09-01-2013
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Hinter dem Lächeln--- Die dunkle Seite des Dalai Lama
© Max Milo Éditions

 

Essais-Documents Collection, Paris, 2011

www.maxmilo.com

ISBN: 978-2-31500-290-0

 

Dieses Buch ist Frédéric gewidmet, für seine wertvolle Mithilfe

 

 



 

 

 

 

"Als westliche Beobachter im 19. Jahrhundert die Region entdeckten, bezeichneten sie das tibetische politische Regime vor der chinesischen Invasion als eine ‚feudale Theokratie'.  Tatsächlich glich die politische und wirtschaftliche Organisation der traditionellen Gesellschaft des Landes dem mittelalterlichen Europa, einschließlich der in einer Person vereinten zeitlichen und geistlichen Autorität" [1]

 

Außerhalb der Klöster war unser soziales System feudal. Es gab eine Ungleichheit bei der Verteilung der Reichtümer mit dem Landadel auf der einen und den ärmsten Bauern auf der anderen Seiten." [2]

 

[...] Unter der Leitung unserer Religion werden wir ein neues Tibet schaffen, das in der modernen Zeit so glücklich ist wie das alte Tibet in seiner Isolation." [3]

 

 


1. Übersetzung des Berichts der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe des Französischen Senats vom 14. Juni 2006.

2. Dalai Lama, My Land and My People, The Original Autobiography of His Holiness the Dalai Lama of Tibet. New York, McGraw-Hill, 1962.

3. Ebd.

 

Einleitung 

 

Ein raues Bergland voller Klöster, in dem Gelassenheit, brüderliche Liebe, Spiritualität und Harmonie vorherrschten, war verarmt, seiner Kultur beraubt und von einer völkermordenden Kolonialmacht (der Dalai Lama benutzte das Wort Holocaust) gequält worden. Dies ist das gängige Bild von Tibet in einer Nussschale – eine Vorstellung, die so weit verbreitet ist, dass jeder, der ein anderes Bild zeichnen oder neue Farben hinzufügen will, rasch das Ziel einer Verleumdungskampagne werden kann.

Ich reiste im Juli 2010 als Teil einer Gruppe von Journalisten (zwei Journalisten der französischen Zeitungen Le Figaro und Le Monde und zwei freischaffende Reporter) für die Nachrichtenseite Le Grand Soir (legrandsoir.info) nach Tibet. Ich war mir am Anfang nicht sicher, ob meine Gefährten das Gleiche wie ich sehen würden. Schon Seneca sagte: „Wen wundert es, dass Weltreisen nichts helfen, da man immer sich selbst mitbringt?" Er hatte zweifellos Recht. Wie können wir verhindern, dass wir ein bisschen von dem, was wir sind, und das Medium, über das wir uns ausdrücken, in unserem Gepäck mittragen.  Als wir nach unserer Rückkehr unsere Arbeit gegenseitig lasen, wurde klar, dass unsere Augen noch offen waren, als wir als uns „selber" waren. Jeder von uns hat den jeweiligen Lesern objektive Fakten berichtet, wenngleich sich nicht verhindern ließ, dass auch unsere eigenen subjektiven Meinungen einflossen.

Jeder Journalist hätte die Wahl gehabt, über die Zentralregierung in Peking zu schreiben, in den Archiven etwas über die Vergangenheit Tibets auszugraben oder sich eine ideale Zukunft vorzustellen. Doch nachdem wir gesehen hatten, dass die Ladenschilder, die Straßennamen und Wegweiser auf Tibetisch (und dann erst auf Mandarin) geschrieben waren, wir tibetisch-sprachige Radio- und Fernsehprogramme verfolgten und eine Universität besuchten, wo die Studenten mit ihren Professoren eine Software auf Tibetisch entwickelt hatten, wollte keiner von uns das alte Klagelied über den kulturellen Genozid anstimmen. Tatsächlich würden sich wohl bei uns zu Hause in Frankreich einige Regionalkulturen über diese Form der Verfolgung freuen, zumal die tibetische Sprache ein zwingender Bestandteil der Grund- und Mittelschule ist. Erst auf der Oberstufe wird auch Mandarin und Englisch unterrichtet.

Kurz: Trotz unserer Unterschiede, die zeigen, dass Frankreich für unterschiedliche Denkweisen offen ist, blieb ein gemeinsamer Kern von Dingen, die wir zusammen zu gleichen Zeit gesehen hatten. Diese Dinge sind die Wahrheit, auch wenn die Bewunderer des Dalai Lama nie darüber schrieben oder in den Medien bei den Journalisten unter den Tisch fallen, die sich gegenseitig beeinflussen und das praktizieren, was Pierre Bourdieu als „zirkuläre Zirkulation von Informationen" bezeichnete.

