheismus und Säkularismus verbreitet, wurde dem einfachen Volk vorenthalten, während die buddhistische Elite endlose Jahre mit dem Studium verbrachte. Das Hauptprodukt dieses Lernens war ein unverständliches Kauderwelsch, das die Leibeigenen beeindruckte und sie von ihrer eigenen Unterlegenheit überzeugte, so dass sie sich auf ein Leben in Demut und Gehorsam vorbereiteten. Es zerstörte das Denken auch, weil buddhistische Texte alle anderen Kenntnisse ersetzten, nicht nur für das gemeine Volk, sondern auch für die überwiegende Mehrheit von Herren und Meistern des Landes, die nie Wissenschaft gelehrt wurden. Und wieder einmal drückten die Mönche ihre Ablehnung aus, als die britischen Besatzer Schulen zu öffnen versuchten.

            Es zerstörte das Denken auch noch in anderer Weise: Die Leibeigenen konnten nicht reisen, nicht mal nach Lhasa, und nicht ein einziges Mal in ihrem Leben begegneten sie einem Ausländer mit einer anderen Kultur und einem unterschiedlichen Wissen. Schließlich wurden die Unglücklichen so durch ihre Arbeit erschöpft, dass sie gar nicht mehr die Zeit oder Kraft hatten, für sich selbst zu denken. In diesem Lichte betrachtet, beginnt der Dalai Lama wie das Oberhaupt einer Religion oder Philosophie zu erscheinen, die fast bis zu dem Punkt einer Sekte herabgesetzt wurde, die über mehr als eine Million gefangene Anhänger innerhalb geschlossener Grenzen herrscht, verborgen vor den Augen der Welt.

            Das Wort „Sekte" mag hart klingen, aber was ist eine Sekte? Kurz gesagt, eine extremistische und kompromisslose religiöse Organisation, deren Führer die individuelle Freiheit ihrer Jünger leugnen, sie zum Durchführen von Ritualen zwingen und sie geistig manipulieren, um sie unter Kontrolle zu halten. Die Organisation ist pyramidal aufgebaut, mit der Macht in den Händen einer charismatischen Autorität, eines Guru, konzentriert. In Unkenntnis anderer Lehren oder Praktiken gehalten, werden die Anhänger Lebensbedingungen unterworfen, die sie dauerhaft erschöpft halten (Mangel an Ruhe und Nahrung, endlose Aufgaben), wodurch ihre intellektuellen Fähigkeiten gehemmt werden. Die Sekte füllt ihre eigenen Taschen mit Geld und Besitz der Anhänger und macht diese damit völlig abhängig.

            Also werde ich es jedem Leser überlassen, zu entscheiden, ob es eine Sekte war oder nicht (Der [französische] Verein Info-Sectes verfolgt die Ereignisse, hat aber noch keine Position bezogen) So oder so, Brutalität und Zerstörung waren die Norm, und das erzeugte unglaublichen Reichtum für die Korrupten:

            „Das Kloster Drepung war einer der größten Grundbesitzer der Welt, mit seinen 185 Herrensitzen, 25.000 Leibeigenen, 300 großen Weiden und 16.000 Hirten. Der Reichtum der Klöster ging zu den übergeordneten Lamas, darunter viele Nachkommen der Adelsfamilien [...]. Zusammen mit dem höheren Klerus ging es den weltlichen Führern gut. Ein erwähnenswertes Beispiel war der Oberkommandierende der tibetischen Armee, der 4000 Quadratkilometer oder 400.000 Hektar Land und 3500 Leibeigene besaß. Auch er war ein Mitglied des Laienkabinetts des Dalai Lama."[87]

            Die Leibeigenen gehörten ihrem Herrn, der sie bestrafen oder verkaufen konnte. Sie durften sein Land nicht verlassen. Sie mussten ihn um Erlaubnis bitten, um heiraten zu können. Sie könnten sogar zu Sklaven degradiert werden. Wenn sie nicht zu bändigen waren, wurden sie bestraft, indem man sie in hölzerne Käfige sperrte, Fußfesseln oder Halseisen anlegte, Zungen, Hände oder Füße aufschlitzte, oder ihnen die Augen ausstach (die offenen Wunden wurden mit kochendem Wasser geheilt), oder sie wurden zu Tode gebracht, indem sie in einen ledernen Sack schnürte und in den Fluß warf. Um dieser Justiz zu entgehen, mussten sie linientreu sein, unzählige Steuern (siehe oben) zahlen, Fronarbeit während bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit leisten und ihre Herren mit Doppelzentnern Getreide versorgen. Sie waren so arm, dass sie Geld von den Mönchen, Adligen und Großgrundbesitzern leihen mussten, um für das Essen zu bezahlen, das sie produzieren und nach dem Gesetz jenen Kasten übereignen mussten. Wucherzinsen machten sie für das ganze Leben zu Schuldnern, und ihre Schulden konnten sich sogar über Generationen hinweg zu einer Art negatives Erbe akkumulieren, ein Los, das viele Bauern hatten. Das sogenannte Vorbereitungskomitee für das Autonome Gebiet Tibet, eine von Peking aufgestellte Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Dalai Lama, widerrief diese Schulden am 17. Juli 1959, wenige Monate, nachdem er ins Exil geflohen war.

            Da es nicht erlaubt war, landwirtschaftliches Wissen nach Tibet zu bringen, waren keinerlei moderne Werkzeuge oder Technologien vorhanden, um mit dem harschen Klima und dem trockenen Boden umzugehen. Die Getreideerträge waren desaströs.Rinder und Schafe starben zu schnell, um eine Herde zu züchten, und Typhus grassierte mit tödlichen Folgen.

            Zwischen 1927 und 1952 entschieden sich mehr als 90 Prozent der Familien in gewissen Dörfern der Vergeltung zu trotzen, zu fliehen und ihr Heil außerhalb Tibets zu suchen. Also waren wir glücklich", sagt der Dalai Lama, und „Ich hatte mit Reformen begonnen."

            Wenngleich sein Vorgänger nicht so weit ging, die Leibeigenschaft und Sklaverei zu beenden, muss man der Fairness halber sagen, dass der 13. Dalai Lama einige der grausamsten Misshandlungen für ungesetzlich erklärte, er schaffte auch die Todesstrafe bereits im Jahre 1898 ab (das geschah erst 1981 in Frankreich) zumindest auf dem Papier, denn es fanden noch Hinrichtungen nach diesem Datum statt. Im Jahr 1923 gründete er die erste englische Schule in Gyantse, der drittgrößten Stadt des Landes. Kaum drei Jahre später sah er sich jedoch gezwungen, sie wieder zu schließen, durch den Widerstand der Mönche, der dank ihrer langen Ausbildung darin, absichtlich den Fortschritt zu blockieren und Ausländer abzulehnen.

            In der offiziellen Übersetzung der Leitlinien für das Gemeinwesen eines künftigen Tibet und Grundzüge seiner Verfassung, die vom Dalai Lama am 26. Februar 1992 veröffentlicht wurde, können wir lesen: „Tibet hat eine Geschichtsschreibung von über 2.000 Jahren, und laut archäologischen Befunden eine Zivilisation, die mehr als 4.000 Jahre zurückdatiert." Wenn das wahr ist, wie ist es dann möglich, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts diese Region noch immer nichts von den Entdeckungen wusste, die sich im gesamten Rest der Welt im Laufe der Jahre ausgebreitet hatten? Liegt es an der besonderen geografischen Lage von Tibet? Zum Teil, kein Zweifel. Und doch sind die Ozeane und Meere von anderen Orten übersät, die gleichermaßen (wenn nicht mehr) isoliert sind, und doch erreichte sie der Fortschritt. In Tibet gab es einen bewussten Wunsch, die Gesellschaft zu versteinern und ihre Politik und Religion in einer Konfiguration einzufrieren, von der nur eine Minderheit profitierte, die nur ungern aufgeben wollte, was sie als ein glückliches und erfolgreiches Mittelalter erlebte. Diese Minderheit befürchtete, dass das kleinste Lockern der Augenbinde der Unwissenheit zeigen würde, dass in Frankreich, Europa und vielen anderen Ländern die Aufklärung neue Ideen kultiviert hatte über die Regierung menschlicher Gesellschaften und diese Pflanzen das Leben der Armen verwandelten, während sie sich entwickelten.

            Die Gelehrten, Philosophen und Schriftsteller, die diese Ideen generieren, halfen, lehrten ihre Schüler, den Absolutismus zu kritisieren, forderten, dass private Interessen zugunsten des allgemeinen Interesses beiseite gestellt werden sollten, und bestanden auf der Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts und des säkularen Humanismus, der Verbreitung von Bildung überall, so dass technisches Wissen weitflächig zugänglich wurde und Vorurteile aller Art niederriss. Diese Ketzer behaupteten, dass Talent sich gegen Geburtsprivilegien durchsetzen sollte. Sie behaupteten, in der Lage zu sein, der Welt einen Sinn zu geben, und es mit geistigen Werkzeugen zu verwandeln. Sie bestanden darauf, dass die Vernunft jegliche Gebräuche, Traditionen und Gesetze herausfordern könnte und sollte, die die Gerechtigkeit behindern.

Dieser Seuche sollte nicht erlaubt werden, Tibet zu verunreinigen. Dennoch, um die eigene Bequemlichkeit zu sichern, begannen der Regent und die Berater des Dalai Lama und die Aristokraten mit den Jahren zu erkennen, dass es vieler gebildeter Tibeter, die Englisch verstehen, bedürfen würde, um ihre Ausrüstung zu betreiben, wie ein Wasserkraftwerk und Radiosender. Dieses wunderbare Land war technologisch so rückständig, dass kein einziger Bürger in der Lage war, sein Pensum für diese Aufgabe zu erhöhen. Folglich (aus einer Verzweiflung heraus?), wurdeim Mittsommer 1944 eine bescheidene Schule in Lhasa eröffnet, in der der Unterricht in tibetischer und englischer Sprache stattfand.

