25-12-2012
Made in China
An der Spitze der Computerwelt
Von Zhou Xaioyan

Der chinesische Computerhersteller Lenovo Group hat das amerikanische Unternehmen Hewlett Packard (HP) im dritten Quartal überholt und ist damit gemessen an der Lieferzahl zum weltgrößten Anbieter von Computern geworden. Das meldete die IT- Forschungsgesellschaft Gartner Inc. Im Oktober.

 

15,7 Prozent aller PC-Lieferungen gingen im dritten Quartal auf das Konto von Lenovo, von HP waren es 15,5 Prozent, so das international anerkannte Forschungsunternehmen. Mit Dell Corp. kontrollierte ein weiterer Computerhersteller aus den USA in diesem Zeitraum rund 10,5 Prozent des Markts.

 

Yang Yuanqing Geschäftsführer und Vorstandschef von Lenovo, erklärte, Lenovo werde dennoch nicht selbstgefällig werden.

 

„Obwohl der Wettbewerb auf dem Computermarkt hart ist, glaube ich fest daran, dass es noch Raum für einen kontinuierlichen Gewinnzuwachs gibt“, sagte Yang am 8. November bei einer Pressekonferenz in Beijing zur Geschäftsbilanz im dritten Quartal. „Ein führendes Unternehmen am PC-Markt zu werden, ist nur ein einzelner Meilenstein in der Entwicklung von Lenovo, denn wir wollen auch in anderen Märkten führend werden.“

 

Lenovos Erfolg wird seiner langfristigen Fokussierung auf neue Märkte sowie erfolgreiche Fusionen und Übernahmen im Ausland zugeschrieben. Angesichts der geringen Gewinnmarge im PC-Geschäft und der harten Konkurrenz durch Tablet-PCs und Smartphones verfolgt das Unternehmen Pläne, seine Geschäftsfelder breiter zu streuen.

 

 

Volle Kraft voraus: Arbeiter bauen in einer Lenovo-Fabrik in Shanghai Computer zusammen.

 

Gründe für den Erfolg

 

HP führte die Liste der größten PC-Hersteller der Welt sechs Jahre lang an, aber es verlor Marktanteile, als sein Management sich mitten in einer Umbruchphase befand und die Geschäftspläne geändert wurden. An einem bestimmten Punkt hatte das Unternehmen erwogen, den PC-Bereich auszugliedern, ein Vorschlag, den Vorstandschefin Meg Whitman später aufgab.

 

Das Unternehmen wurde außerdem hart von der Weltwirtschaftskrise und einem Wechsel der Kunden weg von älteren PC-Typen hin zu mobilen Tablet-Geräten getroffen.

 

Trotz düsterer Aussichten für PCs erzielte Lenovo von April bis September einen Nettogewinn von 303 Millionen Dollar, 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im selben Zeitraum stiegen seine Verkaufsumsätze um 22 Prozent auf 16,68 Milliarden Dollar, hieß es im Quartalsbericht des Unternehmens. Seine PC-Verkäufe stiegen um 17 Prozent, während sie weltweit um 5 Prozent schrumpften.

 

Durch seine Übernahmen und relativ hohe Exposure gegenüber Zukunftsmärkten, die entwickelte Märkte beim Umsatz hinter sich lassen, handelte Lenovo gegen alle Erwartungen, erklärte Brent Bracelin, Analyst bei Pacific Crest Securities Inc., gegenüber China Daily.

 

In der Vergangenheit habe Lenovo von HP, IBM und anderen IT-Unternehmen aus dem Westen gelernt, erklärte Wang Jiping, Senior Analyst des in den USA ansässigen Forschungsunternehmens International Data Corp. gegenüber China Daily.

 

Lenovo begann 2004, sein eigenes Verkaufs- und Geschäftsmodell zu entwickeln und übernahm 2005 die Computersparte von IBM. Jetzt haben sich Geschäftsmodell und –strategien auch auf dem globalen Markt durchgesetzt.

 

Wang erklärte, Lenovo sei 2009 das erste Computerunternehmen gewesen, dass Länder in zwei Kategorien unterteilt habe: Schwellenmärkte wie China, Indien und Brasilien sowie gesättigte Märkte wie die USA und Japan. Für beide entwickelte Lenovo eine eigene Strategie. Dieses Konzept wurde mittlerweile von vielen multinationalen IT-Konzernen übernommen.

 

Hauptgrund dafür, dass das Unternehmen der größte PC-Verkäufer sei, sei seine Strategie, in wirtschaftlich zweitrangige Städte Chinas und Schwellenmärkte vorzudringen, erklärte Wang.

 

Vor rund sechs Jahren begann Lenovo damit, mehr Produkte in ländlichen Gebieten Chinas zu verkaufen, ein Schritt, der zur Entwicklung der Firma in den nächsten fünf Jahren beitragen werde, meint Wang.

 

Lenovo hält 34 Prozent Anteile am chinesischen PC-Markt, das sind 2,4 Prozent mehr als im Vorjahr, die Zahl der Lieferungen erhöhte sich im zweiten Quartal um 8 Prozent im Vorjahresvergleich, hieß es in einer Unternehmensstellungnahme.

 

In anderen Schwellenmärkten überholte Lenovo Dell und HP schon früher in diesem Jahr und hat jetzt eine Spitzenposition in Indien inne. Vor einigen Wochen kündigte Lenovo an, mit einem Unternehmen in Basilien zusammenarbeiten zu wollen, um dort seine Marktpräsenz zu verstärken.

 

Unterdessen ist Lenovo der wichtigste PC-Lieferer in Indien und expandiert mit Fabriken in Brasilien und Mexiko stark in Lateinamerika.

