09-09-2014
Made in China
Heute Starbucks, morgen „Tea to go“? – Quanzhous Teehändler und die neue Seidenstraße
von Verena Menzel

Als die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks 1999 ihre erste Filiale in China eröffnete, waren viele skeptisch. China gilt als das Land der Teetrinker. Ob Grüner Tee, schwarzer Tee oder Oolong – der Anbau und die Verarbeitung von Teeblättern blicken im Reich der Mitte auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück. Von China aus eroberte das Getränk die Welt, gelangte über die alte Seidenstraße zunächst nach Südostasien und über den Nahen Osten schließlich bis nach Europa. Doch Starbucks' Kaffee-Coup sollte gelingen. Heute zählt das Unternehmen mehr als 800 Filialen auf dem chinesischen Festland, Tendenz steigend. Das Erfolgsrezept des Weltkonzerns: eine gelungene Mischung aus Standardisierung und lokaler Feinabstimmung, wie sie auch andere große westliche Lebensmittelketten wie McDonalds, KFC oder Pizza Hut praktizieren.

Große Produktpalette: Bama besitzt allein in China mittlerweile mehr als 800 Franchise-Stores. 

Warum aber soll dieses Prinzip nur in eine Richtung funktionieren? Diese Frage stellt sich Wang Wenli, erfolgreicher Teeunternehmer aus dem südostchinesischen Quanzhou. Sein Traum: Auch chinesischer Tee soll in Zukunft in Franchise-Stores weltweit „to go" ausgeschenkt werden. Bisher ist die Vision des Gründers der Firma „Eight Horses Tea" (chinesisch: „Bama") aus dem südostchinesischen Quanzhou noch Zukunftsmusik. Doch das junge Unternehmen konnte in den vergangenen Jahren nicht zuletzt dank kreativen Marketings im In- und Ausland stetig wachsende Absatzzahlen verbuchen.

Die Stadt Quanzhou, Bamas Firmensitz, die heute rund acht Millionen Einwohner zählt, liegt im Osten der Provinz Fujian, und ist eine der berühmtesten Teemetropolen des Landes. Die Stadt ist vor allem bekannt für ihren hochwertigen Oolong-Tee, der auch als „Schwarzer Drachentee" bezeichnet wird. Eine der berühmtesten Sorten ist der so genannte „Tieguanyin" aus dem Kreis Anxi, den Wang mit seinem Unternehmen vertreibt. Im Westen ist Tieguanyin auch als „Iron Goddess" oder "Eiserner Guanyin" bekannt.

Teeanbau und -verkauf liegen Wang Wenli im wahrsten Wortsinn im Blut. Seine Vorfahren gelten als Entdecker des Tieguanyin, sie bauten die Sorte schon seit anno 1736 an. Wang gilt heute als offizieller Vertreter des immateriellen Kulturerbes der Teesorte, seine Familie widmet sich dem Anbau mittlerweile in der 13. Generation. 1992 gründete Wang das Unternehmen Bama, um Tieguanyin national wie international noch besser zu vermarkten. „Mein Traum ist es, mit einem guten Tee das Leben der Menschen zu versüßen und chinesischen Oolong weltweit bekannt zu machen", sagt er.

Und Wang hätte den Zeitpunkt für dieses Unterfangen wohl kaum besser treffen können. Im September 2013 verkündete Chinas Staatspräsident Xi Jinping während seiner Reise durch Zentralasien, gemeinsam mit den Ländern der Region eine neue „Wirtschaftsregion Seidenstraße" aufbauen zu wollen. Eine Marschroute, von der wohl auch die Stadt Quanzhou dank ihrer historischen Wurzeln in den nächsten Jahren maßgeblich profitieren dürfte.

In der Vergangenheit besaß Quanzhou einen der bedeutendsten Häfen der Welt, war vor allem im dreizehnten Jahrhundert einer der Knotenpunkte der maritimen Seidenstraße, als die Seidenstraße auf dem Landweg durch zahlreiche Kriege und Raubüberfälle zu unsicher geworden war und viele Staaten den Handel über die Meerwege vorzogen. Während der Song- (960 –1279) und der Yuan-Dynastie (1279 – 1368) bewohnten viele arabische und persische Kaufleute die Stadt. Es gab Handelsrouten nach Korea und Japan im Osten und Afrika und Arabien im Westen sowie bis ins heutige Indonesien. Neben Seide wurden vor allem Porzellan und Tee von Quanzhou aus in die ganze Welt verschifft. In der Ming- und Qing-Dynastie verfiel der Hafen allerdings zunehmend, nicht zuletzt durch das Seehandelsverbot, das zeitweise herrschte. Die übervölkerte Stadt war schließlich von zahlreichen Auswanderungswellen in Richtung Südostasien und Taiwan betroffen. Doch kulturell wie wirtschaftlich lebt das Erbe der Vergangenheit in der Metropole bis heute fort, noch immer haben weltbekannte Porzellan-Manufakturen und Teefirmen ihren Sitz in Quanzhou, und seit der Reform und Öffnung des Landes Ende der 1970er Jahre hat auch der Außenhandel wieder deutlich zugenommen. Die jüngsten Pläne der Regierung, einen Wirtschaftsgürtel Seidenstraße aufzubauen, dürften Quanzhou in Sachen Exportwirtschaft weiteren Aufwind verleihen.