            „Hör zu, mein Freund", könnte ein alter Backpacker dem naiven Neuankömmling zuflüstern. „Vergiss nicht zu sagen, dass Tibet nicht perfekt ist und dass das gegenwärtige System in Frankreich nicht passen würde." Die französische Verfassung enthält selbstverständlich ein paar gute Klauseln, die auch in Lhasa, der Hauptstadt Tibets, und in Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lama und der Exilregierung in Indien, hilfreich wären. Nebenbei bemerkt gehen diese über die strikte Trennung von Kirche und Staat oder überaus über die auffällige Besetzung des öffentlichen Raumes durch einen einzigen Glauben hinaus.

            Hinsichtlich des Strebens von Tibet, sich in die Moderne zu bewegen – mit einem höheren Lebensstandard, subventionierten Wirtschaftszweigen, neu gebauten Schulen und Krankenhäusern, einer wachsenden Nutzung von Solarenergie, dem Schutz der natürlichen Ressourcen, der Erhaltung der heiligen Texte, einer blühenden Kultur, dem Respekt für die lokalen Bräuche, den restaurierten Klöstern und der Freiheit, den Buddhismus in den Tempeln und auf der Straße zu praktizieren – hat keiner der Journalisten geglaubt, mit denen ich gemeinsam reiste und deren Ansichten ein breites politisches Spektrum abdecken, dass dies alles nur ein Resultat der kommunistischen Propaganda ist. Ihre Kritik ging in eine andere Richtung.

            Deswegen will ich hier beschreiben, was wir zusammen gesehen haben und es würde mich zutiefst erschrecken, wenn einer meiner vier Kollegen dies trotz unserer unterschiedlichen Herangehensweisen als ein Produkt meiner voreingenommenen Fantasie bezeichnen würde.

            Die Leser sind möglichweise über all diese Rechtfertigungen erstaunt. Ihr Grund ist allerdings leicht zu verstehen: In Frankreich gilt es als durchaus angemessen, über die Vergangenheit der Katholischen Kirche und den Papst und dessen (erzwungenen) Wahl als Jugendlicher in Nazi-Deutschland zu debattieren. Auch können wir über die plötzliche Obsession des Islams nach den Anschlägen des 11. Septembers reden oder das Judentum zur Sprache bringen, das in Europa verfolgt wurde und in dessen Namen wir Palästina zerschlagen und aufgeteilt haben.

Aber wehe dem, der es wagt, die Heilige Kuh Tibet und den 14. Dalai Lama, Medienliebling und Friedensnobelpreisträger, in Frage zu stellen. Er ist so unantastbar wie Mahatma Gandhi, der Priester und Obdachlosenretter Abbé Pierre, Nelson Mandela oder Martin Luther King – Männer, mit denen ihn die Fürsprecher des Dalai Lama fälschlicherweise verglichen.

            Die griechischen Weisen hätten gefragt: „Wo kommst du her?" und uns aufgefordert, die Interessen und Motive der Menschen, auf die wir stoßen, zu betrachten. Also habe ich versucht, herauszufinden, wer dem Dalai Lama den Rücken stärkt und wer in Frankreich und anderen Ländern zu seinen glühendsten Anhängern gehört.

            In einer Buchhandlung in Toulouse warnte mich einmal ein alter Spanier: „Die Leute reden nur, um andere von ihrer Meinung zu überzeugen". Verschmitzt fügte er hinzu: „Nun glaube ich…" Die gleiche Warnung gilt für dieses Buch. Nichtsdestotrotz zitiere ich auf den meisten Seiten dieses Buch den Dalai Lama selbst und solche, die auf seiner Seite stehen, wie Anhänger von Tibet und des Buddhismus. Ich werde mich auch auf Berichte von Forschungsexkursionen von Mitgliedern des Französischen Parlaments beziehen, die sowohl dem linken wie auch dem rechten Flügel angehören. Dies wird vielen Artikeln der Propaganda für den Dalai Lama neue Nuancen hinzufügen oder ihnen ganz widersprechen.

            Jedes Mal, wenn kritische Informationen oder Meinungen von anderen übernommen werden, sind diese mit Querverweisen versehen, so dass die Leser die Quellen verifizieren können. Schließlich können wir es uns nicht leisten, all die Menschen auf der ganzen Welt zu ignorieren, die dem Dalai Lama die täuschende Maske abgezogen haben. Dies sind nicht nur die chinesischen Behörden, sondern auch Statistiker, Ökonomen, Demografen und Historiker, die ich nicht mit dem Verdacht beleidigen will, dass nichts von dem wahr ist, was sie sagen. Insbesondere dann nicht, wenn die von ihnen vorgebrachten Tatsachen unabhängig überprüft werden können und durch internationale Organisationen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt bestätigt wurden.

 


 

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