24-08-2010
Made in China
Fotografieren für China
 

In der Wangfujing Straße in Beijing ist dieses Schaufenster vielleicht das Schaufenster, das die meisten Blicke auf sich zieht. In ihm sind die Fotos von drei großen Chinesen zu sehen: Liu Shaoqi, Mao Zedong und Zhou Enlai. Jedes Foto ist mit einem goldenen Rahmen versehen. Die Chefin des Hauses "Fotoatelier China" , Sun Xiuzhen, erinnert sich, dass vor einigen Jahren im Zuge von Renovierungsarbeiten die drei Fotos der Auslage entnommen und einige Tage lang im Laden verwahrt wurden. Am nächsten Morgen rief ganz aufgeregt ein ausländischer Journalist an und fragte, ob es in China einen Umsturz gegeben hätte. Sun Xiuzhen hätte gar nicht daran gedacht, aber die Befürchtungen des Reporters waren so unbegründet nicht, denn wenn früher politische Veränderungen einsetzen, wurden auch die Fotos im Schaufenster an der Wangfujing Straße ausgetauscht. 

Die rote Tradition

Das unscheinbare Gebäude des "Fotoatelier China" ist nicht so prachtvoll wie andere Hochhäuser in der Wangfujing Straße. Aber noch immer ist es das bevorzugte Atelier der Prominenz aus Politik, Wissenschaft und Showbusiness. Sie alle halten dem berühmten Fachgeschäft die Treue. Ein Mitarbeiter sagt: „Fast alle Berühmtheiten haben sich hier fotografieren lassen."

Die rote Tradition geht auf das Jahr 1956 zurück. Der damalige Beijinger Bürgermeister Peng Zhen hatte das Atelier in Shanghai entdeckt und regte einen Umzug nach Beijing an.  Der Leiter der Arbeitsgruppe, die den Umzug organisieren sollte, sagte: „Genossen, es ist sehr wichtig, der Hauptstadt ein gutes Erscheinungsbild zu verschaffen. Die Beijinger brauchen eure Hilfe. Kommt deshalb nach Beijing und unterstützt den Aufbau der Hauptstadt."

Ministerpräsident Zhou Enlai bestimmte schließlich den Standort für das "Fotoatelier China" an der Wangfujing Straße. Am 25. September 1956 wurde der Laden eröffnet. 

Von schönen Schauspielerinnen und amerikanischen Soldaten

Schon vor 71 Jahren lagen in Shanghai im Schaufenster des "Fotoatelier China" stilvolle Fotografien. Etwa das Bild der Hongkonger Filmschönheit Chen Yunshang. Sie spielte die Hauptrolle im Film "Hua Mulan", damals ein Kassenschlager in der Stadt. Das "Fotoatelier China" erwarb das Monopol zu Herstellung und Vertrieb des Starfotos. Innerhalb von nur einem halben Jahr wurden mehr als 50 000 Abzüge der Fotografie der Schauspielerin verkauft. Vor dem Schaufenster drängten sich die Leute, um  Chen Yunshang zu bewundern. 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, lagen die Fotos von amerikanischen Soldaten im Schaufenster. Nachdem die Marines in Shanghai zur Entwaffnung der japanischen Besatzer gelandet waren, bediente das "Fotoatelier China" jeden Tag mehr als 100 amerikanische Kunden, die Porträtaufnahmen von sich machen ließen. Die Geschäfte liefen glänzend.

1956 dann der Umzug nach Beijing: alle Laboreinrichtungen und sogar die achtzehn wichtigsten Angestellten kamen in die Hauptstadt, um dort die Arbeit als Staatsbetrieb aufzunehmen. "Als das Atelier verstaatlicht wurde, weinten viele Kollegen", sagt Xu Songyan, ein rüstiger Rentner und einer der achtzehn, die aus Shanghai nach Beijing übersiedelten.   

Fototermin für Zhou Enlai

An einem Sonntag im Dezember 1956 traf Zhou Enlai mit Sekretär und Leibwächtern im "Fotoatelier China" ein. Yao Jingcai war gerade dabei, einen Soldaten zu fotografieren. Alle waren sehr erstaunt über das Erscheinen des Ministerpräsidenten. Der Soldat stand auf und salutierte. Er wollte, dass der Fotograf zuerst den Ministerpräsidenten fotografierte. Aber der Ministerpräsident meinte: "Wer zuerst kommt, wird zuerst bedient!"

Yao Jingcai fertigte sechszehn Fotos von Zhou Enlai an. Der Ministerpräsident wählte dann eine Fotografie zur Bearbeitung aus. Zhang Kongjia retuschierte die Aufnahme. Er verwandelte das weiße Herrenhemd in einen Mao-Anzug. Und er beseitigte die greisenhaften Gesichtsflecken des Ministerpräsidenten. 

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