12-10-2013
Made in China
Rettung für die Solarenergie
von Lan Xinzhen

Die Zentralregierung hat Maßnahmen ergriffen, um die Überkapazitäten in der Photovoltaikindustrie zu senken und versucht, die Binnennachfrage zu steigern.

 

China hat neue Vorschriften erlassen, um gegen die Überkapazitäten in der Solarindustrie vorzugehen. In einem vom Ministerium für Industrie und Informatik (MIM) veröffentlichten Dokument werden Schwellenwerte für den Zugang zur Solarenergie definiert. Man ist sicher, so eine Menge Kapital ausbremsen zu können.

Die neuen Regeln kontrollieren den Zugang zur Branche streng. Investitionen müssen beispielsweise mindestens 20 Prozent des Projektwerts betragen. Es gibt außerdem Mindestanforderungen für Investitionen in Forschung und Entwicklung. Nur wenige heimische Solarunternehmen könnten diese Anforderungen erfüllen, erklärte Wang Yong, Analyst bei CITIC Securities Co. Ltd., so dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen wahrscheinlich aus der Branche verschwinden werden.

Chinas Solarmodule werden hauptsächlich nach Europa und die USA exportiert. Steuerermäßigungen sind eine große Einkommensquelle für die Solarunternehmen, das führte zu Handelskonflikten mit der EU und den USA. Mit den neuen Vorschriften kommen nicht ausreichend qualifizierte Solarunternehmen und –projekte nicht mehr in den Genuss von Steuernachlässen oder günstiger Förderung für den Verkauf am heimischen Markt.

Vor der Veröffentlichung des Dokuments hatten Investoren große Freiheiten, sie konnten wo und so viel sie wollten in die Solarindustrie investieren, was große Überkapazitäten und eine unstrukturierte Entwicklung zur Folge hatte. Das Dokument des MIIT sei eine späte, aber willkommene Hilfe, so Wang.

 

Mehr Fusionen und Übernahmen

Nach Angaben des MIM haben die Gesamtverbindlichkeiten der zehn führenden Solarunternehmen Chinas 100 Milliarden Yuan (12,5 Milliarden Euro) überschritten. In der ersten Jahreshälfte stellten 80 Prozent der Unternehmen ihre Produktion vorübergehend ein.

In der Vergangenheit hätten Chinas Solarunternehmen ihre Produktionskapazität einfach nur krampfhaft erweitert und den Markt mithilfe niedriger Preisen erobert, erklärte Meng Xiangan, Vizepräsident der China Renewable Energy Society. 95 Prozent von Chinas Solarprodukten werden exportiert, wegen der Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen der EU und der USA könne dies aber nicht so bleiben, Veränderungen in der Vorgehensweise der Branche seien notwendig.

Die neuen Anforderungen an die Solarindustrie seien ein Zeichen dafür, dass nun eine neue Umstrukturierungsphase der Branche beginne, erklärte Meng. Während dieses Prozesses würden Unternehmen mit veralteter Technologie und großer Schuldenlast reorganisiert, wettbewerbsfähige Unternehmen würden wachsen und stärker werden.

Nach einem Bericht von CITIC Securities sind Branchenführer davon nicht betroffen, kleine Solarunternehmen würden jedoch wahrscheinlich umstrukturiert oder übernommen. Die meisten Hersteller von Solarmodulen seien immer noch mit der Rohstoffverarbeitung beschäftigt, erklärte Ren Haoning, Wissenschaftler für Energiewirtschaft bei CIConsulting, einem Forschungsunternehmen in Shenzhen. 50 bis 70 Prozent der Siliziumprodukte, die nach Europa und in die USA exportiert werden, werden aus importierten Rohstoffen hergestellt. Die Anzahl der Silizium-Hersteller ist groß, die Unternehmen sind aber eher klein. Weniger als 10 Prozent erfüllen die Anforderungen des MIIT. Schätzungen zufolge werden nach Inkrafttreten des Dokuments viele Solarunternehmen übernommen oder geschlossen werden, was den Abbau der Überkapazitäten unterstützen wird.

 

Unterschiedliche Marktsituationen

Europa ist der wichtigste Markt für Chinas Solarprodukte, 90 Prozent aller Lieferungen gehen dorthin. 2012 leitete die EU Preisdumping- und Antisubventionsermittlungen gegen chinesische Solarprodukte ein. Nach mehreren Verhandlungsrunden kam die EU überein, die Ermittlungen zu beenden, bestand aber darauf, dass China eine Preisverpflichtungs-Vereinbarung unterzeichnete. China verpflichtete sich zu einem Mindestpreis von 0,56 Euro pro Watt und einer Exportbegrenzung in die EU. Die Vereinbarung trat am 6. August in Kraft. 