            Aber, oh weh! Egal, wie oft der Regent erklärte, dass die neue Schule einfach eine Erweiterung der Politik des 13. Dalai Lama war, zeigten sich die Mönche so hysterisch empört, dass sie ihre Türen bereits ein halbes Jahr später wieder schließen musste.

Wir haben nichts gelesen vom Dalai Lama, das vermuten lässt, dass er irgendwelche konkreten Schritte unternommen hat, um die Situation zu bereinigen. Die Analphabetenrate seines „glücklichen" Volkes störte ihn scheinbar nicht, und die wenigen Reformen, derer er sich rühmt, beinhalteten nicht das Eröffnen von Schulen in Tibet.

            Einige mögen mir vorwerfen, dass ich Ideen des Dalai Lama aus dem Jahr 1959 mit solchen vergleiche, zu denen er sich ein halbes Jahrhundert später bekannte, da er bereits das Alter der Weisheit erreichte. Leider wird ein solcher Vergleich diejenigen nicht beruhigen, die kostenlose, obligatorische, weltliche Schulen und die Entwicklung von wissenschaftlichen Erkenntnissen favorisieren. Wenn er ins Ausland reist und vor Publikum spricht, das anders als seine eigenen ungebildeten Anhänger, die von mehr als 100.000 Mönchen aus 2.700 Klöstern indoktriniert wurden, kann der Dalai Lama natürlich nicht ein Loblied auf die weit verbreitete Unwissenheit singen, die seine herrschende Klasse reich machte, und so muss er über Bildung sprechen. Doch obwohl es ihm gelingt, alte Vorurteile nicht neu aufzugießen, blendend gehüllt in die absolute Überlegenheit der geistigen über die materiellen Interessen, scheint er weder übermäßig begeistert von den Wundern zu sein, die Bildung zu bewirken vermag, noch vergisst er es, deren schlimmeren Auswüchse anzuprangern. Er tut dies mittels eines sorgfältig abgemessenen, ausgewogenen Ansatzes: Ein Löffelchen Zustimmung für Bildung, die niederen materiellen Komfort gewährt, gewürzt mit einer Prise Bedauern um die gesegnete Zeit, als die Leute, auf den Blumenwiesen der Unwissenheit lebend, (sprich: dank dieser Unwissenheit) die geistigen Tugenden entwickelten, die sie benötigten, um glücklich zu sein.

In seiner Nobelpreis-Rede am 10. Dezember 1989, an einem Ort, wo die höchste Ehre brillanten Köpfen in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen verliehen wird, sagte der Dalai Lama: „Materieller Fortschritt ist natürlich wichtig für den menschlichen Fortschritt. In Tibet, schenkten wir der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung viel zu wenig Aufmerksamkeit, und heute stellen wir fest, dass dies ein Fehler war". Nachdem er also beiseite gewischt hat, was er bescheiden als „Fehler" bezeichnet (das absichtlich mangelhafte Schulsystem) – und er scheint darauf hinzudeuten, dass er in nur zwei Bereichen auftrat (in der Tat litten alle) –, balsamiert der Dalai Lama die Ohren seiner Zuhörer, in dem er eloquent über Liebe, Güte, inneres Glück, Stille, Ruhe und tiefen Frieden spricht, die alle bedroht sind von etwas, dass er nun eindeutig identifiziert: Zur gleichen Zeit kann materielle Entwicklung ohne geistige Entwicklung auch zu schwerwiegenden Problemen führen [...] Ich glaube, beide sind wichtig und müssen Seite an Seite entwickelt werden, um ein gutes Gleichgewicht zwischen ihnen sicherzustellen". Die unterschwellige Botschaft der folgenden Absätze ist, dass per Definition das Wissen, das den technologischen Fortschritt erzeugt, selbst gewissenlos ist, und zu einem „Ruin der Seele" führen kann. Ist er sich bewusst, dass die Geschichte voll von Beispielen ganzer Völker ist, die sich, nachdem sie Bücher gelesen und ihren gelehrtesten Mitgliedern zugehört hatten, sich in altruistischen Bemühungen für Frieden, Gerechtigkeit, die Liebe für die Schwächsten, Solidarität und das Recht auf Glück für alle (nicht nur für eine einzelne Kaste) engagierten?


In den oben zitierten Leitlinien stellt der Dalai Lama traurig fest: „Obwohl technologischer Fortschritt materiellen Wohlstand in weite Teilen der heutigen Welt getragen hat, hat er auch zum Verlust der Achtung vor dem Menschen geführt."

Jeder kann sehen, dass der Dalai Lama nicht ein Wirtschaftssystem infrage stellt, das rauere Beziehungen zwischen Individuen und ganzen Völkern schafft; Technologie ist der wahre Feind. Um dies zu glauben, müssen wir vergessen, dass während der Zeit, als die Dalai Lamas ihr Volk vor jeder Art von Fortschritt, Innovation und Bildung schützten, Tibet „viele Nomaden hatte, und [...] es gab ein paar Sippen, die nichts anderes als Wegelagerer waren. Folglich mussten sich sesshafte Leute in gewissen Gegenden bewaffnen."[88] In seinen Leitlinien, fährt der Dalai Lama fort, indem er sagt: „Die Menschen haben auch einen großen Teil ihrer Freiheit verloren, so sehr, dass sie zu Sklaven der Maschinen wurden."[89]

Man könnte fast glauben, dass es das Rad war, welches diese Tibeter versklavt, die einst freie Träger im „glücklichsten der Länder" waren. Man könnte fast vergessen, dass es nicht eine Art von wahnsinniger Liebe oder unzumutbarer Leidenschaft ist, die Menschen an ihre Maschinen fesselt, sondern die Gesetze der Arbeit und des Profits, die der Dalai Lama nie verachtet. Noch hören wir ihn jemals nach weniger Arbeit und mehr Freizeit rufen, außer natürlich für die Mönche, die von jeglicher produktiven Aktivität ausgenommen sind und frei von allen Verpflichtungen, die sie von ihrer Meditation abhalten könnten.

            Lassen Sie uns zu einem seiner Texte zurückkehren, Ein menschlicher Ansatz für den Weltfrieden. Nachdem er feierlich bekräftigt hat (und warum sollte er überhaupt das Bedürfnis verspüren, dies zu tun?): „Ich bin überhaupt nicht gegen Wissenschaft und Technik", lässt sich der Dalai Lama immer wieder über ihre Nachteile aus. Durch sielaufen wir Gefahr, die Verbindung zu den Aspekten des menschlichen Wissens und des Verständnisses zu verlieren, die in Richtung Ehrlichkeit und Altruismus streben." „Wissenschaft und Technologie sind, obgleich sie unfassbaren materiellen Komfort schaffen können, nicht in der Lage, die uralten spirituellen und humanitären Werte zu ersetzen [...]." Sicherlich nicht, und es gibt zweifelsohne Millionen unter uns, die ohne die Lenkung von Werbeagenturen in der Lage wären, das Gleiche zu sagen. Aber er fügt hinzu: "Es gibt eine beispiellose Alphabetisierung, doch scheint diese universelle Bildung nicht Güte gefördert zu haben, sondern nur geistige Unruhe und Unzufriedenheit."

In seiner Geschichte vom guten Brahmanen, eine Fabel, die für den Dalai Lama geschrieben sein könnte, erzählt Voltaire von dem Treffen zwischen einem Reisenden und einem Hindu-Priester, der als Nachbar einer alten Frau lebt. Sie glaubte von ganzem Herzen an die sich wandelnden Formen des Gottes Vishnu, und, vorausgesetzt, sie konnte gelegentlich etwas Wasser vom Ganges haben, um sich damit zu waschen, wähnte sie sich selbst als die glücklichste aller Frauen." Der Brahmane gesteht: „Ich habe mir wohl hundertmal gesagt, ich wäre glücklich, könnte ich doch so dumm wie meine Nachbarin sein, und doch würde ich für mich keinen Teil dieser Art von Glück wünschen." Der Autor stellt dann seinen berühmten Aphorismus auf: „Ich würde nicht glücklich sein wollen, unter der Bedingung, unwissend zu sein" und kommt dann zu dem Schluss, Ich fand niemanden, der den Handel akzeptieren wollte, unwissend zu werden, um zufrieden zu sein."

Darf ich, in diesem Sinne, Voltaires Weisheit aus dem Jahre 1761 der des Dalai Lama, und das moderne Tibet und dem alten Tibet vorziehen?

 

 

 

 

VIII

 

Central Intelligence Agency (CIA) als Geldgeber[90]

 

 

            Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu sehen, dass die CIA hinter einem Spinnennetz von Tarnfirmen lauert.

            Im Frankreich der 1960er Jahre war der Kongress für kulturelle Freiheit eine internationale Bewegung von freien und unabhängigen" Intellektuellen, die sich zusammenschlossen, um den Stalinismus zu bekämpfen. Sie veröffentlichten auch zwei Zeitschriften. Raymond Aron, der Freund und geistige Gegner von Jean-Paul Sartre, war einer seiner genialsten und bekanntesten Anführer. In seinen Memoiren[91]erzählt er von seiner Verlegenheit bei der Entdeckung, dass der Verein teilweise mit amerikanischen Geldern finanziert wurde, die indirekt von der CIA stammten.

            Ein weiterer Arm der CIA ist als NED (National Endowment for Democracy) bekannt. In den 1980er Jahren finanzierte die Stiftung eine extrem rechte Studentenorganisation namens UNI, und heute ist es eine der CIA-Tarnorganisationen, die Reporter ohne Grenzen subventionieren, eine NRO aus Frankreich, die Speerspitze der Anti-China-Kampagne im April 2008, um den olympischen Fackellauf in Paris zu stören.[92]Der Dalai Lama wurde auch seit Jahrzehnten von der CIA und der NED unterstützt, die weitere Dutzende von Organisationen fördern mit der Aufgabe, China mittels der Tibetfrage zu unterminieren.

