19-11-2014
Kultur und Kunst
Spuk in Chinas Metropolen
von Florence Schulz

Kinder auf der Suche nach Halloween-Süßigkeiten auf einer Straße in Queens, New York, am 31. Oktober 2013

Neulich war wieder Halloween, und wie jedes Jahr wurde es auf der ganzen Welt, von Neuseeland bis Dänemark, hingebungsvoll gefeiert. Auch an China ist das nicht vorbeigegangen. In den Metropolen des Landes fanden am Wochenende um den 31. Oktober unzählige Halloween-Parties statt und einem Spaziergänger wird an Halloween in Beijing oder Shanghai eine erstaunliche Horde an Hexen, Zombies oder Fabelwesen entgegengekommen sein.

Junge Chinesen erfreuen sich an dieser willkommenen Gelegenheit, sich zu verkleiden, ebenso wie ihre Altersgenossen in den USA und gehen mit viel Fantasie an ihre Kostümierungen. Überhaupt nimmt das Brimborium um Halloween auch in China immer vielfältigere Ausmaße an. So fand in Shanghai dieses Jahr der dritte Zombiemarsch statt, bei dem über 100 Zombies durch das Stadtzentrum schlurften und die Mengen begeisterten. In Beijing hat sich das Happy Valley ganz auf Halloween eingestellt und begeisterte die Massen mit einer Geisterstadt. Der Suchende findet zu Halloween Kürbisschnitz-Kurse, Horrorfilm Workshops oder sogar eine „Halloween-Kissenschlacht" für die sanfteren Gemüter.

 Es ist allerdings keine 15 Jahre her, da war der Begriff „Halloween" außerhalb der USA noch weitestgehend unbekannt. Heutzutage kennen es alle, Halloween ist ein weltweiter Exportschlager. Doch was feiern wir an diesem Tag überhaupt, und woher kommt dieses Fest?

 

Totenschädel gehören zur großen Auswahl an Halloweenartikeln, die zum 31. Oktober im Halloween-Club in Montebello, Kalifornien, zu finden sind

Die Nacht der Geister

Namentlich stammt Halloween vom Begriff All Hallow's Eve ab, also dem Abend vor Allerheiligen. Der 31. Oktober leitet die Dreitagefeier von Halloween, Allerheiligen und danach Allerseelen ein, die zu den wichtigsten christlichen Festen gehören. Doch ungeachtet des Namens ist die eigentliche Herkunft von Halloween wissenschaftlich ungeklärt. Fest steht: Zuerst feierten es die Iren und ihre britischen Nachbarn. Forscher sind sich allerdings uneinig darüber, ob das Fest christlichen oder keltischen Ursprungs ist. Laut einer der gängigsten Theorien entstammt Halloween dem keltischen Samhain-Fest, bei dem das Ende der Erntezeit zelebriert wurde. Das Vieh wurde von den Weiden geholt, man gedachte der Ernte und zündete Freudenfeuer, sogenannte bonfires, auf den Hügeln an. Doch Samhain war auch ein Fest der Toten.

Dem keltischen Glauben nach verdünnte sich die Wand zwischen dem Dies- und dem Jenseits an Samhain, sodass die Toten ins Reich der Lebenden eindringen konnten. Man gedachte also der Verstorbenen, indem man für sie Feuer anzündete und Essen zubereitete, manchmal wurde am Esstisch ein Platz eingedeckt – Bräuche, die auch im Christentum bekannt waren. In frühen irischen Aufzeichnungen finden sich Erwähnungen sogenannter „Aos Sí", die ebenfalls in der Nacht zu All Hallow's Eve umhergeistern sollten. Diese Wesen, sowohl gefürchtet als auch respektiert, waren vermutlich eine Art Überbleibsel ehemaliger heidnischer Götter, die durch die Verbreitung des Christentums zu Spukwesen degradiert wurden. Um die Aos Sí gnädig zu stimmen, stellte man ihnen Essen und Opfergaben raus und entzündete Feuer, um sich vor ihnen zu schützen.

 Ein Teilnehmer der alljährlichen Halloween-Parade in New York  am  31. Oktober im Jahr 2013

Kürbisse, Masken und Süßigkeiten

Da die Toten und andere Wesen aus der Nachwelt den Menschen offensichtlich nicht ganz geheuer waren, wurde es in Großbritannien ab dem 16. Jahrhundert üblich, sich an Halloween zu maskieren. Wer nicht sonderlich erpicht darauf war, von Verstorbenen erkannt zu werden, die es womöglich nicht gut mit einem meinten, trug zu Halloween eine Maske oder Verkleidung.

