Bei seiner Wohnungssuche in Beijing erlebt der Praktikant der Beijing Rundschau Elias die ganze Bandbreite von möglichen Unterkünften – vom Schlafsaal bis zur Nobelwohnung
Luxusapartment und Studentenschlafsaal: Beijing ist ein Ort der Gegensätze
Deutscher Praktikant sucht Wohnung in der Nähe der U-Bahn-Linie 2, wahlweise auch im Viertel Xicheng. Budget: 2000 Yuan (238 EUR). So sah meine Onlineanzeige im Online-Magazin „The Beijinger" aus. Kurz, knapp, dazu noch ein nettes Foto.
Vielleicht ist das Foto auch ein bisschen zu nett, denn die einzigen Antworten, die ich in den folgenden Tagen erhalte, kommen von Chinesinnen, die sich dafür interessieren mit mir, Freundschaft zu schließen. Und so wohne ich auch weiterhin in einem Hostel.
Das Hostel
Zugegeben, teuer ist die Unterkunft in einem Hostel in Beijing nicht. 28 Yuan (3,30 Euro) verlangte das Candy Inn in der Nähe des Lamatempels pro Nacht für ein Bett im Schlafsaal. Abends kann man gemütlich im Gemeinschaftsraum sitzen und dabei an Kinoabenden auch die neuesten Hollywoodstreifen genießen. Popcorn inklusive.
Nachdem aber die Mitbewohner des Schlafsaals noch bis in die frühen Morgenstunden lautstark diskutieren und mir die nette Dame an der Rezeption verkündet, ich müsste wohl in den nächsten Tagen wegen Umbauarbeiten umziehen, ist klar: das Candy Inn ist keine dauerhafte Lösung.
Eine Bleibe – und was für eine!
Die erste Anlaufstelle meiner Wohnungssuche ist der Campus der Renmin-Universität. Die Wohnheime sind einheimischen Studenten vorbehalten und so muss ich mich anderweitig umsehen. Aber da ist er auch schon, mein potentieller Vermieter. Fröhlich begrüßt er mich und führt mich in ein – Loch. Anders lässt sich der Raum, den er mir zeigt, nicht beschreiben. Kleiner als acht Quadratmeter, ohne Fenster und mit einem Stockbett ausgestattet, von dem ich bezweifle, dass es mein Gewicht tragen würde. Alles in allem bin ich froh, mich in dem Zimmer einmal um die eigene Achse drehen zu können. Doch eine Verbindung zur Außenwelt gibt es: seltsam unwirklich hängt das nagelneue Internetkabel aus der vergilbten Wand. Kostenpunkt: 1400 Yuan (166 Euro) im Monat.
Ich erkläre dem netten Herrn, dass ich es mir noch einmal überlegen ,will und mache mich dann aus dem Staub der Bude.
Kurz darauf entdecke ich an einer Pinnwand auf dem Gelände der Renmin-Universität einen Wohnungsaushang und sehe einen attraktiven Mietzins: 330 Yuan (39 Euro) pro Monat. Auch dieser Vermieter freut sich über einen Ausländer, dem er seinen Wohnraum vermieten kann. Oder besser das Bett, eines von sechs pro Zimmer in einer Wohnung, die insgesamt 17 junge Männer fasst. Ein schicksalsergebenes Schulterzucken meinerseits. Ob ich hier wohne oder im Schlafsaal eines Hostels scheint auf das Gleiche hinauszulaufen.
Also beziehe ich am nächsten Tag mein Bett. Zur Verwunderung aller Mitbewohner. Es ist wohl noch nie vorgekommen, dass sich ein Ausländer hier eingemietet hat.
Meine Bettnachbarn stellen schüchtern Fragen im holprigen Englisch, ich versuche so zu antworten, dass sie mich verstehen – wenn das nicht klappt, hilft der Computer weiter. Der Computer ist überhaupt das einzige, was diesen armen Gesellen zur Ablenkung dient. Den Tag über arbeiten oder studieren sie, abends sitzen sie dann auf dem Bett vor dem Laptop, surfen im Internet oder chatten mit der Familie in der fernen Provinz.
Schon am nächsten Tag ist mir klar, dass ich hier nicht bleiben kann. Der Vermieter lebt wie seine Mieter in einem der Stockbetten. Dort thront er dann (bisweilen nur in Unterhose) vor seinem Laptop, freut sich auch noch um Mitternacht lauthals über Erfolge bei Online-Games und bläst wie im Delirium ununterbrochen Zigarettenrauch aus den Mundwinkeln. Die Fenster müssen geschlossen bleiben. Ein wichtiger Punkt seines Regelkatalogs. Der wird täglich um neue Paragraphen erweitert und scheint nur darauf zu zielen, seinen Mietsklaven das Leben zu erschweren. „Duschen ist nur am Montag und Freitag umsonst. Sonst kostet es drei Yuan", erklärt mir Mitbewohner Huang Mingkuan, als er mir die Wohnung zeigt. „Und hier ist die Küche, aber die dürfen wir nicht benutzen, das ist Shushus Bereich." Shushu, was auf chinesisch „Onkel" bedeutet, mag mir aber gar nicht wie ein lieber Onkel vorkommen, sondern mehr wie ein kleiner Diktator.
