29-07-2011
Made in China
Expressreform für Chinas Kurierdienste
von Liu Xinlian

Nachtflug: Auch Qingdao ist nun an das Postflugnetz der China Postal Airlines angeschlossen. Dadurch werden Expressendungen aus Qingdao in der Provinz Shandong schon am folgenden Morgen in allen großen Städten Chinas zugestellt. Von Cui Pengsen

Wachstumssorgen

Noch aber scheinen Chinas Kurierdienste nicht gewappnet für die Herausforderungen des Booms im Onlineversandhandel. Vielen Kunden sind die Engpässe und massenhaften Verspätungen, die es im letzten Winter gegeben hatte, noch in schmerzlicher Erinnerung. Das schlechte Wetter und ein akuter Mangel an Personal angesichts der Heimreisewelle zum chinesischen Frühlingsfest sorgten für lange Gesichter bei wartenden Kunden. 

„Das kleine Desaster im letzten Winter hat die Unfähigkeit der Branche gezeigt, mit dem boomenden Onlinegeschäft Schritt zu halten", sagt Xu Yong von Cecss.com, einem Onlineportal aus Shanghai, das bei der Vermittlung von Zustelldiensten hilft. 

Nach einem Bericht der Beijinger Investmentberatungsgesellschaft Zero2IPO stiegen die Umsätze im Onlinehandel 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 162,2 Prozent. Sie wuchsen damit deutlich schneller als in der Expresszustellerbranche, die ein Wachstum von 19,96 Prozent verbuchte. Das wuchtige Geschäft mit dem Onlinehandel habe die Kapazitäten der Zusteller deutlich überfordert, heißt es in dem Bericht. 

Brancheninsider sehen das gesunde Wachstum der Kurierunternehmen zunehmend bedroht. Momentan sei ein brutaler Preiskampf im Gange, der der Entwicklung der gesamten Branche erheblich schade, so Xu. Es koste heute nur noch sieben Yuan (75 Cent), ein Paket unter einem Kilogramm von Beijing nach Shanghai zu verschicken, für den innerstädtischen Versand seien für das gleiche Päckchen nur rund fünf Yuan (50 Cent) zu berappen. 

Angesichts steigender Arbeits- und Treibstoffkosten sei die Gewinnspanne im Zeitraum von 2005 bis 2010 von 30 Prozent  auf 5 Prozent geschrumpft, sagt Xu. Seiner Ansicht nach sind die erschreckend niedrigen Zahlen vor allem auf die Zerstückeltheit der Branche zurückzuführen.„Es reicht schon zwei Kuriere anzustellen, eine Service-Hotline anzumelden und ein Auto zu kaufen, um ein Versandunternehmen zu gründen. Die meisten Expresszusteller in China sind Zweigstellen großer Zustellernetzwerke. Durch das unzulängliche Management über die Zentralen und die harte Konkurrenz sind die einzelnen Filialen jedoch gezwungen, sich durch niedrige Preise auf dem Markt zu behaupten", sagt Xu.

Ende 2010 waren laut Statistiken der SPB in China insgesamt 5883 Expresszustelldienste registriert. Sechs Marken verbuchten Umsätze von mehr als 2 Milliarden Yuan (213 Millionen Euro), bei zweien lagen die Einnahmen sogar bei mehr als 10 Milliarden Yuan (1,1 Milliarden Euro). „Die Zahlen zeigen, dass die chinesische Zustellerbranche zu fragmentiert ist, es herrscht eine drangvolle Enge an Anbietern. In den USA teilen die vier größten Zusteller 95 Prozent des Marktes unter sich auf", sagt Yong Hu, China-Generalbevollmächtigter der Konferenz der Expresszusteller Asien-Pazifik.

Chinas Zustellerbranche sei zwar groß, aber noch nicht stark, erklärt Ma Junsheng von des SPA. Auch mehrten sich die Kundenbeschwerden. Unzufriedenheit herrsche vor allem über lange Lieferzeiten vor nationalen Feiertagen. Dann scheinen die Unternehmen mit der Flut an Aufträgen überlastet und stehen gleichzeitig vor dem Problem eines Mitarbeiterschwundes. Viele Kuriere werfen angesichts harter Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung schon nach kurzer Zeit das Handtuch. Viele Kunden beklagen auch, dass einige Zusteller den Empfängern nicht erlaubten, den Zustand der Ware vor der Quittierung zu kontrollieren.