            Aber was ist die NED?

Die amerikanische Geheimdienst- und Subversionsfabrik kann nicht direkt Organisationen oder Programme fördern, die frei und national erscheinen müssen; sonst riskieren sie diskreditiert zu werden. Daher muss sie, wann immer möglich, durch Mittler wie die NED arbeiten.  Sie ist auch keine private Einrichtung, sondern eine Regierungsagentur. Ihre Mittel stammen aus dem US Department of State (Außenministerium), wie die CIA eine Abteilung der Exekutive, die für die Außenpolitik zuständig ist. Republikanische und Demokratische Kongressabgeordnete sind sich einig über die CIA-Aktivitäten. Die jeweilige Administration des Präsidenten entscheidet, die Senatoren (von beiden Seiten) geben ihre Stimme ab, und Unternehmen, die alles nach außen abschirmen, sammeln und verteilen das Geld: „Die National Endowment for Democracy [wurde] vor 15 Jahren erstellt, um öffentlich das zu tun, was die Central Intelligence Agency seit Jahrzehnten heimlich getan hat."[93]


 

            Im Jahr 1986 gab NED-Präsident Carl Gershman zu: „Es wäre schrecklich für demokratische Gruppen in aller Welt, als von der CIA subventioniert betrachtet zu werden. [...] Wir hatten nicht die Fähigkeit, dies zu tun, und deshalb wurde die Stiftung [die NED ] erstellt."[94]Und am 22. September 1991 bestätigte Allen Weinstein, der half, das Gesetz zur Gründung der NED im Jahr 1983 zu entwerfen, gegenüber der Washington Post: „Eine Menge, von dem, was wir heute tun, wurde vor 25 Jahren heimlich von der CIA getan."

            In Nicaragua, um die Wahlen im Februar 1990 zu beeinflussen, bei denen die sandinistische Partei besiegt wurde, setzten CIA und NED eine sogenannte bürgerliche Gesellschaft (Via Civica) als ihre Tarnorganisation ein. Für Venezuela vervierfachte die NED das Budgetin den Monaten vor dem Putsch vom April 2002 gegen Präsident Hugo Chavez. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war die NED in vielen osteuropäischen Ländern aktiv, die sich als fruchtbare Böden für Regierungen anboten, die Russland gegenüber feindlich und der NATO freundlich gesonnen waren.

An einem gewissen Punkt in ihrer Karriere konnten die meisten hochranigen CIA-Beamten mit der NED in Verbindung gebracht werden, entweder als Vorstandsmitglieder oder andere offizielle Vertreter. Ein solcher Mann ist John Negroponte, der später zum US-Botschafter im besetzten Irak ernannt und nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten, der zum ersten Director of National Intelligence wurde (in dieser Rolle war er verantwortlich für die Ernennung des CIA-Direktors).

            Die NED-Webseite[95] weist unter der Rubrik „Where We Work" drei Zusatzkategorien für China auf:: China (Hong Kong), China (Tibet) und China (Xinjiang).

            Selbst, wenn wir einmal die Geheimoperationen beiseite lassen (da wir definitionsgemäß nichts darüber wissen), engagiert sich die CIA in Tibet mittels der NED, die dabei nicht weniger als 16 facettenreiche Programme öffentlich fördert[96]: Bodkyi Translation and Research House (15.000 Dollar), Consultations Samdup (50.000 Dollar), Gu-Chu-Sum Movement of Tibet (43.675 Dollar), International Campaign for Tibet oder ICT (50.000 Dollar), International Tibet Support Network (45.000 Dollar), Khawa Karpo Tibet Culture Centre (25.000 Dollar), Students for a Free Tibet (22,506 Dollar), Tibet Museum (15.000 Dollar), Tibetan Centre for Human Rights and Democracy oder TCHRD (50.000 Dollar), Tibetan Institute for Performing Arts oder TIPA (15.000 Dollar), Tibetan Literacy Society (35.000 Dollar), Tibetan Parliamentary and Policy Research Centre oder TPPRC (15.000 Dollar), Tibetan Review Trust Society (25.000 Dollar), Tibetan Women's Association, Central (15.000 Dollar), Voice of Tibet (33.600 Dollar) und die Welfare Society Tibetan Chamber of Commerce (15.000 Dollar).

            Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

            Lassen Sie sich nicht von den Namen dieser Programme und Organisationen täuschen. Bei vielen Gelegenheiten hat die US-Propaganda ihre Fähigkeit, mit Ironie zu sprechen, bewiesen, indem sie die blutigsten Diktaturen als „Demokratien" bezeichnet und sich selbst als Verfechter der Freiheit gibt, während immer mehr Gefängnisse auf der ganzen Welt eröffnet werden, von Bagram (Afghanistan) über Abu Ghraib (Irak) bis nach Guantanamo (Kuba) die erstaunliche Anzahl von Gefängnissen innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten und ihre geheimen schwimmenden Gefängnisse lassen wir hier einmal unerwähnt. Laut einer Studie des International Centre for Prison Studies am King 's College London haben die Vereinigten Staaten mit 2,3 Millionen Personen hinter Gittern eine Inhaftierungsrate von 743 pro 100.000 Menschen ihrer nationalen Bevölkerung, damit die höchste in der Welt, noch vor Russland und Weißrussland.[97]

Aber um wieder aufs Thema Geld zurückzukommen: Seit seiner Flucht aus China hat der Dalai Lama still und leise Subventionen von der CIA erhalten.

Zwischen 1959 und 1972 wurden für ihn persönlich jedes Jahr 180.000 Dollar gezahlt, Eine Tatsache, die er lange leugnete. Abgesehen von ihren anderen Fehlern verfügen die Vereinigten Staaten jedoch über beneidenswerte Gesetze, die es erfordern, amtliche Dokumente nach einer gewissen Zeit freizugeben, die je nach Art der Dokumente variieren kann. Im Jahr 1998 spuckten einige Dokumente ihre Geheimnisse aus, und da konnte die „Regierung" des Dalai Lama nicht umhin zuzugeben, was nun öffentlich gemacht worden war, während sie sorgfältig die Behauptung widerlegten, Seine Heiligkeit habe „persönlich" von dem Geld profitiert wenngleich der Vertreter des Dalai Lama in Washington dabei blieb, dass er weder selbst von den Subventionen wusste, noch, wie das Geld ausgegeben wurde. Was die Beziehungen zwischen der CIA und dem Dalai Lama angeht, anerkannte er:

„Es ist ein offenes Geheimnis. Wir bestreiten das nicht."[98] Aha! Was für eine bewundernswerte Phrasierung: Wir geben es zu, weil es nun ohnehin jeder weiß!

            Der Dalai Lama erhielt auch 1,7 Millionen Dollar für die Durchführung seiner internationalen politischen Aktivitäten, der gleiche Betrag wurde später über die NED bezahlt.

In der Monatszeitung Le Monde diplomatique, schrieb Martine Bulard: „[...] Die CIA-Finanzierung der tibetischen Organisation ist nicht gerade eine Phantasie, die von chinesischen Kommunisten erdacht wurde: In den sechziger Jahren übergab die amerikanische Agentur offenbar 1,7 Millionen Dollar, und die Untersuchung der New York Times (‚Dalai Lama Group Says It Got Money from C.I.A. ', 2. Oktober 1998) erwähnt einen bescheidenen, aber bemerkenswerten jährlichen Zuschuss von 180.000 Dollar, direkt bezahlt an den religiösen Führer, der die Berichte bestritt."[99]


IX

 

Das Olympische Feuer

und zornige Pro-Tibet-Fanatiker

 

 

 

            „Um es in der Sprache der Revolution vom Mai 1968 zu sagen, müssen wir ‚für Chaos in Peking sorgen'. Das bedeutet, dass wir während der Olympischen Spiele wohl springen, rennen und schwimmen, aber gleichzeitig brauchen wir Bürger-Athleten, die orangefarbene Schals und Armbinden tragen werden, die Symbole der ukrainischen Revolution, um ihre Solidarität mit Tibet zu verkünden."[100]

 

            Reporter ohne Grenzen, eine Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Paris, behauptet, Journalisten und der Pressefreiheit auf der ganzen Welt zu verteidigen. Die meisten der sie gründenden Journalisten stiegen bald in der Folge von Meinungsverschiedenheiten aus, und so kam Reporter ohne Grenzen in den Händen von Robert Ménard. Nach dem er sein Studium der Philosophie abbrach, schmachtete er in der Honigindustrie und verkaufte dann Versicherungen von Tür zu Tür, bevor er der Versuchung der Medien nachgab.

            Laut der RWB-Webseite ist „Reporter ohne Grenzen in allen fünf Kontinenten vertreten über nationale Niederlassungen (in Österreich, Belgien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und der Schweiz), seine Büros in London, New York und Washington , und die mehr als 140 Korrespondenten in anderen Ländern", die auf lokale Vereine in rund 15 Ländern zurückgreifen.

RWB erfreut sich eines palastartigen Sitzes in Paris. Es verfügt über 23 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste und ein Budget von 3.780.870 Euro, von denen nur 22.000 Euro (weniger als 0,6 Prozent) durch zahlende Mitglieder beigesteuert werden. Der Rest sind verschiedene Zuschüsse und Subventionen von großen französischen Unternehmen, der französischen Regierung, der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, und RWB appelliert ständig an die Großzügigkeit der Leute. Ein Konzern-Sponsor ist Carrefour, eine große Fachmarktkette, deren Läden in ganz China sprießen. Ohne Angabe einer Zahl gibt RWB an, dass sie Finanzhilfen der Europäischen Kommission empfängt, die teilweise dafür gedacht sind, die Arbeit chinesisscher Anti-Regierungsblogger zu unterstützen.

