12-04-2013
Kultur und Kunst
„China war so weit weg wie ein anderer Planet“
von Maike Schulte

 

In der Deutschen Botschaft las Uwe Kräuter aus seiner  Autobiographie „So ist die Revolution, mein Freund".

  

Blickt auf ein bewegtes Leben zurück: Uwe Kräuter (re.) las in Beijing aus seiner Autobiografie (Foto von Maike Schulte) 
 
Er ist sicher einer der bekanntesten Deutschen in China. Nicht nur weil er schon seit fast 40 Jahren in Beijing lebt, sondern auch weil sein Leben wie das Drehbuch für einen Abenteuerfilm erscheint. Am Freitag las Uwe Kräuter in der Deutschen Botschaft aus seiner Autobiographie „So ist die Revolution, mein Freund" und entführte die Leser in das China der 1970er Jahre, ein Land, „das so weit weg war wie ein anderer Planet".

Mittlerweile hat Kräuter nicht nur unter den in China lebenden Ausländern so etwas wie Prominentenstatus, auch deutsche Medien berichten immer wieder über ihn. Für die Chinesen scheint er ebenfalls ein Faszinosum zu sein. Immerhin ist der Heidelberger mit Shen Daping, einer der bekanntesten Schauspielerinnen des Landes, verheiratet. Der Veranstaltungssaal füllte sich jedenfalls schnell mit Zuhörern aus beiden Ländern, die ausgelegten Buchexemplare waren im Nu verkauft.

Kräuters Biographie ist nicht immer literarisch anspruchsvoll, aber ein sehr spannendes und anschauliches Stück Zeitgeschichte. Als ihm nach einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg eine Gefängnisstrafe droht, flüchtet der Student und überzeugte Maoist 1974 nach China. Zwei Jahre wollte der Heidelberger ursprünglich bleiben, daraus wurden am Ende fast vier Jahrzehnte. So wie sich das Land in dieser Zeit zu einer der größten Wirtschaftsmächte der Welt wandelte, wandelte sich auch Kräuter. Heute ist er erfolgreicher Unternehmer im Medien- und Kulturbereich - er brachte „Derrick" nach China - und hat beste Kontakte in die Machtelite.

Bei der Lesung konzentrierte er sich allerdings auf seine ersten Schritte im Reich der Mitte, eine Zeit, in der Ausländer seltene Exoten waren und der Kontakt mit ihnen alles andere als selbstverständlich. Er erzählt, wie sich bei einem Einkauf in der Wangfujing-Straße staunende Menschentrauben um den Fremden sammelten. Auch Kräuter fremdelt in der neuen Heimat. „Kleine Schocks" habe er bei seiner ersten Besichtigung Beijings „mit den Häuserdächern wie Wellen" empfunden, wo die Straßen schon damals acht bis zehn Spuren breit waren, bevölkert mit Myriaden von Fahrrädern statt Autos, erzählt Kräuter.   

Seine Arbeit bei einem Verlag für fremdsprachige Literatur bringt ihn in Kontakt mit den Mächtigen des Landes. Zur Feier des 25-jährigen Bestehens der Volksrepublik China erhält er eine Einladung in die Große Halle des Volkes. Als der damals schon schwer kranke Premierminister Zhou Enlai erscheint, ist das für den überzeugten Maoisten ein „historischer Moment".

Die Schattenseiten einer vom Westen weitgehend isolierten Gesellschaft lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Plötzlich spricht man auf der Arbeit nicht mehr mit ihm. „Ich weiß bis heute nicht, warum", berichtet Kräuter. Ein Brief an den damaligen Propaganda-Chef bewahrt ihn vor dem Ende seines Arbeitsvertrages und der Ausweisung. Auch die Liebesbeziehung zur Schauspielerin Shen Daping wurde anfangs nicht gern gesehen. „Wir mussten uns mit Freunden in der Gruppe treffen, damit es nicht auffiel", so Kräuter. Man beschuldigte ihn sogar der Spionage, um eine Hochzeit zu verhindern. „Wer sagt denn, dass Spione nicht heiraten dürfen", soll seine künftige Ehefrau daraufhin gesagt haben. Mit der Heirat waren die Weichen für ein dauerhaftes Leben im Reich der Mitte dann endgültig gestellt.

„Ich nehme von beiden Kulturen das Beste", resümierte Kräuter zum Abschluss der Lesung. Mittlerweile fliegt er mehrere Male im Jahr in seine alte Heimat, um alte Freunde zu besuchen. Sein Deutschland-Fazit fällt allerdings eher ernüchternd aus: „Seit 30, 40 Jahren hat sich dort in den Köpfen der Menschen nicht viel bewegt", meint er. „In China ist dagegen alles in Bewegung, es passiert viel. Mir fehlt hier nichts."

Uwe Kräuter: „So ist die Revolution mein Freund. Wie ich vom deutschen Maoisten zum Liebling der Chinesen wurde", Herder Verlag, Freiburg 2012