 Die Verkleidung ist natürlich ein essentieller Bestandteil eines jeden gelungenen Halloweens, aber für Kinder besteht der besondere Reiz in etwas anderem – es gibt nämlich Süßigkeiten zu ergattern. Das sogenannte „trick or treat", auf Deutsch „Süßes oder Saures", geht nachweislich auf die christliche Tradition der „Soul cakes" zurück. In der Nacht vor Allerheiligen wurden diese kleinen Kuchen zubereitet und dann an Bedürftige verteilt, meist Kinder oder Bettler, die an Halloween von Tür zu Tür gingen, für verstorbene Seelen beteten und dafür die Gebäcke erhielten. Genauso wichtig am 31. Oktober sind die ausgehöhlten Kürbisse, das Symbol für Halloween schlechthin.

 Der im angelsächsischen Raum als Jack-o'-Lantern bekannte grinsende Kürbis geht auf eine irische Volkssage zurück, der Geschichte vom sündhaften Jack. Dieser begegnet eines Tages dem Teufel und schafft es, diesen einzufangen. Er befreit ihn nur unter der Bedingung, dass der Teufel niemals seine Seele nehmen würde. Als Jack nach einem Leben in Sünde der Zugang ins Paradies verwehrt wird, hält sich der Teufel an sein Versprechen und nimmt ihn nicht in sein Reich auf. Er bewirft Jack mit einem glühenden Stück Kohle aus der Hölle, die Jack in eine ausgeschnitzte Rübe steckt, um sich zu wärmen. Von da an bis in alle Zeit irrt Jack als Geist mit seiner Rübe umher, weder tot noch lebendig. Um den Toten den Weg zu zeigen, werden an Halloween, in Anlehnung an diese Sage, noch immer Kerzen in Kürbisse oder Rüben gestellt.

Ein weltweiter Kassenschlager

Obwohl Halloween ein im Ursprung europäisches Fest ist, wurde es erst in den 1990er Jahren aus den USA „zurückimportiert". Aufgrund der massiven Einwanderung aus Irland und Schottland im 19. Jahrhundert verbreitete sich Halloween in den USA schnell, wenn auch zuerst nur unter Katholiken. Heutzutage hat Halloween die ganze Welt erobert und es lässt sich nicht leugnen, dass das Fest inzwischen auf hauptsächlich wirtschaftlichen Interessen beruht. Der Markt hat den Trend erkannt und produziert jedes Jahr massenhaft Süßigkeiten, Verkleidungen, Spielzeug und alle erdenklichen Produkte zum Thema Halloween. Die Industrie ist riesig, allein in den USA erzeugt das Fest jährlich einen Umsatz von etwa 8 Milliarden Dollar.

 Das moderne Halloween hat ganz offensichtlich nichts mehr mit dem Gedenken an Tote zu tun, doch die meisten Religionen zelebrieren ohnehin ihre eigenen Totenfeiern. So begehen der Taoismus und Buddhismus alljährlich am 15. des siebten Monats das Geisterfest, 鬼节 oder guǐ jié genannt, indem den Toten Opfergaben erbracht werden und Weihrauch verbrannt wird. Aber an Halloween geht es ja dann doch um andere Dinge, weshalb sich das Fest auch in China jedes Jahr wachsender Beliebtheit erfreut.

 Nachdem in Beijing im letzten Jahr eine Halloween Party in der U-Bahn abgehalten wurde, steht die Polizei dem ganzen Spuk allerdings weniger kooperativ gegenüber. Für 2014 wurde von offizieller Stelle verkündet, wer seltsame oder verstörende Verkleidungen in der U-Bahn trüge und damit eine Panik rauslöse, könne von der Polizei verhaftet werden. „Sollte ein ernsthaftes Chaos ausbrechen und eine panische Flucht oder eine andere Störung der öffentlichen Sicherheit verursachen, wird die Polizei gemäß den gesetzlichen Vorschriften entschieden eingreifen.", zitiert Reuters die Polizeibehörde. Die Armeen an Zombies und Monstern, die China in den kommenden Jahren wohl einnehmen werden, sollten sich also in Acht nehmen.