Der Preis von 0,56 Euro pro Watt hat Chinas Solarexporte in die EU jetzt schon beeinträchtigt. Im September schickte die Phono Technology Co. Ltd. in Jiangsu wegen eines großen Auftragseinbruchs Unternehmensvertreter nach Europa – allerdings ohne Ergebnis. Bei Yingli Green Energy Holding Co. Ltd., Chinas größtem Solarunternehmen, sieht die Situation ebenfalls nicht rosig aus. „Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt, sinken unsere Aufträge definitiv", erklärte Unternehmenssprecher Wang Zhixin.

Zurzeit verfügen 95 chinesische Solarunternehmen über Exportkontingente in die EU, das ist weniger als ein Fünftel der mehr als 500 Solarunternehmen des Landes.

Im Gegensatz zu den sinkenden Exporten wächst der heimische Markt. Am 15. Juli veröffentlichte der Staatsrat die Publikation "Mehrere Meinungen zur Förderung einer gesunden Entwicklung der Solarindustrie". Darin wird für die Zeit von 2013 bis 2015 eine neu installierte Leistung von 15 Gigawatt pro Jahr als Ziel vorgegeben, nach 2015 sollen es 20 Gigawatt sein. 

Am 30. August erhöhte die Staatliche Kommission für  Entwicklung und Reform, die wichtigste Wirtschaftsplanungsinstitution des Landes, die Subventionsstandards für dezentralisierte Solarstromerzeugungsprojekte von 0,42 Yuan (5 Cent) auf 1 Yuan (12 Cent) pro Kilowattstunde Strom, was einen regelrechten Investitionsrausch auslöste.

Die an der Shanghaier Börse gelistete EGing Photovoltaic Technology Co. Ltd. verkündete am 18. September, dass sie bis zu 1,23 Milliarden Yuan (153,7 Millionen Euro) durch ein Secondary Public Offering aufnehmen wolle, um in ein 100-Megawatt-Solarprojekt zu investieren. 

Zuvor sicherte sich die China National Machinery Industry Corp. einen 20-Milliarden-Yuan-Vertrag (entspricht rund 2,5 Milliarden Euro) über ein 2500-Megawatt-Solarkraftwerk in einem Wüstengebiet des Autonomen Gebiets Ningxia der Hui-Nationalität. Aviation Industry Corp. of China kündigte für die kommenden drei Jahre Investitionen von 3,8 Milliarden Yuan (475 Millionen Euro) in 20 Städten an, um 400-Megawatt-Solarenergieprojekte zu realisieren. Acht zentral verwaltete, staatseigene Unternehmen, darunter China Huaneng Group, China Datang Corp. und China Guodian Corp., haben Investitionen für den Bau von Solarkraftwerken angekündigt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Subventionen zu zahlreichen Investitionen geführt haben. 2011 kündigte China vorübergehende Zuschüsse für große Solarkraftwerke an, was viele Unternehmen dazu verleitete, schnell in deren Bau zu investieren. Qualifizierte und unqualifizierte Projektträger partizipierten am Bauboom, die Folge war ein Mangel an konstanter Bauqualität. 

Früher standen Privatunternehmen an der Spitze der Solarindustrie, jetzt gibt es zahlreiche staatseigene Unternehmen in der Branche, viele sorgen sich daher wieder einmal um zu exzessive Investitionen.

Chinas Solarindustrie erlebe eine schmerzvolle Umstrukturierungsperiode, erklärte Shen Hongwen, Forscher für neue Energiewirtschaft bei CIConsulting. Viele Unternehmen stünden vor dem Aus, aber alles in allem werde sich die Restrukturierungsphase positiv auf die Branche auswirken.

"Die Situation der gesamten Branche ist deutlich besser als in der ersten Jahreshälfte", meint Shen. "Es ist damit zu rechnen, dass viele Faktoren, die eine gesunde Entwicklung der Solarindustrie behindert haben, verschwinden."

Nach einem Bericht des MIM betrug die Produktionskapazität der chinesischen Solarindustrie in der ersten Jahreshälfte insgesamt 40 Gigawatt, ein Anteil von 67 Prozent an der weltweiten Produktion.