            Die französische Öffentlichkeit glaubt, sie verteidige die Pressefreiheit durch den Kauf von Planern, Kalendern, Fotoalben, Abzeichen, Comics, Taschen, DVDs, T-Shirts und so weiter aus dem RWB-Shop. Diese Anhänger mögen jedoch nicht erkennen, dass Robert Ménard im Jahr vor der konzertierten Anstrengung, den olympischen Fackellauf in Paris zu stören, nach China von der chinesischen Regierung eingeladen wurde. Er wurde dort als Ehrengast empfangen, und ihm wurde Dinge gezeigt und gesagt, die – obwohl sie wahrscheinlich nicht überzeugend genug sind, um diesen ehemaligen Anarchisten, Trotzkisten, Sozialisten und Sarkozyisten auf die Seite der Kommunistischen Partei Chinas zu ziehen – zumindest seine gewöhnliche Tendenz untergraben haben können, alles nur in Schwarz oder Weiß zu sehen.

In einem Buch, das nach den Olympischen Spielen veröffentlicht wurde, behauptete er, dass während seines kurzen Aufenthalts in China seine Gastgeber eine Reihe von Zusagen machten: „Schließlich einigten wir uns auf einige schriftliche Vereinbarungen. Wir würden unsere Kampagne stoppen, und sie würden dafür die Dissidenten freilassen – beginnend mit Zhao Yan, einem Rechercheur der New York Times. Sie würden ihre [politischen] Gefangenen freilassen, ihre Internet-Kontrollen lockern, neue Arbeitsregeln für ausländische Korrespondenten erlassen und es Reportern ohne Grenzen ermöglichen, Gefängnisse zu besuchen, in denen Journalisten inhaftiert sind, und ein Büro in Peking zu eröffnen. Es war eine tolle Sache."[101] Tatsächlich war es ein Coup, der nicht erreicht worden war in jahrelangen kollektiven Bemühungen der globalen Diplomatie und auch nicht von irgendeinem internationalen Verband mit Interesse an der Förderung von Demokratie in China. Bei seiner Rückkehr nach Paris wurde Ménard dennoch enttäuscht und teilte mit: „Die chinesischen Medien haben unsere Vereinbarung unter Weglassen der Zusagen durch die Behörden veröffentlicht!"[102]

            Vergeblich habe ich versucht, den Text des Abkommens zu erhalten. Die chinesische Botschaft in Paris bestreitet seine Existenz, und RWB konnte mir keine Kopie verschaffen, stattdessen aber eine Pressemitteilung" vom 23. Januar 2007, die in Paris geschrieben wurde und in keiner Weise einem bilateralen Abkommen gleicht und auch nicht die spezifischen Punkte erwähnt, die Ménard in seinem Buch auflistet. In der Pressemitteilung drückt RWB nur seinen Wunsch, dass diese Spiele ein Erfolg und eine Gelegenheit für alle beteiligten Länder werden, an den humanistischen Werten der Olympischen Idee teilzuhaben", vergisst aber, seine eigene sechs Jahre währende Kampagne zu erwähnen, China als Austragungsort der Spiele zu verhindern.

            Am 13. Juni 2001 behauptete Tibet-Info, eine französische Pro-Dalai-Lama-Webseite, dass „für Ménard das Abhalten der Olympischen Spiele in Pekinggenauso monströs' sei wie 1936 in Nazi-Deutschland." Mit anderen Worten, zu jener Zeit engagierte sich RWB nicht für einen Boykott der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele, sondern gegen ein mögliches Stattfinden der Spiele in Peking an sich. Auf der gleichen Website heißt es weiter, RWB schickte sogar eine Pressemappe an die 123 Mitglieder des IOC mit dem Titel Au nom des droits de l'homme, non à la candidature de Pékin 2008, um eine Kandidatur Pekings zu blockieren, indem sie die Stadt als riskante Entscheidung" beschrieb, denn China „ist ein unterdrückerisches und instabiles Land."

Aus ganz eigenen Gründen ging RWB noch weiter als der Dalai Lama, der niemals öffentlich zu einem Boykott aufgerufen hatte, weder gegen die Spiele noch gegen die Eröffnungsfeier.

In Paris und anderswo trat Robert Ménard eine rasende Runde des Aktivismus los, und setzte alle Ressourcen seiner Organisation für ein Unterfangen ein: Frankreich dafür zu gewinnen, die Olympischen Spiele zu stören. Eine Welle fanatischer Verehrung für Tibet kam ihm zuhilfe, da die Mystik einiger weniger Kreditkarten-Hippies nur noch durch ihre Unwissenheit über das getoppt wurde, was das Leben in Tibet unter den Dalai Lamas bedeutete, und was es wohl wieder sein würde, wenn sie ihren Kampf gewonnen hätten. Trunken von Folklore und antichinesischer Stimmung, begannen mehrere hundert Unruhestifter in Paris ihr Werk im April 2008, galvanisiert durch feste Überzeugungen, dass sie niemals auch nur daran gedacht hatten, damit Querverweise auf andere widersprüchliche Werke von Schriftstellern und Journalisten (ein paar haben erzählt, was sie wissen), Berichte von Parlamentariern oder die Arbeit von Historikern, Soziologen, Anthropologen und sogar Buddhologen zu liefern.

In Paris schätzte das störende Element in jenem April besonders die Komplizenschaft von Bürgermeister Bertrand Delanoë, der ein Banner am Rathaus aufhängen ließ, das eine sorgfältig formulierte Botschaft trug: „Paris verteidigt die Menschenrechte auf der ganzen Welt." Ein paar Tage später machte er den Dalai Lama zum „Ehrenbürger" der Stadt Paris. Offizielle Vertreter der Grünen Partei hissten die tibetische Flagge, zusammen mit einem Stoffquadrat, das die olympischen Ringe durch Handschellen ersetzt zeigte. Robert Ménard und ein paar Bergsteiger hingen die gleiche schwarze Fahne auf die Kathedrale Notre Dame und anderswo, was sich hervorragend für das Fernsehen eignete. Kommerziell zog RWB eine Verkaufsaktion von Anti-China-T-Shirts ab, die letztlich eine Million Euro einbrachte, wie die Organisation ausposaunte.

Schließlich begann die olympische Fackel Paris zu durchqueren, in den Händen von streng gemanagten Athleten. Als die Reihe an der gelähmten jungen chinesischen Athletin Jin Jing war, die Fackel in ihrem Rollstuhl zu tragen, warfen sich wirre Demonstranten auf sie, um sie ihr zu entreißen. Trotz aller Hektik verteidigte sie siegreich die Fackel, und Fernsehbilder der Szene gingen um die Welt. Chinesische TV-Sender spielten die Bilder wieder und wieder ab, und entsetzte chinesische Beamte in Paris beschlossen darauf, den Lauf zu unterbrechen.

            In Frankreich ist es unmöglich, die Bedeutung des chinesischen Wortes mianzi, das „Gesicht" oder soziale Identität" bedeutet, zu begreifen. Der Verlust von mianzi bedeutet, das Gesicht zu verlieren oder das Erleiden eines Affronts. So nahmen die Chinesen die Vorfälle rund um die Olympische Fackel in Paris wahr.

            Sicher im Sattel nach diesem Erfolg, erhöhte RWB den Druck auf den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele zu boykottieren und Frankreich als offiziell abwesend hervorzuheben. Die NRO führte eine Umfrage, mit dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Franzosen jetzt den Boykott unterstützte. Präsident Sarkozy schwankte, verschob seine Entscheidung und hörte auf inoffizielles Gemurmel von den Chinesen: „Er kann kommen, wenn er will, aber er wird nicht willkommen sein." Am Ende hob er am 8 August zu einer schnellen Rundreise ab: 20 Stunden Flugzeit für zehn Stunden am Ort des Geschehens, nicht einmal eine Nacht. Die französische Presse scherzte: „Sprint des schnellen Sarko nach Peking."[103]

            Während der Parade der Nationen, applaudierte die begeisterte Menge allen – außer Frankreich, das ausgebuht wurde.

            Ein paar Tage später flog der ehemalige Premierminister Jean-Pierre Raffarin nach Peking, um eine delikate Situation zu erleben, in der die Chinas öffentliche Meinung, die Frankreich traditionell wohlgesonnen ist, seit General de Gaulle seine Unterstützung für die Aufnahme von Festlandschina (anstelle von Formosa) in die Vereinten Nationen erklärte, sich plötzlich feindselig zeigte. Die Französische Botschaft in Peking riet französischen Staatsangehörigen dazu, Diskretion und Umsicht zu üben, während sich Demonstranten vor Läden mit französischen Namen versammelten.

Christian Poncelet, der damalige Präsident des französischen Senats und damit der zweite hochrangige Staatsbeamte, wurde ebenfalls nach Peking geschickt, wobei beruhigende Worte und einen Brief der Sympathie von Präsident Sarkozy im Gepäck hatte. Er kümmerte sich darum, Jin Jing zu besuchen, die Athletin, die in Paris angegriffen worden war.

            Wenige Monate später, im Dezember 2008, traf Nicolas Sarkozy „als der EU-Präsident" den Dalai Lama im polnischen Danzig.[104]

            Frankreich erkennt einen unabhängigen Staat Tibet nicht mehr als irgendein anderes Land der Welt an. Seine Politiker verausgaben sich bei diesem Hin und Her, das enden würde, wenn sie korrekt über die Pläne des Dalai Lama informiert wären, und wie er seine weltliche Macht derzeit nutzt und später anwenden würde. In der Tat sollten sie sich von diesen Plänen distanzieren, wenn sie ihr Image als demokratischer Vertreter, die an unsere Verfassung glauben, zu schützen hoffen. Wie auch die französische Bevölkerung, die längst unter Beweis gestellt hat, dass sie der Trennung von Kirche und Staat zustimmt. Wenn sie die Wahrheit wüsste, würde sie zweifellos ihre Unterstützung für jede Art von Manöver entziehen, dessen Ziel ist es, einen Gottesstaat wiederherzustellen. Ohne Zweifel wären sie dann auch schockiert gewesen, dass der Westen den Dalai Lama finanziert, ohne dass dafür irgendwelche soziale Verbesserungen für die Tibeter trotz der gravierenden Mängel der Region erforderlich werden. Dann würde wiederum das Eingestehen des Bedarfs an solchen Verbesserungen in Tibet uns dazu zwingen, das auch in unserem eigenen Hinterhof zu erkennen.

