Neue Unterrichtsmodelle im tibetischen autonomen Bezirk Hainan erweisen sich als erfolgreich.
Leckeres Essen: Schüler beim Mittagessen in der Schulkantine der Ethnischen Internatsgrundschule in Gonghe (Pan Xiaoqiao)
Ji Caiben ist ein tibetischer Drittklässler an der Ethnischen Internats-Grundschule im Bezirk Gonghe. Er isst in der Schulkantine mit seinen Klassenkameraden zu Mittag. Dort werden täglich drei Mahlzeiten unentgeltlich für die Schüler des Internats zur Verfügung gestellt. Heute gibt es süßen tibetischen Reis zu Mittag. Die Schule bereitet wöchentlich mehr als 20 verschiedene Mahlzeiten zu.
Es sind insgesamt 57 Schüler in seiner Klasse. Fast die Hälfte besteht aus Han-Chinesen, die andere Hälfte aus Tibetern.
„Ich denke nicht, dass wir anders sind. Wir haben Unterricht zusammen und spielen zusammen. Ich glaube, dass mein Chinesisch nun besser ist als mein Tibetisch", erklärt er schüchtern lächelnd. „Ich liebe es hier an der Schule. Außerdem bin ich der Schnellste in meiner Stufe. Ich würde gern Läufer werden, wenn ich groß bin."
Jis Familie wohnt in einer abgelegenen ländlichen Gegend. Ji braucht mehr als eine Stunde für seinen Weg nach Hause – wie die meisten seiner Klassenkameraden, die vom Land stammen. Er bleibt die meiste Zeit am Internat, nur am Ende jeden Monats besucht er seine Familie zu Hause.
Der autonome tibetische Bezirk Hainan in der nordwestlichen Provinz Qinghai ist die Heimat von 27 Ethnien, einschließlich Tibetern, Mongolen, Han und Mitglieder der Hui-Nationalität. Die Tibeter allein machen 65 Prozent der Gesamtbevölkerung in diesem Bezirk aus.
Da viele von ihnen in abgelegenen ländlichen Gebieten leben, die über unzureichende Bildungseinrichtungen verfügen, hat die lokale Regierung im Jahr 2005 entschieden, die bisherigen 372 Grund- und Mittelschulen zu 66 Schulen zusammenzulegen, um den 38.000 Schülern vom Land bessere Bildungseinrichtungen in den Städten zu bieten.
Vielversprechende Ansätze
Die lokale Regierung gibt jedem Kind, das auf Jis Internat geht, eine jährliche Subvention von 2000 Yuan (333 Dollar), für die Eltern der Kinder fallen lediglich Kosten in Höhe von 500 Yuan (83 Dollar) an.
Die Schule bietet zwei Unterrichtsmodelle an. Beim ersten Modell wird der gesamte Unterricht mit Ausnahme des Chinesisch-Unterrichts auf Tibetisch durchgeführt; beim zweiten Modell werden alle Fächer mit Ausnahme der Tibetisch-Stunden auf Chinesisch unterrichtet. Wie an allen chinesischen Schulen wird auch hier ab der dritten Klasse Englisch unterrichtet.
Die Kinder entscheiden selbst, welches Unterrichtsmodell sie bevorzugen. Allgemein kann man sagen, dass die städtischen Kinder das chinesische, die Kinder vom Lande das tibetische Modell bevorzugen, da dies die Sprache ist, die sie in ihrem Alltag benutzen. Sie müssen sich keine Sorgen um die Hochschulaufnahmeprüfung machen, da die Minzu-Universität (Zentrale Universität für Nationalitäten ) in Beijing und die Nordwest-Universität für Nationalitäten in Lanzhou und weitere Universitäten allesamt Kurse in indigenen Sprachen, einschließlich der tibetischen Sprache, anbieten.
Debatte: Schüler praktizieren „Yinmingxue" an der Minderheiten-Oberschule Nr. 1 des Bezirkes Hainan (Pan Xiaoqiao)
Um die tibetische Kultur zu fördern, wird an drei Tagen in der Woche Guozhuang, eine Art tibetischer Lagerfeuer-Tanz, unterrichtet, zu dem die Trommelband der Schule in traditioneller tibetischer Tracht spielt.
Früher haben die tibetischen Kinder im April und Mai oft im Unterricht gefehlt, da sie ihrer Familie dabei halfen, die wertvolle Pflanze „Aweto" zu sammeln, die viel Geld einbringt. „Dank des verbesserten Bildungssystems und der erhöhten Subventionen sehen sich die Eltern heutzutage nicht mehr gezwungen, ihre Kinder vom Unterricht fernzuhalten", so Hua Bentai, Direktor des Bildungsbüros in Hainan.
