Ein Verleumdungsskandal um Mengniu überschattet das Image des Konzerns und versetzt der chinesischen Molkereiindustrie einen schweren Schlag.
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Während die 2008 bekannt gewordenen Fälle von verunreinigter Milch noch frisch im Gedächtnis sind, wird die Molkereiindustrie durch einen Skandal bei Mengniu erneut ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Diesmal geht es nicht um verunreinigte Milch, sondern um einen erbitterten Konkurrenzkampf innerhalb der Branche.
Die Polizei von Hohhot, Hauptstadt des Autonomen Gebietes der Inneren Mongolei, lud am 22. Oktober zur Pressekonferenz. Den Anlass lieferte eine von Mengniu angestiftete Kampagne gegen dessen Rivalen Yili.
Nach Angaben der Polizei hat An Yong, Produktmanager der Abteilung für Trinkmilch von Mengniu, in Zusammenarbeit mit einer Beijinger PR-Agentur falsche Anschuldigungen im Internet verbreitet. So wurde behauptet, dass ein Bestandteil von Yilis „QQ Star Children's Milk", die Fettsäure Docosahexaensäure (DHA), die vor allem von Seefischen wie Lachs und Hering geliefert wird, für Verbraucher gesundheitsschädigend sei. Vier Verdächtige wurden inhaftiert, unter ihnen An Yong. Zwei weitere Verdächtige bleiben bislang auf freiem Fuß.
Die Pressekonferenz sollte die Verunsicherung über Yilis Produkte ausräumen, es wird jedoch wohl noch geraume Zeit dauern, bis das Vertrauen der Konsumenten wiederhergestellt sein dürfte.
Aggressive Konkurrenz
Yili und Mengniu, beide mit Firmensitz in Hohhot, sind die zwei größten Molkereikonzerne Chinas. Angeblich haben sich die beiden Unternehmen in allen in einen Konkurrenzkampf verwickelt, der die ganze Wertschöpfungskette umfasst: Von den Rohmilchlieferanten bis in die Vertriebskanäle.
Im August 1999 gegründet, verfügt Mengniu heute über ein Gesamtkapital von mehr als 14,1 Milliarden Yuan (1,54 Milliarden Euro). Jährlich stellen rund 30 000 Beschäftigte mehr als sechs Millionen Tonnen Molkereiprodukte her. Innerhalb nur eines Jahres erlebte das Unternehmen phantastische Wachstumsraten und konnte seine Präsenz über ganz China ausweiten. Mittlerweile werden Mengnius Produkte sogar ins Ausland exportiert, darunter die Vereinigten Staaten und Kanada.
In der ersten Hälfte des Jahres 2010 war Mengniu mit einem Nettogewinn von 618,8 Millionen Yuan (66,4 Millionen Euro) unangefochtener Marktführer, in weitem Abstand gefolgt von Yili mit 345 Millionen Yuan (37 Millionen Euro).
Während Mengniu den Markt für Trinkmilch dominiert, ist Yili führend im Bereich Milchpulver. Angeheizt wurde der Konkurrenzkampf, als beide Unternehmen einen Abstecher in den Markt für Säuglingsmilch machten.
2006 wurde Yilis neueste Produktentwicklung, die „QQ Children's Milk", ein Verkaufsschlager. Daraufhin folgte Mengniu 2008 mit der Markteinführung von „Star of Future Children's Milk". Beide Produkte wiesen erstaunliche Ähnlichkeiten auf, Yili konnte jedoch seinen hohen Marktanteil erfolgreich verteidigen.
An Yongs Onlinekampagne zielte darauf, das Image des Konkurrenzprodukts zu schädigen und somit Mengnius Absatz zu beflügeln.
Die Polizei von Hohhot bestätigte, dass An Yong die Beijinger Bosse PR Consulting Co. Ltd. engagierte, um die Schmutzkampagne loszutreten. Auf seiner offiziellen Webseite bezeichnet sich das PR-Unternehmen als Think Tank von Mengniu und betont, es habe in beratender Funktion zur raschen Expansion des Unternehmens beigetragen.
Weiter enthüllte die Polizei, dass der stellvertretende Geschäftsführer der PR-Agentur, Xiao Xuemei, und drei weitere Mitarbeiter einen Plan entwickelten, um auf arglistige Weise den Ruf Yilis zu schädigen. Die der Milch zugesetzte Docosahexaensäure (DHA) schien ein geeigneter Ansatzpunkt für eine Kampagne. Die Fettsäure dient dem Aufbau von Nervenzellen, weshalb sie eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns von Säuglingen spielt. Sie ist in Muttermilch enthalten, nicht aber in Kuhmilch. Die PR-Agentur setzte nun das Gerücht in die Welt, dass die aus Fischöl gewonnene DHA gesundheitsschädlich sei, weil sie zur frühzeitigen sexuellen Entwicklung beitrage. Das von Mengniu der Milch zugesetzte DHA stamme hingegen von Algen und sei daher unbedenklich.