            Wenn sie die Wahrheit wüssten, würden die Franzosen auch die Stirn runzeln angesichts des kontraproduktiven Gestikulierens, das keine konkreten Fortschritte produziert und selektiv mit dem Finger auf nur eines unter den 150 oder mehr Ländern zeigt, deren politisches System wir nicht in Frankreich wollen. Kurioserweise wird dieselbe Gehässigkeit nie auf eine Supermacht gerichtet, die regelmäßig Terror, Folter, Zerstörung und Massaker in Regionen weit außerhalb ihrer Landesgrenzen bringt,innerhalb derer politische Macht reibungslos hin und her gereicht wird dank einer riesigen, gleichgültigen Masse von Politikverdrossenen und den kolossalen Summen, die von jemandem aufgebracht werden müssen in der Hoffnung, für die Wahl zu kandidieren. All dies fügt sich zusammen zu einer demokratischen Soße, die des Landes wahres Credo schützt, das da lautet Geschäft ist Geschäft.


 

 

 

X

 

Die NRO und die CIA-Dollars

 

 

            Reporter ohne Grenzen hat Proteste gegen China organisiert auf der Grundlage eines Vorurteils, das dauerhaft auf ihrer Webseite erscheint. Zum Beispiel listet die Seite die asiatischen Länder auf, die offiziell von den internationalen Organisationen anerkannt sind, und fügt Tibet auf eigene Initiative hinzu. Dies ist die Art, wie RWB der chinesischen Region formal eine Unabhängigkeit gewährt, die die UNO nicht anerkennt und von der Dalai Lama selbst schlauerweise nicht zu tun haben will.

War es das Ziel der RWB im Jahr 2008, mehr Freiheit in Tibet zu fördern? Wenn ja, würde jeder sicherlich mit ihren Zielen einverstanden sein, wenn auch nicht unbedingt mit ihren Methoden. Hat sie die tibetischen Medien verteidigt? Eigentlich zeigt eine Untersuchung der Aktivitäten und Stellungnahmen der Organisation, dass die RWB an den langjährigen, internationalen politischen Bemühungen beteiligt ist, Tibet von China zu trennen.

Im Jahr 2001 schlossen sich Mitglieder der NRO mit AktivistInnen von France-Tibet zusammen, einer Organisation, die sich für die Unabhängigkeit Tibets einsetzt, um den chinesischen Präsidenten Hu Jintao in die Zange zu nehmen, als er gerade das French Institute for International Relations (Ifri) verließ. Auf der Webseite von France-Tibet stand am 5. November 2001: „Unsere Gruppe bestand aus sechs Mitgliedern von Reporter ohne Grenzen, darunter Generalsekretär Robert Ménard, und drei France-Tibet-Aktivisten. [...]Während sie tibetische Fahnen schwangen und alle skandierten ‚Demokratie in China! Freiheit für Tibet! ', warfen unsere Freunde von RWB Flugblätter in Richtung der Delegation, auf denen die Freilassung des Tibeters Ngawang Choephel und anderer politischer Gefangener gefordert wurde."

            Seit vielen Jahren hat RWB einen viel spitzeren Ansatz verfolgt als die anderen NROs, die tatsächlich für die Überwachung dieser spezifischen Themen verantwortlich sind, wie zum Beispiel Amnesty International. Am 25. März 2008 erklärte die Koordinatorin für China von Amnesty Frankreich, ihre Organisation sei „gegen irgendwelche Boykotte, einschließlich der Eröffnungsfeier, durch Politiker."

Obwohl der Dalai Lama dasselbe sagte, griff RWB an, getrieben von einer heiligen Mission, die seine Sponsoren jenseits des Atlantik begeisterte.Am 3. April 2008 verkündete Tibet-Info: „Wann immer die Fackel durch eine Stadt wandert, werden wir da sein und sagen: ‚Vergessen Sie nicht die Realität in Tibet, vergessen Sie nicht die Realität in China', sagte Ménard."Wieder werden China und Tibet als zwei Länder beschrieben.

Am 6. April 2008 stand auf der RWB-Webseite: „Reporter ohne Grenzen ruft alle Pariser Bürger auf, sich an der Basis des Eiffelturms ab mittags zu versammeln, T-Shirts mit der Darstellung der Olympischen Ringe als Handschellen oder schwarze Kleider zu tragen, um für Menschenrechte in China und in Tibet zu demonstrieren."

            In China UND in Tibet! Dieser Appell stellt deutlich fest, dass es sich um zwei verschiedene Länder handelt und beweist, dasseine Organisation, deren erklärtes Ziel es ist, Journalisten zu verteidigen, sich nun auf einem allgemeinen Kreuzzug für „Menschenrechte" befindet, und insbesondere, um die Grenzen eines asiatischen Landes neu zu definieren, beides Rollen, die in der Regel an andere Körperschaften vergeben werden.

George W. Bush zum Beispiel ist selbst so ein Experte für Menschenrechte, wie er in Afghanistan und im Irak demonstriert. Das mag der Grund sein, warum ihm RWB am 8. April 2008 einen höflichen Brief schrieb, um ihn zu bitten, nicht an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking teilzunehmen. Danach, auch in seinem im Oktober 2008 veröffentlichten Buch, vermied Robert Ménard jede weitere Prüfung des amerikanischen Präsidenten.

            Am 25. Juni 2008 forderte RWB das Internationale Olympische Komitee auf, von China eine Entschuldigung zu verlangen für Aussagen, die chinesische Offizielle in Lhasa machten, von denen einer mit den Worten zitiert wurde: „Die Verschwörungen der Dalai-Clique und feindlicher ausländischer Kräfte, die darauf abzielen, die Olympischen Spiele in Peking zu ruinieren, sollten wir entschlossen zerschmettern."[105] Wieder einmal bewegte sich Ménard hier auf extrem rutschigem Untergrund, indem er seine primäre Mission vergaß und als Botschafter für die Verteidigung des Dalai Lama in Europa fungierte.

            Die Eröffnungsfeier ging glatt weiter für die Organisatoren und internationalen Athleten (mit Ausnahme des französischen Teams), und sie beeindruckte die Welt mit ihrer ganzen Pracht. RWB beobachtete die Fortschritte verbittert. Obwohl das chinesische Volk eine komplette Veränderung ihres Gefühls für Frankreich erlebt hatte, rollten in den chinesischen Behörden keine Köpfe. Vielleicht war es an der Zeit für die RWB, die französische Regierung weiter anzustacheln? Hier ist, was Ménard damals schrieb: „Nicolas Sarkozy wurde auf der Tribüneam 8. August in Peking neben einer Reihe von großen demokratischen Figuren platziert: die Präsidenten von Vietnam, Pakistan und Russland ... und auch George Bush."[106] Ménard erwähnte Bush nur am Ende, scheinbar widerwillig, gleich einer geforderten Buße; weder er noch RWB hatten etwas in dieser Hinsicht hinzuzufügen. Andere waren nicht so glücklich, und Reuters betitelte am 4. August 2008 eine Geschichte mit dem Titel „Robert Ménard ist sehr wütend":

            „Indem er China mit Samthandschuhen anfasst, wird Nicolas Sarkozy zum Teil einer ‚Koalition der Feiglinge', zu der auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, gehört", erklärte der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen."

Beachten Sie, dass diese ‚Koalition der Feiglinge' zwar den französischen Präsidenten beinhaltet (von dem Ménard behauptet, ihn bei den Präsidentschaftswahlen gewählt zu haben), nicht aber den damaligen Bewohner des Weißen Hauses, der Henker vom Irak (wo mehr als 200 Journalisten und Angehörige ähnlicher Berufsgruppen umkamen) und von Afghanistan und zugleich Betreuer der Folterknechte von Guantanamo.

            In seinem Buch klagt der Aktivist: „Wenn man ‚Robert Ménard + CIA' in Google eintippt, erzeugt die Suchmaschine ... 114.000 Zugriffe."[107]Obwohl die Zahl niedriger war, als ich es nachprüfte, ist sie immer noch sehr hoch.

Mal sehen, warum.

            Ich habe schon erwähnt, dass die National Endowment for Democracy (NED) den Dalai Lama subventioniert; sie unterstützt auch Reporter ohne Grenzen, die sogar mit Mitteln aus der Taiwan Foundation for Democracy ausgestattet wurde. Am 28. Januar 2007, während er noch Generalsekretär der RWB war, besuchte Robert Ménard Taiwan, um von Präsident Chen Shui-bian selbst einen Scheck über 100.000 Dollar entgegenzunehmen, im Namen dieser Stiftung, deren Aktivitäten auf China gerichtet sind.