Als ich diese Gedanken gegenüber meinen Leidensgenossen äußere, stimmen sie mir sofort zu: „Niemand mag den Vermieter", erklären sie mir auf Englisch. „Aber was soll man machen?" Ich frage Li Yugang, der 9000 Yuan im Monat verdient, warum er dann noch hier wohnt. Die Antwort: „Beijing ist ein Ort für die Karriere, nicht für das Leben."
Die Flucht
Weil mir mein Leben aber doch wichtiger ist als meine Karriere, suche ich weiter und finde schließlich eine Lösung. Sie heißt „Zhongxing" und ist ein kleines Maklerbüro im Bezirk Xicheng. Doch die erste Wohnung, die mir Makler Feng zeigt, macht mich noch nicht froh. Ohne Lampe, düster trotz eines Fensters, und ein sehr verkommenes Badezimmer. Das wären mir die 1800 Yuan (214 Euro), die er dafür haben will, dann doch nicht wert. Aber er hat noch einen Trumpf im Ärmel. Mit seinem Elektroroller düsen wir durch die Stadt und stehen bald darauf vor einem fünfstöckigen Wohnhaus. Einen Aufzug gibt es nicht. Macht auch nichts, so bleibe ich fit! Als wir im vierten Stock ankommen, sehe ich zum ersten Mal ein Zimmer, das sich mit meiner Vorstellung deckt. Holzfußboden, großes Bett und Einbauschrank, Fernseher und sogar das in Beijinger Etagenwohnungen übliche Yangtai (eine Mischung aus Balkon und Wintergarten) bei einem Preis von 2000 Yuan (238 Euro) – ich schlage ein. Irgendwie werde ich da auch das verwahrloste Bad und die gammelige Küche vergessen.
Meinen verblüfften Zimmerkollegen muss ich nun nur noch erklären, dass ich nach nur zwei Tagen schon wieder ausziehe. Ebenso Shushu. Dessen Kommentar, als er mir das Geld zurückgibt: „Du hast mich gestört!" Was soll´s, muss ich doch seinen Zigarettenqualm nun nicht mehr ertragen. Mit meinen Zimmergenossen will ich aber in Kontakt bleiben.
Darf´s ein bisschen mehr sein?
Nach einer Woche des Durchatmens, wird mir klar, dass mir ein wichtiger Teilbereich des Beijinger Wohnungsmarktes noch entgangen ist. Ich kontaktiere also einige der prestigeträchtigsten Maklerbüros und erkundige mich nach einem Angebot. Dabei gebe ich mich als reicher Sprössling aus, der für seinen Aufenthalt eine angemessene Bleibe sucht und dafür von seinen Eltern großzügig alimentiert wird. Die Ausländerkarte sticht, und so treffe ich mich nur einen Tag später zu einer Besichtigung in der „Park Avenue", einem Komplex von mehreren Hochhäusern im todschicken Viertel Chaoyang. Die Maklerin kommt forsch auf mich zu. Sie trägt Plateaustiefel; in so einem Job kommt es eben auf das richtige Auftreten an, dabei zählt jeder Zentimeter ...
Wir besichtigen die erste Wohnung. Wohnfläche: 200 Quadratmeter. Miete: 25 000 Yuan (2976 Euro). Ansonsten gibt es keinen großen Unterschied zu meiner Wohnung. Beide haben Holzfußböden, auch bei dieser wird am 15. März die Heizung abgedreht: Fernwärme, die auf das Kommando der Zentralregierung hört. Bad und Küche allerdings glänzen.
Die zweite Wohnung liegt in der „Central-Park"-Anlage, ebenfalls inmitten von Beijings Business-Viertel Chaoyang. Aus der Badewanne im 17. Stock blickt man durch ein Panoramafenster auf die Skyline Beijings. Wie viel diese Wohnung denn im Monat koste? „28 000 bis 30 000 Yuan", ist die Antwort. „Das ist Verhandlungssache." Vielleicht sollte ich mit Makler Feng auch einmal über einen Preisnachlass verhandeln?
Bevor ich mich verabschiede, will mir die Maklerin noch den „Club" zeigen. In den unteren drei Geschossen des Hochhauses finden sich ein Schwimmbad, ein Fitnessstudio und ein Wellnessbereich. Für die Benutzung des Tennisplatzes müsste ich aber noch extra bezahlen. So was aber auch!
Ich verabschiede mich von der Maklerin und verspreche, mich in den nächsten Tagen bei ihr zu melden. Mit der Gewissheit, sie leider enttäuschen zu müssen, mache ich mich dann mit der U-Bahn auf den Heimweg in mein kleines feines Zimmer am anderen Ende der Stadt.
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