Im Dezember 2010 sorgte eine Filiale von Shentong Express in Shanghai mit Mängeln bei der Paketsortierung für Unmut bei der Kundschaft. Gegen die Zweigstelle wurde ein Bußgeld von 60 000 Yuan (rund 6400 Euro) sowie eine vierwöchige Sperre verhängt. Der Fall mache deutlich, dass es der Branche bisher an standardisierten Betriebsmethoden fehle, sagt Xu. Bisher verließen sich die Unternehmen überwiegend auf menschliche Arbeitskraft statt auf mechanisierte Abläufe.

Allein in der ersten Hälfte des laufenden Jahres hätte die Zahl der Kundenbeschwerden um 72,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, bestätigt der chinesische Verbraucherverband. Verspätete Zustellungen, der Verlust von Sendungen und unregulierte Gebühren seien das, was Verbraucher am häufigsten bemängelten, so das SPA.

 

Ist größer gleich besser?

Das Hauptproblem liege nach wie vor darin, dass die Branche so fragmentiert sei, sagt Xu. „Da jede Firma für sich genommen nur sehr klein ist, ist es für die meisten Unternehmen unmöglich, finanzielle Unterstützung zu erhalten, mechanisierte Sortierungsmethoden anzuwenden oder ihre Kuriere besser im Bereich Service zu schulen", so Xu.

Auch bei den Investitionen hinkt die Branche hinterher, wie der Bericht von Zero2IPO belegt. In den Onlinehandel werde bislang wesentlich umfangreicher investiert als in die Zustellerbranche. Von Anfang 2010 bis zur ersten Hälfte dieses Jahres habe es insgesamt 115 Investitionen in Unternehmen, die im Onlinehandel tätig sind, gegeben. Bei Logistikunternehmen, die mit dem Onlinehandel kooperierten, zählte der Bericht nur acht Fälle. Die meisten Expresszulieferer verfügten noch nicht einmal über eigene feste Vermögenswerte, was die Erhebung zusätzlich erschwere, sagt Xu.

Bisher ist auch noch kein chinesisches Kurierunternehmen an der Börse notiert. Das SPA  bereite derzeit den Börsengang ihrer Kurierdienstsparte vor, wie das Beijinger Wirtschaftsmagazin Caijing berichtet. 

Um die Reorganisation der zerklüfteten Branche zu realisieren, greift die Politik derzeit zu verschärften Kontrollen. Im Juni verkündete das SPA, dass 56 Unternehmen wegen fehlender Lizenzen aus dem Verkehr gezogen worden seien, die meisten davon seien lokale Vertragspartner der vier großen nationalen Zuliefernetzwerke ZTO, Shentong, Yunda und Yuantong.

Expresszusteller müssen vor der Geschäftsaufnahme eine offizielle Lizenz beantragen, so sieht es das im September 2009 verabschiedete Postgesetz vor. Auf diese Weise hofft die Regierung, die Zugangsschwelle für Neueinsteiger zu erhöhen. 

Im Juni dieses Jahres brachte die Regierung außerdem eine Richtlinie auf den Weg, die großen Expresszustellern Fördergelder zugesteht und zu Firmenzusammenschlüssen und Übernahmen ermuntert. Das SPA sicherte außerdem zu, den Prozess für die Genehmigung von Zusammenschlüssen und Übernahmen in der Kurierdienstbranche zu vereinfachen. Zusätzlich sollen weitere finanzielle und steuerpolitische Anreize geschaffen werden. Auch für die Erschließung von Grundstücken für Gewerbebauten soll es Zuschüsse geben. 

Die Regierung plant außerdem, Kurierunternehmen beim Börsengang und der Ausgabe von Schuldverschreibungen zu unterstützen. Ziel ist es, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Schwung von großen, international konkurrenzfähigen Zustellernetzwerken aufzubauen. Das Geschäft mit Expresssendungen sei eine aufstrebende Branche mit großem Potential, betont Ma. „Wir werden deshalb innovative Maßnahmen ergreifen, um diese Branche zu fördern."   

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