            Als ich mein Buch über die RWB[108]schrieb, forderte ich Robert Ménard auf, mir eine Kopie des Vertrages zwischen seiner Organisation und der NED zuzusenden. Ich habe sie nie erhalten. Dennoch gelang es mir, ein Dokument auf einer Webseite der Regierung der Vereinigten Staaten zu lesen, worin die NED erklärt, welche Verpflichtungen ihre NRO-Begünstigten akzeptieren müssen. NROs müssen spezifische Ziele angeben, die sie in dem Land, wo ihr Projekt angesiedelt ist, zu erreichen versuchen. Das könnte zum Beispiel sein, Führungsqualitäten unter AktivistInnen zu entwickeln oder eine Verbesserung der organisatorischen Fähigkeiten von örtlichen Vereinen. Sie müssen einen konkreten Beweis erbringen für die Veränderungen oder Ergebnisse, die sie erzielt haben: Wahlergebnisse, staatliche Gesetze, Gerichtsprotokolle, legislative oder juristische Dokumente, Medienberichte und so weiter. Diese Verpflichtungen erklären die RWB-Politik gegenüber bestimmten Ländern.

Die NED führt allerdings weiter aus, dass finanzierte NROs in keinerlei Aktivitäten verwickelt sein dürfen, die die öffentliche Ordnung der Vereinigten Staaten beeinflussen. Dieses Verbot hat es fast unmöglich für die RWB gemacht, die Ermordung von Journalisten in Jugoslawien und später im Irak und in Afghanistan, als die amerikanische Armee beteiligt war, zu verurteilen oder dem ein Ende zu machen. Ebenso konnte RWB Bushs Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nicht verurteilen, obwohl es solche Bedenken nicht gegenüber anderen Staatsoberhäuptern zeigte.

            Wenn wir schließlich davon ausgehen, dass die Vereinigten Staaten, besorgt über den Aufstieg einer Großmacht und begierig, der Kapitän einer unipolaren Welt zu bleiben, die separatistische Dalai-Lama-Bewegung als ein Mittel finanzieren, um China zu schwächen oder sogar einen Fuß (und militärische Basen) auf das „Dach der Welt" zu setzen, dann ist es keine Überraschung zu sehen, dass RWB fieberhaft für das gleiche Ziel arbeitet.

            Am Freitag, den 26 September 2008, überraschte Robert Ménard die Welt mit der Ankündigung, er da würde RWB am nächsten Dienstag verlassen, weil er „etwas anderes tun wollte." Offenbar auf der Suche danach, ließ er seine Räder für eine Weile laufen, erwog öffentlich verschiedene Möglichkeiten und ging schließlich mit seinen Dienstleistungen in Katar hausieren, eine frauenfeindliche, polygamistische arabische Diktatur, in denen ausländische Arbeitskräfte wie die Leibeigenen in Tibet unter den Dalai Lamas behandelt werden (die UN-Sonderberichterstatterin über Menschenhandel, insbesondere mit Frauen und Kindern, hat ihre Besorgnis über die Gastarbeiter ausgedrückt, die Opfer von „Menschenhandel" werden an einem Ort, an dem Auspeitschen eine legale Bestrafung ist, die Todesstrafe praktiziert wird, der Presse nicht gestattet wird, die an der Macht befindliche königliche Familie zu kritisieren, und wo die Gesetze nicht von gewählten Volksvertretern, sondern von der Scharia gemacht werden).

Dieser Tage belehrt Ménard andere in einem privaten Fernsehsender, wo er einem Artikel in einer großen französischen Wochenzeitung zufolge Menschenrechte „verspottet" und „jeden Morgen in seiner Show seine Gäste demütigt und beleidigt."[109]


 

 

 

XI

 

Das Programm der Regierung des Dalai Lama

 

 

            „Wir haben vor kurzem Veränderungen in Angriff genommen, was unsere Verwaltung im Exil weiter demokratisieren und stärken wird."[110]

 

            Wie kann der Dalai Lama die internationale Meinung auf seine Seite bringen, während der Zweig des Buddhismus, den er vertritt, an eine diktatorische Verfassung gebunden bleibt? Diese Aufgabe ist so völlig unmöglich, dass Seine Heiligkeit seine Aussagen großzügig mit dem Wort „Demokratie" bepinseln und Reden halten muss, die seinen Wunsch ausdrücken, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Leider erscheint es für diejenigen, die seine Texte studieren und verfolgen, wie er seine Gegner (Shugden) behandelt, ziemlich klar, dass seine alten Dämonen immer noch da sind und nur auf bessere Tage warten.

            In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg am 24. Oktober 2001 erklärte der Dalai Lama Demokratie: „Dieses Jahr haben wir einen weiteren großen Schritt im Prozess der Demokratisierung gemacht, indem der Vorsitzende des tibetischen Kabinetts vom Volk gewählt wurde." Doch er fügte auch hinzu, dass das gewählte Parlament und seine Abgeordneten sich auf „die tibetische Staatsführung" beschränken würden, da er selbst noch die Hauptrolle spiele: „Aber ich sehe es als meine moralische Verpflichtung den sechs Millionen Tibetern gegenüber, weiterhin die Tibet-Frage mit der chinesischen Führung aufzunehmen und als freier Sprecher des tibetischen Volkes zu handeln bis eine Lösung erreicht ist."

Für Leser, die skeptisch bleiben, sind hier einige Auszüge aus der Charta (ein Programm, gleichbedeutend mit einer Verfassung), die die Regierung des Dalai Lama in Dharamsala aufgestellt hat. Ich sollte angeben, dass der Inhalt dieses Dokuments so inakzeptabel ist und eine so negative Auswirkung hatte, dass Befürworter des Dalai Lama nun behaupten, es gelte nur für die Zeit des Exils und werde nicht in Tibet angewendet werden. Seltsamerweise ist es von Pro-Dalai-Lama-Webseiten verschwunden.

            Artikel 3 definiert die „Natur des tibetischen Gemeinwesens" und erklärt: „Das zukünftige tibetische Gemeinwesen soll das Prinzip der Gewaltlosigkeit wahren und sich bemühen, ein freier sozialer Wohlfahrtsstaat zu sein, der sich am Dharma orientiert."

Mit anderen Worten: Der Dharma ein religiöses Gesetz – wird über dem Zivilrecht stehen, was in Frankreich sicherlich zu einem Aufschrei führen würde.

Artikel 36 der Charta diskutiert die Quelle der Exekutivgewalt: „Alle gesetzgeberische Kompetenz und Autoritätsoll beim tibetischen Parlament liegen, und solche Gesetzgebung bedarf der Zustimmung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, um ein Gesetz zu werden." Also hat das Parlament alle Macht ... solange Seine Heiligkeit zustimmt! Artikel 19 über exekutive Gewalt zeugt von diesem Stand der Dinge:Die Exekutivgewalt der tibetischen Verwaltung soll Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama übertragen und von ihm ausgeübt werden, entweder direkt oder durch ihm unterstellte Regierungsbeamte, in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Charta. Insbesondere ist Seine Heiligkeit der Dalai Lama befugt, die folgenden Exekutivbefugnisse als Chief Executive des tibetischen Volkes auszuführen:

(a) vom tibetischen Parlament vorgelegte Gesetzesentwürfe und Verordnungen genehmigen und veröffentlichen;
(b) Gesetze und Verordnungen erlassen, die Gesetzeskraft haben;
(c) Auszeichnungen und Verdiensturkunden verleihen;
(d) das tibetische Parlament einberufen, vertagen, verschieben und verlängern;
(e) Botschaften und Ansprachen an das tibetische Parlament richten, falls nötig;
(f) das tibetische Parlament auflösen oder aussetzen;
(g) die Kashag [Regierung] auflösen oder einen Kalon oder Kalons [Minister] entlassen;
(h) Notfall- und Sondersitzungen von größerer Bedeutung einberufen
(j) Volksentscheide in Fällen autorisieren, in denen es um wichtige Fragen im Einklang mit dieser Charta geht."

            Eines ist klar: der Dalai Lama ist weder der Kopf noch ein Teilnehmer der „demokratischen" Regierung, sondern stattdessen über der gemeinen Sphäre derSterblichen und Institutionen, ein selbsterklärter Sprecher, lebender Gott und höchster Lotse.

Die Charta endet sogar mit einem besonderen Beschluss", der im Jahr 1991 genehmigt wurde. Auszugsweise liest sich das wie folgt: „Seine Heiligkeit der Dalai Lama, der oberste Führer des tibetischen Volkes, hat dem tibetischen Volk die Ideale der Demokratie gegeben, auch wenn er nicht die Notwendigkeit solcher Ideale empfand. Alle Tibeter in Tibet und im Exil sind und bleiben Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama sehr dankbar, und wir erneuern unsere Verpflichtung, unseren Glauben und Loyalität auf seine Heiligkeit den Dalai Lama zu setzen, und inbrünstig zu beten, dass er immer bei uns bleibt als unser oberstes geistliches und weltliches Oberhaupt."


 

 

 

XII

 

Lang lebe die säkulare Demokratie,
jetzt und immerdar!

 

 

„Das gesellschaftliche Leben in diesem riesigen und trockenen Land [...] ähnelt unserem eigenen im Mittelalter. Die Souveränität des Klerus ist hier fest etabliert. Der absolute Monarch des Landes ist auch sein höchster religiöser Führer, ein Pontifex, den man als übermenschlich betrachtet."[111]

 

 

Wenn es einen starken Wert gibt, der die Franzosen aneinander bindet, ist es Säkularismus: die Trennung von Kirche und Staat. Das Gesetz vom 9. Dezember 1905 schützt diesen Wert mit seinen Prinzipien der gegenseitigen Nichteinmischung: Religionen dürfen keinerlei Einfluss auf Politik haben und umgekehrt. Ein säkularer Staat garantiert Religions- und Glaubensfreiheit, und macht alle religiösen Überzeugungen gleich.

Hier in Frankreich, wäre es unmöglich gewesen, das Prinzip des Säkularismus ein neues Konzept, das es der zivilen und religiösen Macht ermöglicht zu koexistieren – ohne Anfechtung der empörenden Vorrechte umzusetzen, die die Kirche während ihrer vergangenen Allmacht anhäufen konnte, die zeitweise das Niveau eines politischen und ideologischen Totalitarismus erreichte (mit Auto-da-fés, schwarzen Listen, Inquisition, auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, das Massaker der Bartholomäusnacht und so weiter). Mit anderen Worten  löschte die Geburt des Säkularismus bestimmte religiöse Privilegien aus durch einen Kampf, der von der Französischen Republik als Ausweiten der Freiheiten angesehen wurde, aber von der Kirche als Verfolgung.