Die „Hainan No.1 Minority High School" ist ebenfalls ein Internat mit einer großen Zahl tibetischer Schüler. Die Schule bietet ebenfalls zwei Unterrichtsmodelle an, die vom Prinzip her den Modellen der zuvor vorgestellten Grundschule ähnlich sind. Zudem legt die Schule viel Wert darauf, ihren Unterricht in mindestens ein oder zwei Aspekten einzigartig und herausragend zu gestalten.
Yinmingxue, auch als „hetuvidyā" auf Sanskrit bekannt, ist eine Lehre, die Logik auf buddhistische Weise erklärt. Sie wird im tibetischen Buddhismus praktiziert und wurde 2007 in das Schulprogramm aufgenommen. Zwei Seiten debattieren Aspekte aus buddhistischen Skripten, die sie als gegensätzlich ansehen.
Nach Angaben der Schule kann man durch diese Lehrmethode tibetische Kultur mit moderner Bildung perfekt kombinieren, um das logische Denken der Schüler zu trainieren. Jede Woche findet jeweils eine Theoriestunde und eine Praxisstunde in Yinminxue statt. Schüler werden dazu ermutigt, mit ihren Mitschülern über diverse Themen und Probleme aus verschiedenen Bereichen zu diskutieren. Vom regulären Unterricht abgesehen veranstaltet die Schule noch zusätzliche Wettbewerbe und bietet außerschulische Arbeitsgruppen an.
Die Schule hat 2007 ein Baseball-Team zusammengestellt, was den Austausch mit anderen chinesischen Schulen fördert, da das Team in den Sommer- und Winterferien zu Partnerschulen in die Provinz Jiangsu fährt. Begabte Schüler haben die Möglichkeit, an Wettkämpfen mit Baseball-Teams aus anderen Provinzen teilzunehmen und Sommerferienlager zu besuchen.
Teammitglied Xianba Cairang gewann den Titel „Spieler des Jahres 2013" beim „Pony Baseball World Series Asia-Pacific Zone Tournament", das vom 29. Juli bis 2. August 2013 in Seoul stattfand.
Da viele Schüler mit Tibetisch aufgewachsen sind, verbringen die Lehrer ihre Freizeit damit, Lehrmaterialien vom Chinesischen ins Tibetische zu übersetzen, damit die tibetischen Kinder sie leichter lesen und verstehen können. Viele der übersetzten Bücher befassen sich mit Mathematik und Naturwissenschaften, eine große Herausforderung für die Lehrer. Dennoch lohnt sich die harte Arbeit – denn nicht nur die eigene Schule profitiert davon, auch viele andere Schulen in einer ähnlichen Situation können sich daran orientieren. Schließlich ist es das erste Mal, dass Lehrbücher ins Tibetische übersetzt werden.
Ausgerüstet für die Zukunft
Die Berufs- und Fachschule des Bezirkes Hainan ist eine staatliche Fachschule mit 87 Prozent tibetischen Schülern. Ganze 97 Prozent dieser Schüler stammen vom Land. Aufgrund finanzieller Probleme haben viele von ihnen noch nie eine Grund- oder Mittelschule besucht.
Nützliche Fähigkeit: Ein Mädchen übt sich in tibetischer Stickerei an der Berufs- und Fachschule des Bezirkes Hainan (Pan Xiaoqiao)
An dieser Schule können die Schüler wichtige Fähigkeiten erlernen und müssen sich um ihren Alltag keine Sorgen machen, da der Staat großzügige Zuschüsse gewährleistet. Insgesamt werden an der Schule elf Fächer angeboten, u.a. Kfz-Mechaniker, tibetische Medizin, Buchhaltung und traditionelle Kunst wie z.B. Thangka und tibetische Stickerei.
Tsering Dolma ist eine 28-jährige Lehrerin. Sie unterrichtet seit sechs Jahren tibetische Stickerei an dieser Schule, an der sie auch ihren eigenen Abschluss machte. Das Pferdemotiv, an dem sie zur Zeit arbeitet, ist eine Bestellung von einem amerikanischen Klienten, für die sie 10.000 Yuan (1.600 Dollar) erhalten wird.
Einige Schüler in ihrem Stickerei-Kurs sind Waisen, während andere aus Familien mit nur einem Elternteil kommen. Wenn sie fertig sind mit der Schule, können sie ihre Handarbeiten wie ihre Lehrerin zu einem guten Preis verkaufen und brauchen sich um ihren Unterhalt oder den Unterhalt ihrer Familie keine Sorgen mehr zu machen. Viele der Absolventen bleiben zu Hause und arbeiten an Stickereien, die Firmen in Auftrag gegeben haben und die dann in Qinghai und Umgebung oder in einem noch größeren Umkreis verkauft werden.
(Reportage aus der Provinz Qinghai)
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