 

Während einige chinesische IT-Unternehmen bei Übernahmen und Fusionen im Ausland gescheitert sind, hat Lenovo enorme Erfolge mit seinen Auslandsgeschäften bewiesen.

 

2005 übernahm Lenovo für 1,25 Milliarden Dollar die PC-Sparte von IBM und deren Schulden in Höhe von 500 Millionen Dollar gleich mit. Die Übernahme verschaffte der Firma amerikanisches Know-How, um weltweit zu expandieren. Lenovo wurde so zum drittgrößten PC-Hersteller der Welt, die Übernahme gab dem PC-Geschäft einen Schub.

 

„Wir haben in dreierlei Hinsicht von der IBM-Übernahme profitiert“, erklärte Liu Chuanzhi, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Lenovo, in einem Interview mit China Central Television, dem nationalen Fernsehsender. „Wir haben die ThinkPad-Marke bekommen, IBMs modernere PC-Produktionstechnik und die internationalen Ressourcen des Unternehmens wie globale Verkaufskanäle und Arbeitsteams. Diese drei Faktoren haben unsere Verkaufsumsätze in den vergangenen Jahren gestützt.“

 

Im August 2012 unterzeichnete Lenovo eine Vereinbarung mit der in den USA ansässigen Datenverwaltungsfirma EMC Corp., um Server- und Speichertechnologien zu entwickeln und zu verkaufen.

 

Im September 2012 begab sich Lenovo auf das Gebiet der Software-Entwicklung, nachdem das Unternehmen die amerikanische Cloud-Computing-Firma Stoneware Inc. zu einer nicht genannten Summe aufgekauft hatte. Stoneware hat Millionen von Usern im Bildungsbereich und im öffentlichen Dienst Amerikas.

 

Im gleichen Monat stimmte Lenovo dem Bar-Kauf des brasilianischen Unterhaltungselektronikherstellers CCE zu und übernahm Geschäftsanteile im Wert von 300 Millionen Reals (147 Millionen Dollar). Der Erwerb von CCE, Brasiliens größtem Elektronikhersteller, wird Lenovos Anteile auf dem Computermarkt der sechstgrößten Wirtschaftsmacht der Welt mehr als verdoppeln – von 3,7 auf 8 Prozent - und sein Produktportfolio von Einzel-PCs auf andere elektronische Produkte wie Tablet-PCs und Smartphones vergrößern.

 

Durch den Deal kommen auch Handys und Fernsehgeräte zur Produktlinie in Brasilien hinzu. Vor kurzem kündigte Lenovo auch Pläne an, dort für 30 Millionen Dollar eine Fabrik zu bauen.

 

Lenovo werde weitere Übernahmen durchführen, um sein Wachstum auf globalen Märkten anzukurbeln, erklärte Vorstandschef Yang.

 

Trendiges Produkt: Ein Lenovo-Verkäufer präsentiert ein Laptop – Idea Pad Yoga – bei der internationalen Messe für Unterhaltungselektronik in Las Vegas im Januar 2012.

 

Größerer Ehrgeiz

 

Trotz Lenovos Markt-Performance im PC-Geschäft gibt es reichlich Sorgen, dass die geringen Gewinnspannen wegen der steigenden Popularität von Tablet- PCs und Smartphones möglicherweise zur Belastung für Lenovo werden könnten.

 

Im dritten Quartal wurden 87,5 Millionen PCs weltweit ausgeliefert, laut Gartner 8,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

 

Der Druck durch die gegenwärtige Konjunkturflaute und die Konkurrenz durch mobile Internetprodukte hat sich auf PC-Lieferungen ausgewirkt.

 

Einige Analysten behaupten, Tablet-Computer würden sich um 2016 oder möglicherweise schon früher besser verkaufen als Computer.

 

„Eindeutiger Weltmarktführer im PC-Bereich zu werden, bleibt natürlich eines der Ziele von Lenovo, aber das bedeutet nur einen einzelnen Meilenstein auf unserem Weg als Unternehmen. Wir haben ein langfristiges profitables Wachstum im Visier und gehen voran in Richtung „PC Plus“- Zeitalter“, sagte Yang.

 

In diesem Jahr lancierte Lenovo die so genannte „PC plus“- Strategie, um den Fokus verstärkt auf andere Produktlinien wie mobile Geräte und Cloud-Computing-Angebote zu legen, die Usern den Datenzugriff von fremden Rechnern oder die Steuerung mehrerer Geräte mit einem einzigen Computer erlauben.

 

Lenovo wolle seine Tablet- und Smartphone-Sparte ausbauen, erklärte Yang.

 

Im dritten Quartal erreichten die Verkaufserlöse aus dem Bereich „Mobiles Internet und Digital Home“ mit Tablet-PCs und Smartphones insgesamt 718 Millionen Dollar und machten 8 Prozent des Gesamtverkaufsumsatzes des Unternehmens zwischen Juli und September aus. Während dieser Zeit hatten Smartphones von Lenovo in China einen Marktanteil von 13 Prozent, 11,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, und lagen damit nach Samsung mit 15 Prozent Marktanteilen auf dem zweiten Platz.

 

Das Unternehmen plant auch, in naher Zukunft Smartphones in Indonesien, auf den Philippinen und in Vietnam zu verkaufen.

 

Lenovo werde im nächsten Jahr größeren Wert auf wachsende Gewinne legen, als darauf, mehr Marktanteile an sich zu reißen, und wolle seine Gewinnspanne vor Steuern um mindestens einen Prozentpunkt in drei Jahren erhöhen, so Yang.