            Unser Land respektiert alle Religionen und alle Gläubigen. Es ist nicht atheistisch das Gesetz schützt Gläubige gegen jede Art von Diskriminierungund doch hat säkulares Recht Vorrang vor religiösen Werten. Die französische Verfassung könnte niemals zugunsten anderer "heiligen" Texte beiseite gestellt werden.

Heute, ein Jahrhundert, nach dem das Gesetz im Jahre 1905 verabschiedet wurde, ist es ungewöhnlich, dass jemand in Frankreich die Wiederherstellung der alten Privilegien der katholischen Religion empfiehlt. Fast einstimmig glauben die Menschen hier, dass die Kirche sich aus Politik, Justiz und Gesetzgebung heraushalten sollte. Keine Religion hat mehr die Macht, sich in staatliche Angelegenheiten einzumischen, die Regierung zu kontrollieren oder jedwede politische Funktion auszuüben.

Dennoch hat eine (sehr) kleine Minderheit Frankreichs eine etwas irrationale Denkweise angenommen: Sie schätzen Säkularismus zu Hause, aber träumen immer noch von der Gründung eines fernen Staates, der das Prinzip abschaffen würde, bevor es das Land zerreißt; etwas, was sie nie in Frankreich erleben wollten (unsere Separatisten im Gefängnis werden sicher verstehen, was ich meine).

Das Prinzip des Säkularismus kann nicht auf ein Land angewendet werden, wo laut seiner Religion ein einzelner Mann sowohl mit spiritueller und weltlicher Macht ausgestattet ist dank des göttlichen Privilegs, das sich aus seiner wundersamen Geburt ergibt.

Mit anderen Worten, es ist nicht genug für den alternden Dalai Lama, jetzt, da er im Kampf geschlagen wurde, Tibet zu führen, sich in diesem späten Stadium aus Dharamsala zu Wort zu melden und zu bitten, wieder als „einfacher Mönch" zurückzukehren, unter Verzicht auf all seine Macht (wenn auch nicht ganz, da er beabsichtigt, ein „moralischer und religiöser Führer" zu bleiben). Die Behauptung des Dalai Lama, er wünsche sich ein „freies, modernes, säkulares und demokratisches Tibet, das die Verfassung von China respektiert" bewirkt nichts gutes, wenn er zur gleichen Zeit eine theokratische Regierung im Exil organisiert, die über ein Ministerium für Religion und Kultur verfügt, einen Rat für religiöse Angelegenheiten und ein Parlament mit 43 Abgeordneten, darunter zwei, die alle vier buddhistischen Schulen vertreten, und zwei, die die vor-buddhistische Religion repräsentieren.

            Die offizielle Übersetzung der Guidelines for Future Tibet's Polity and Basic Features of Its Constitution, die Seine Heiligkeit am 26. Februar 1992 herausgab, gibt bekannt:Da Bildung der Schlüssel für die Entwicklung von guten Menschen ist [...], wird besondere Sorgfalt darauf gelegt werden, eine solide Bildungspolitik zu formulieren [‚solide' könnte für manche auch ‚gerecht' oder ‚sensibel' bedeuten]. Jegliche Unterstützung wird Schulen, Universitäten, Instituten für Wissenschaft, Technologie und anderen professionellen Ausbildungen gewährt werden."

            Was für eine Bildung wird das sein? Wer wird sie verbreiten, in Einrichtungen, die unter der absoluten Autorität der Dalai Lamas nie existieren und erst blühen konnten, nachdem der derzeitige Dalai Lama nach Indien geflohen war? Die Art und Weise, wie Schulen in der tibetischen Gemeinschaft im Exil organisiert sind, mit obligatorischem Gebet und Porträts des Dalai Lama in jedem Klassenzimmer, lässt erschreckend einen großen Schritt rückwärts für das Bildungswesen in Tibet vermuten.


            Die Widersprüche des Dalai Lama und seine konstanten Verkehrungen von einem Tag auf den anderen zerstören seine Glaubwürdigkeit. Wenn er hofft, dass man ihm glaubt, muss er stärkere Verpflichtungen eingehen, diese vertraglich abschließen und seine „Regierung" auflösen, eine Organisation, in der die Hälfte (3 von 6) seines Kabinetts Familienmitglieder sind und andere Verwandte Positionen auf verschiedenen Ebenen im Parlament und anderen Stellen innehaben, die für auswärtige Angelegenheiten zuständig sind. Ohne Zweifel muss das versteinerte Dogma derKonfession des Dalai Lama für das 21. Jahrhundert aktualisiert und modernisiert werden; er muss versprechen, sich nicht in die öffentliche Bildung einzumischen; und ein kritischer Blick muss auf das Tibet unter den 13 vorherigen Dalai Lamas geworfen werden, und unter dem aktuellen. Er muss die Informationen und die Fortschritte akzeptieren, die unauslöschlich die modernen Gesellschaften der Welt hervorheben, in der die Macht (zumindest theoretisch) vom Volke und nicht von einer Gottheit ausgeht. Er muss alles ablehnen, das kulturelle, wirtschaftliche, politische oder soziale Stagnation auslösen könnte. Er muss zugeben, öffentlich und ohne Vorbehalte, dass Bildung von Vorteil ist. Und nach so vielen Jahren im Exil und in Berührung mit anderen Welten, ist es da nicht endlich an der Zeit, eine säkulare Charta zu entwerfen, die keinen Versuch unternimmt, sich von Chinas 55 anderen ethnischen Gruppen auszunehmen, und garantiert, dass es keine Rückkehr zu grenzenloser Macht für einen religiösen Bruchteil der Gesellschaft gibt? Ist es nicht an der Zeit, sich zugunsten gemischter Ehen (zwischen Tibetern und anderen ethnischen Gruppen) zu äußern und die Existenz anderer Religionen zu akzeptieren, oder das Recht, keine auszuüben?

            Einige der jüngsten Äußerungen des Dalai Lama haben diejenigen destabilisiert, die ihn einmal als einen Ozean der Weisheit sahen. Obwohl der Dalai Lama behauptet, für Kondome und Verhütungsmittel zu sein; als die wöchentliche Publikation Le Point ihn am 23. März 2001 zu Homosexualität befragte, antwortete er:

Das ist ein Teil dessen, was wir Buddhisten als ‚unpassendes sexuelles Verhalten' bezeichnen. Die Geschlechtsorgane wurden für die Fortpflanzung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Element geschaffen, und alles, was von dieser Nutzung abweicht, ist inakzeptabel aus buddhistischer Sicht [an den Fingern aufzählend]: zwischen einem Mann und einem Mann, einer Frau und einer anderen Frau, im Mund, dem Anus oder sogar mit der Hand [die Geste der Masturbation imitierend]." Als diese Aussage eine hitzige Reaktion auslöste, bat er seine Sprecher, das durch eine Erläuterung klarzustellen, dass der Buddhismus nicht homophob ist.

            Obwohl der Mann sicherlich das Recht hat, seine Meinung zu ändern und seine Forderungen und Verordnungen im Laufe der Jahrzehnte, Jahre oder sogar Tage, neu zu definieren, ist die schiere Menge an widersprüchlichen Reden überraschend und alarmierend.

Die Realität ist, dass er, auch wenn er jetzt behauptet, zu akzeptieren, was er bis vor kurzem ablehnte, lieber einen Aufstand anzettelt und dann weiter ein halbes Jahrhundert anti-chinesische Guerilla-Diplomatie auf der ganzen Welt durchführt, immer noch eine tibetische Regierungim Exil"  aus Indien betreibt, Dokumente und Reden produziert, die seine vergangenen Forderungen reflektieren, und sich weigert, eine Bilanz der Vergangenheit zu ziehen.Er hat wiederholt seine Bedenken über den Nutzen von Bildung kundgetan und ist dazwischen gegangen, um diejenigen aus der tibetischen Gemeinschaft im Exil auszuschließen, die er für Ketzer, Kriminelle oder Handlanger der chinesischen Teufel hält. Schließlich beschreibt er seinen Vorschlag für die Unabhängigkeit als „Mittelweg" und hat eine Charta der Tibeter im Exil" entwickelt, die so völlig versäumt, seinen theokratischen Kern zu verbergen, dass er angeben muss, diese gilt nur für sein „Königreich" in Dharamsala, und nicht für Tibet.

            Er hat seine Freunde dazu gebracht, darauf zu bestehen, dass „der Dalai Lama nicht den fragwürdigen Ehrgeiz der Wiederherstellung eines alten und überholten Regimes hat."[112]Aber welche alte und überholte Sitten und Gepflogenheiten meint er damit genau? Er hat sie nie im Detail beschrieben. Ist das Regime, dass er plant nicht wiederzuherstellen, einfach zu alt? Ist das der einzige Fehler? Offensichtlich hat er sich noch nicht entschieden, zu bereuen und den Weg Tibets unter den anderen Dalai Lamas anzuprangern. Sein Schweigen in dieser Hinsicht ist ohrenbetäubend, und lässt die Tür für Fanatiker und Zerstörer der Freiheit weit offen.

            „Während wir unsere Gemeinschaft im Exil nach modernen Leitlinien entwickeln, hegen und bewahren wir auch unsere eigene Identität und Kultur und geben damit Millionen unserer Landsleute und -frauen in Tibet Hoffnung."[113]

Sollen wir das so verstehen, dass diese modernen Leitlinien mit der hypothetischen Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet aufgegeben werden? Ermöglicht die Bewahrung der Identität Mischehen mit anderen chinesischen ethnischen Gruppen und Ausländern, oder beinhaltet es das Credoder „reinen Rasse"? Sind vergangene soziale und politische Sitten Teil der Kultur, die bewahrt wird?