Das Unternehmen Bama besitzt seit 2004 eine Außenhandelslizenz, vertreibt seine Produkte derzeit allerdings vor allem in Japan und Südostasien. Geht es nach Firmengründer Wang Wenli, soll sich das in Zukunft ändern. Sein Traum: Tieguanyin soll von Quanzhou aus die Welt erobern und vor allem auch in Europa und Amerika erfolgreich sein. Der Unternehmer träumt von einer Teehauskette nach dem Vorbild von Starbucks, in der Tee als Lifestyle zelebriert wird und neben dem Getränk auch Kuchen und Desserts samt angesagtem Ambiente geboten werden. Bis dahin aber ist es noch ein weiter Weg, räumt Wang ein. „Wir arbeiten derzeit daran, unsere Produkte noch besser an den Markt anzupassen. Dafür ist besonders Standardisierung ein wichtiger Schlüssel", sagt er. „Vor allem ist es wichtig, erst einmal den einheimischen Markt zu erobern. Wenn wir auf dem chinesischen Markt die Nummer eins sind, wird das unserer Marke auch international Auftrieb verleihen."

Doch auch der chinesische Markt hat sich verändert und Firmen müssen für traditionelle Produkte neue Strategien entwickeln, um bei der neuen Generation von Konsumenten zu punkten. Bama hat die Zeichen der Zeit erkannt und kreiert Produkte, die verstärkt auch ein jüngeres Publikum jenseits der traditionellen Teehäuser ansprechen sollen. „Dafür ist zum Beispiel der Onlinemarkt sehr wichtig", erklärt Lin Rongxi, stellvertretender Generalmanager des Unternehmens. „18 Prozent unserer Inlandsabsätze erwirtschaften wir mittlerweile online", sagt er. „Vor allem viele junge Büroangestellte zählen zu unseren Kunden", fügt Wang Wenli hinzu. Tee sei auch bei jungen Menschen in China nicht aus der Mode gekommen. Es bedarf allerdings eines gewissen Marketinggeschicks, um auch im jungen Segment erfolgreich zu sein. Die Eröffnung weiterer Franchise-Stores allein - von denen Bama landesweit mittlerweile bereits mehr als 800 besitzt - reicht dafür sicher nicht aus. Das weiß auch der Firmengründer.

Zwar ist vor allem Grüntee in Produkten der chinesischen Lebensmittelindustrie allgegenwärtig, in gemahlener Form als so genannter Matchaverleiht er Süßspeisen von Gebäck bis Eiscreme sowie Getränken wie Milchtee oder Trinkjoghurt eine charakteristische Geschmacksnote, die sich in ganz Asien großer Beliebtheit erfreut. Der Oolong-Tee allerdings ist weit entfernt vom Mainstream-Produkt. Im Gegenteil: „Schwarzer Drachentee" ist weithin bekannt für sein aufwendiges Aufgussverfahren, auf dessen vollendete Beherrschung Teemeister oft Jahre verwenden. Die meisten Normalverbraucher sind in dieser traditionellen Kunst hingegen kaum bewandert.

Der halbfermentierte Oolong-Tee, der von der Oxidationsstufe her zwischen nicht fermentiertem grünen Tee und voll fermentiertem schwarzen Tee eingeordnet werden kann, ist nicht nur berühmt für seinen exquisiten, blumig-milden Geschmack, das jadefarbene Antlitz seiner Aufgüsse sowie seinen charakteristischen, süßlich-aromatischen Duft, der ihm in der Vergangenheit in Europa sogar die Bezeichnung „trinkbares Parfüm" einbrachte. Er gilt auch als schwieriger Tee, der hohe Ansprüche an Klima, Anbaubedingungen, Verarbeitungsweise und vor allem die Zubereitung stellt.

Und genau hier setzt Bamas Marketing-Strategie an. „Wir wollen, dass in Zukunft jeder unseren Oolong-Tee kinderleicht zubereiten kann", sagt Wang Wenli. Das Unternehmen hat deshalb das komplizierte Aufgusszeremoniell, das in China auch als „Tee-Kungfu" bezeichnet wird und traditionell mehr als zwanzig verschiedene Arbeitsschritte umfasst, in acht einfachen Schritten mit Bildern und kurzen Erklärungen in einem Faltprospekt zusammengefasst, dass den Teeprodukten beiliegt. Den Fotoaufnahmen lieh die berühmte chinesische Filmschauspielerin Xu Qing ihr Gesicht.