Die Onlinekampagne, deren Kosten sich auf etwa 280 000 Yuan (30 074 Euro) belaufen, wurde durch ein Beijinger Internetmarketing-Unternehmen umgesetzt, wobei zur Verbreitung des Gerüchts die ganze Bandbreite des Mediums ausgeschöpft wurde. Dazu zählten Postings in Foren, Blogs und Webseiten. Es wurde sogar eine Unterschriftenaktion unter Bürgern mit dem Ziel initiiert, auf ein Verbot von DHA aus Meerestieren hinzuwirken.
Von der Polizei in Hohhot wurde bestätigt, dass die Onlinekampagne in einem erheblichen Maße negative Aufmerksamkeit auf Yili zog. So soll der meistgelesene Beitrag zum Thema mehr als 200 000 Treffer verzeichnet haben.
Weitreichende Konsequenzen
Mengniu weist jegliche Verstrickung in derart unsaubere Methoden von sich und besteht darauf, dass An ohne Wissen oder Zustimmung des Unternehmens gehandelt habe.
„Wir bedauern die negativen Folgen für Yili und die Konsumenten zutiefst", ließ das Unternehmen am 22. Oktober in einer Darstellung verlauten. „Ohne zuvor seinen Abteilungsleiter konsultieren zu haben, hat An in Zusammenarbeit mit der PR-Agentur, die bei uns unter Vertrag steht, online die Anschuldigung verbreitet, dass das von Yili verwendete Fischöl für Menschen gesundheitsschädigend sei. Er muss die Verantwortung für die Folgen seiner Taten tragen."
In der Erklärung heißt es weiter, An sei vor seinem 2005 erfolgten Wechsel zu Mengniu Mitarbeiter bei Yili gewesen, wo ihm allerdings gekündigt worden sei.
„Wir werden aus diesem Vorfall lernen, das interne Management und die Mitarbeiterschulung zu stärken, um solch bedauerlichen Vorfälle in Zukunft auszuschließen", sagt Mengniu.
Allerdings ging Mengniu in seiner Darstellung auch in die Offensive. Es beanstandete, dass Yili im Zeitraum von 2003 bis 2004 mehr als 5,9 Millionen Yuan (630 000 Euro) für PR-Kampagnen ausgegeben habe, um öffentlichkeitswirksame Attacken gegen Mengniu zu fahren.
Yili reagierte prompt und bezeichnete diese Vorwürfe als durchsichtigen Versuch, von der eigenen Schmutzkampagne abzulenken. „Dieser Vorfall ist noch immer ungelöst", zitierte die Beijing News einen anonymen PR-Manager von Yili. „Warum kramen die Leute von Mengniu jetzt Dinge hervor, die Jahre zurückliegen? Etwa um die Öffentlichkeit zu verwirren?"
Verleumdungen und Gegendarstellungen unterstreichen die brutale Härte des Wettbewerbs auf dem nationalen Molkereimarkt. Dieser wurde bereits 2008 schwer durch den Melanin-Skandal von Sanlu getroffen, der zu Todesfällen unter Säuglingen führte, Zehntausende mussten ins Krankenhaus. Sanlu meldete schließlich Konkurs an.
Solch unlauterer Wettbewerb schädigt die Industrie dauerhaft, warnt Wang Dingmian, ein Molkereiexperte und ehemaliger Vorsitzender des Chinesischen Molkereiverbandes.
Die Unternehmen müssten zunächst lernen, mit ihrer sozialen Verantwortung umzugehen und durch Branding und Marketing das Vertrauen der Konsumenten erwerben, anstatt sich gegenseitig anzugreifen, so Wang weiter.
Tan Qiugiu, Professor an der Chinesischen Universität für Politik und Recht, glaubt, dass es höchste Zeit ist, den aggressiven Wettbewerb zu zügeln. Illegale Marketingstrategien zerstören nicht nur den Ruf der rivalisierenden Unternehmen, sondern auch den der Industrie als Ganzes und beschädigen zudem das Vertrauen der Konsumenten.
„Der Wettbewerb zwischen chinesischen Molkereiunternehmen begünstigt die Etablierung ausländischer Unternehmen", sagt Chen Lianfang, Senior Analyst der in Orient Agribusiness Consulting Ltd. mit Sitz in Beijing.
Eine erwachsene Marke, insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie, sollte der Qualität seiner Produkte weitaus mehr Aufmerksamkeit schenken als der Pflege seines Markennamens. Vor allem das Onlinemarketing sollte strenger überwacht werden, damit ein gesundes Geschäftsklima entstehen kann, sagt Chen. |