Würde der Dalai Lama nach Lhasa zurückkehren, wäre das, als ob der alte Märchenwolf den Schafstall des 21. Jahrhunderts betritt, mit dem impliziten Versprechen, alles rückgängig zu machen, was seit 1959 bewerkstelligt wurde. Dies bedeutet nicht eine Rückkehr zum alten feudalen Staat, was kein einziger Tibeter heute wollen würde, sondern eine Gelegenheit, in seinem riesigen Potala-Palast zu sitzen und nach inländischen Streitkräften und Hilfe aus dem Ausland zu rufen, um seine weltliche Herrschaft über eine große Region wiederherzustellen, gemeinsam mit bestimmten Privilegien und alten Vorurteilen, die mit dem Buddhismus einhergehen. Ich glaube, das ist es, was passieren würde. Es würde zu einer globalen Krise führen, zu gewaltsamen Unruhen, die China geschwächt und verwundet zurücklassen würde, Tibet selbst beschädigt und der Buddhismus selbst diskreditiert als eine schädliche und verdächtige politische Theorie, ein Feind des ruhmreichen Heimatlandes. Dies ist das gemeinsame Schicksal jeder Religion, die nach weltlicher Macht greift: sie fallen ihr am Ende zum Opfer. „Wenn sie dominieren, gefährden sie ihre spirituellen Aspekte; wenn sie beherrscht werden, leiden sie unter der Diskriminierung, die sich aus ihrer Existenz einer offiziellen Religion ergibt."[114]

            In trendigen französischen Kreisen sind die Menschen fröhlich bereit, einen Preis zu akzeptieren, für den andere zahlen müssen, nach dem Prinzip, dass diejenigen, die schieben, nicht diejenigen sein werden, die fallen.

Andere, darunter auch ich selbst, stehen lieber auf für das Leben und das Recht der Buddhisten, eine Religion zu praktizieren, die, da es sich nicht um ein Trojanisches Pferd handelt, sich auch nicht selbst aufstellt, um angegriffen zu werden. Die tibetische Religion, bei der jedoch der Verdacht besteht – und das nicht ohne Grund – in Verbindungen mit politischer Dissidenz und Separatismus' zu stehen, bleibt unter genauer Beobachtung."[115]

            Wir wissen, dass die gesamte muslimische Religion sorgfältig in Nordamerika beobachtet wird, nur weil ein Element des Islam verdächtigt wird, mit dem Terrorismus in Verbindung zu stehen; der Islam wird manchmal schikaniert und ist oft Gegenstand von Medienkampagnen. Die jüngste Vergangenheit hat uns gelehrt, dass allein aufgrund der Tatsache, dass sie Muslims sind, Bürger verschiedener Staaten durch die CIA entführt worden sind, eingesperrt, gedemütigt, gefoltert, verrückt gemacht und sogar in der Strafkolonie Guantanamo ermordet wurden. Das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang , Heimat einer Bevölkerung von muslimischen Uiguren und entlang seiner Grenzen von pakistanischen und afghanischen Fundamentalisten geplagt, stellt ein Problem in China dar; Die NED entwickelt sogar vier Interventionsprogramme für die Region.

            Sicherlich ist all das genug, um zu beweisen, wenn es nicht selbstverständlich ist, dass die Kombination von Religion und Regierung dem jeweils anderen nichts hinzufügen kann, sondern stattdessen die Ruhe und die Glaubwürdigkeit beider zerstört.

            Wer könnte gegen das Recht aller Chinesen sein, in Tibet und anderswo, in Frieden zu leben, nicht unter einem institutionellen Status quo, der den aktuellen Zustand der Demokratie in China akzeptiert, sondern unter einem System, das stattdessen danach strebt, seinen Fortschritt zu beschleunigen (was gerade passiert)? Ein solches System würde jede Haltung verbannen, die Peking zu einer Rückwärtsbewegung ermutigen könnte,was bereits ein negatives Bild von China ins westliche Gedächtnis eingegraben hat. Dieses Bild ist keine von Feinden außerhalb der Landesgrenzen skizzierte Karikatur. Es reflektiert, was das Land einmal war und in einigen Aspekten immer noch ist. Und dies sind die einzigen Aspekte, die unsere Medien in der Lage sind zu sehen.

            Ich hoffe aufrichtig, dass diejenigen, die Tibet und seine Kultur oder einfach den Buddhismus lieben, auch weiterhin nach einem besseren Verhältnis zwischen der Zentralregierung und dieser sensiblen Region streben. Ich hoffe, dass sie auf einen schnelleren Fortschritt in Richtung Demokratie in China drängen, sich weigern, Medienkampagnen zu tolerieren, die Hass aufrühren, der auf Lügen basiert, die nur in unnützer Gewalt resultieren können, und letztlich erfolgreich bei der Schaffung einer besseren Welt sind, ohne jemals gezwungen zu sein, das politische, Wirtschafts-, Justiz-, Sozial- oder Mediensystem des Reichs der Mitte zu unterschreiben.

            Wie Sie sehen können, obwohl dieses Buch absolut keine Empathie für den Dalai Lama als hinterhältigen politischen Führer zeigt, ist es kein Pamphlet gegen den Buddhismus. Vielmehr beklagt er die Pfade, auf denen der Buddhismus für Zwecke verdreht wurde, über die wir erstaunt (und furchtbar traurig) wären, wenn wir sie in einem unsterblichen heiligen Text verankert fänden.

            Ebenso wird jeder, der diese Seiten durchstöbert, nach einer Ode an China und das Paradies des modernen Tibet suchen, das jedoch vergeblich tun. Um die Worte von Jean-Luc Mélenchon auszuleihen: „Ich bin kein chinesischer Kommunist. Das werde ich nie sein. Aber ich stimme nicht mit den Demonstrationen für einen Boykott der Olympischen Spiele überein. Ich bin nicht einverstanden mit Robert Ménards Kampagne gegen die Olympischen Spiele in Peking. Ich bin nicht einverstanden mit der Umschreibung der chinesischen Geschichte, die die Kampagne produziert hat. Ich teile absolut nicht eine blinde Bewunderung für den Dalai Lama oder das Regime, das er repräsentiert."[116]

            Kurz gesagt, mein einziges Ziel mit dem Schreiben dieses Buchs war es, die freie Ausübung des Buddhismus, den zivilen Frieden, demokratischen Fortschritt und die materielle und geistige Entwicklung Tibets zu fördern, das durch politisch-religiösen Fanatismus schon zu lange entfremdet, stagnierend und elend gehalten wurde.

Aus den von mir genannten Gründen wird China das Autonome Gebiet Tibet nicht aufgeben, zugunsten eines Tibet, dessen Fäden vom Dalai Lama, seinen Schmeichlern und seinen Sponsoren gezogen werden.


 

Bibliografie

 

Dalai Lama:

 

My Land and My People, The Original Autobiography of His Holiness the Dalai Lama of Tibet. New York, McGraw-Hill, 1962.

Liberté pour le Tibet. Message de paix et de tolérance. Paris, L'Arganier, 2008.

Nobel Prize acceptance speech and lecture, 10. Dezember 1989.

Charter of the Tibetans-in-Exile, 14. Juni 1991.

Offizielle Übersetzung der Guidelines for Future Tibet's Polity and Basic Features of Its Constitution, herausgegeben mit Seiner Heiligkeit am 26. Februar 1992.

Rede über "Buddhism and Democracy," Washington, D.C., April 1993.

Rede vor dem Europäischen Parlament, Straßburg, 24. Oktober 2001.

Rede zum 49. Jahrestag des Tibetischen Aufstands, Dharamsala, 10. März 2008.


Weitere Autoren:

 

Aron, Raymond. Memoirs: Fifty Years of Political Reflection. Holmes and Meier, 1990.

David-Néel, Alexandra, Grand Tibet et vaste Chine. Paris. Omnibus 1994, republished 1999.

Ménard, Robert. Des libertés et autres chinoiseries. Paris, Robert Laffont, 2008.

Nicol, Mike. Compassion: The Words and Inspiration of the Dalai Lama, Vorwort von Desmond Tutu. Hachette Livre Australia, 2008.

Vivas, Maxime. La Face cachée de Reporters sans frontières. De la CIA aux faucons du Pentagone, Paris, Aden, 2007.

Bericht der Franko-Tibetischen Freundschaftsgruppe an den Französischen Senat, 14. Juni 2006.

Bericht der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe des Französischen Senats, 17. Oktober 2007.

France 24, Report am 9. August 2008.

National Endowment for Democracy, Webseite, January 2011.

International Centre for Prison Studies, King's College London.

 

Sowie auch:

 

Reporters Without Borders, Amnesty International, France-Tibet, Tibet-Info, AFP, Der Spiegel, Libération, France Culture, Le Point, Los Angeles Times, Le Monde diplomatique, Washington Post, New York Times.

 


Inhalt[tw2] 

 

 

Vorwort                                   11

            I Der Unberührbahre            17

            II Eine unbewegliche Herrschaftsform                     31

            III Institutionalisierte Ignoranz                    37

            IV Die Kunst der Verkleidung                  49

            V Die Kriegskunst namens Frieden                        55

            VI Unabhängigkeit oder Autonomie?                  63

            VII Das entsetzliche Regime der Dalai Lamas                 79

            VIII Central Intelligence Agency (CIA) als Geldgeber               95

            IX Das Olympische Feuer und zornige Pro-Tibet-Fanatiker                         101

            X Die NRO und die CIA-Dollars                 109

            XI Das Programm der Regierung des Dalai Lama                   115

            XII Lang lebe die säkulare Demokratie, jetzt und immerdar!                    119

 

Bibliografie                               129

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Struktur und Layout: facompo, lisieux

 


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