Auch hat Bama zur Vereinfachung des Verfahrens die Mengenverhältnisse und Aufgusszeiten standardisiert. Um ein optimales Aufbrühergebnis zu erhalten, rät die Firma, den in Portionen von genau 8,35 Gramm fertig abgepackten Tee mit 120 Millilitern Wasser aufzugießen, das zuvor auf 100 Grad erhitzt wurde. Traditionell wird Oolong-Tee mehrfach aufgegossen, wobei sich sein Geschmack erst ab dem zweiten und dritten Aufguss völlig entfaltet. Zur Orientierung gibt Bama deshalb für die ersten vier Aufgüsse genaue Brühzeiten an. „Wir haben den Aufgussprozess, den auch viele Chinesen als kompliziert empfinden, im von uns entwickelten ,3123'-Prinzip zusammengefasst", erklärt Wang. Für einen optimalen Geschmack rät das Unternehmen den ersten Aufguss 30 Sekunden, die folgenden drei Aufgüsse jeweils 10, 20 und nochmals 30 Sekunden ziehen zu lassen. „Für die weiteren Aufgüsse empfehlen wir eine Brühzeit zwischen 30 und 60 Sekunden", erklärt Wang. Im Bama-Shop ist sogar eine eigens entwickelte Sanduhr erhältlich, mit der sich die Brühzeit bequem kontrollieren lässt.

3213-Prinzip: Um ein optimales Aufbrühergebnis zu erhalten, rät die Firma, den in Portionen von genau 8,35 Gramm fertig abgepackten Tieguanyin mit 120 Millilitern Wasser aufzugießen, das zuvor auf 100 Grad erhitzt wurde.

Wem der traditionelle Aufguss, für den spezielle Utensilien wie Schälchen und ein Aufgussbehälter sowie vor allem ausreichend Zeit benötigt werden, generell zu aufwendig ist, der kann den Tieguanyin auch ganz einfach in einem Teesieb aufbrühen. Auch hierfür findet sich im Bama-Prospekt eine einfache bebilderte Anleitung in vier Schritten. „Und wem selbst das zu kompliziert ist, für den haben wir seit diesem Jahr kleine Portionspackungen in Bechergröße im Sortiment. In einem Päckchen finden sich 2,5 Gramm Tee, was genau für eine handelsübliche Tasse bzw. ein gutes Glas Tee reicht, die man sich zum Beispiel auf die Schnelle im Büro zubereiten kann."

Die clevere Marketingstrategie könnte Bama auch bei der Eroberung des europäischen und amerikanischen Marktes helfen, dessen Länder eher keine Teenationen sind. „Bisher liegt unsere Zubereitungsanleitung nur in chinesischer Sprache vor, aber andere Sprachversionen werden folgen", sagt Wang. Auch in den USA und Europa hat der Oolong-Tee in den letzten Jahren mehr und mehr Freunde gefunden. Von Teeliebhabern dort wird er als Schönheits- und Gesundheitstee geschätzt. Der „Schwarze Drachentee" wird unter anderem als Schlankmacher- und Anti-Aging-Getränk angepriesen und soll zudem Krebs vorbeugen. Viele der importierten Sorten stammen allerdings bisher aus den bekannten Oolong-Anbaugebieten Taiwans. Zwar hat Bama durch die Eröffnung eines Flagshipstores in Paris in Zusammenarbeit mit vier weiteren Teefirmen aus Fujian 2012 bereits einen Fuß auf den europäischen Markt gesetzt, bisher zielt die Firma damit allerdings vor allem auf das Luxussegment ab.

Dass chinesischer Tee aber durchaus auch gute Chancen hat, in weniger gehobenen Marktsegmenten in Übersee zu punkten, hat das Jahr 2012 gezeigt. Der Bubble-Tea-Hype, der von Taiwan aus zunächst in die USA und dann nach Europa schwappte, hat bewiesen, dass sich die Kaffeenationen der Welt gegenüber Innovationen aus der asiatischen Teestube durchaus aufgeschlossen zeigen, vorausgesetzt sie werden richtig vermarktet. Gelingt es Unternehmen wie Bama, Chinas Tee noch besser an die Lebensgewohnheiten westlicher Konsumenten anzupassen, könnte nicht nur Wang Wenli's Traum einer Teestubenkette à la Starbucks in Erfüllung gehen, sondern auch die Wiederbelebung der alten Seidenstraße gelingen. (Quelle: China Heute)