Humor kennt keine Grenzen?
Roger Christiansen, Regisseur der international erfolgreichen Comedy-Serie "Friends" ist zuletzt im Mai dieses Jahres in Beijing und Shanghai gewesen. Jedes Mal, wenn er nach China kommt, bereiten ihm seine Fans den herzlichsten Empfang.
"Friends" hat in seiner zehnjährigen Laufzeit eine treue Gefolgschaft in China gefunden und ist nicht in Vergessenheit geraten, obwohl die letzte Klappe für die Serie bereits im Jahr 2004 fiel.
Christiansen, der im Jahr 2000 die Regie der Serie übernahm, zeigt sich erstaunt über den Erfolg der Situationskomödie in China, denn eigentlich war die Serie für ein amerikanisches Publikum gedacht. Er meint, dass überall auf der Welt die Menschen aus unterschiedlichen Gründen die Serie schätzen gelernt haben.
Er räumt ein, dass er nicht damit gerechnet hätte, dass der Humor der Serie auch in China verstanden wird und sich das heimische Publikum bestens amüsiert bei den Abenteuern der Freunde. Dies sei ungewöhnlich, da Humor oft kulturspezifisch ist und gemeinhin als unübersetzbar gilt. Obwohl in der Sendung eine andere Kultur im Mittelpunkt steht, seien gewisse Elemente doch allen Menschen gemeinsam, meint Christiansen.
"Friends" ist das seltene Beispiel einer Komödie mit Markencharakter, die eine weite Verbreitung gefunden hat. Wenn die Leute eine Folge von "Friends" sehen, dann gehen sie vollkommen mit der Handlung mit und lachen, bangen und weinen mit ihren Helden, ganz so, als seien es wirklich ihre Freunde, sagte Christiansen bei seiner letzten Visite gegenüber chinesischen Journalisten.
Er meint, dass chinesische TV-Serien deutlich besser geworden seien und sich parallel zu amerikanischen Produktionen weiterentwickeln würden. Da die Produzenten voneinander lernten, seien die Drehbücher, die Lichtsetzung und die Geräuscheffekte immer anspruchsvoller geworden.
Die Beliebtheit amerikanischer Sitcoms wie "Friends" hat sehr zur Entwicklung der heimischen TV-Serienkost beigetragen.
Situationskomödien gab es in China erstmals 1982 zu sehen, als die amerikanische TV-Serie "My Favorite Martian" („Mein Onkel vom Mars"), produziert von 1963-1966, von einer ganzen Reihe von Lokalsendern ausgestrahlt wurde. Bis dahin hatte kaum je ein Chinese dieses Fernsehformat zu Gesicht bekommen.
Im darauf folgenden Jahrzehnt unterhielt eine andere amerikanische Sitcom, "Growing Pains" („Unser lautes Heim"), produziert von 1985 bis 1992, das chinesische Publikum mit amüsanten Geschichten rund ums Familienleben. Sitcoms sind so zu einem der beliebtesten Sendeformate auf dem chinesischen Festland geworden.
Die erste Sitcom aus heimischer Produktion, "Wo ai wo jia" ("Ich liebe meine Familie"), feierte 1994 Premiere. Die Serie war außerordentlich populär und hat noch heute unzählige Fans. Ähnlich wie bei "Growing Pains" dreht sich in der Komödie alles ums Familienleben. Erzählt werden Geschichten um drei Generationen einer Familie und ihrer Nachbarn. Dabei wird ein lebendiges Bild des Alltagslebens ganz normaler Leute gezeichnet. Chinesischer Humor im amerikanischen Seriengewand.
Geeignet für die Primetime
Der Erfolg amerikanischer TV-Serien fordert zwangsläufig zum Vergleich mit heimischen Produkten heraus.
"Nach dem Gucken von "Dr. House" habe ich die chinesischen Arztgeschichten nicht mehr aushalten können. Ich finde sie primitiv und langweilig", sagt Wang Qiang (28), erklärter Fan des amerikanischen TV-Doktors.
Amerikanische Serien gehen stark auf die Bedürfnisse der Zuschauer ein. Ganz gleich, wohin sich die Handlung gerade entwickelt, wenn die Einschaltquoten schwächeln, wird die Serie gnadenlos eingestellt, weiß Medienmacher Wu Mengjie.
Nach Einschätzung von Gao Qunshu, einem chinesischen Regisseur, der bekannt ist für seine Krimiserien, haben die Amerikaner vor allem einen entscheidenden Vorteil: ihren Respekt vor den Gesetzen des Marktes und den Regeln der Filmkunst.
Während der hundert Jahre, auf welche ihre Filmindustrie zurückblicken kann, hätten die Amerikaner ein untrügliches Gespür fürs Geschichtenerzählen und eine effiziente Filmproduktion entwickelt, sagt Gao.
Jungen Regisseuren rät Gao dazu, nicht bloß Neuerungen hinterherzulaufen, sondern in erster Linie von den bereits vorhandenen Meisterwerken aus Amerika zu lernen. Nur so ließen sich die Grundlagen für künftige Kreativität schaffen.
Allerdings gibt es auch ermutigende Nachrichten über den Markt heimischer TV-Serienprodukte, die trotz weit verbreiteter Kritik steigende Zuschauerzahlen verzeichnen können. Nach Anzahl und Umfang der Serien ist China heute schon der Welt größter Produzent von TV-Serien.
Nach offiziellen Angaben wird nur die Hälfte dieser Serien im Fernsehen ausgestrahlt. Glücklicherweise stellt das Internet nun eine alternative Plattform zur Verbreitung der Serien dar. Der Zuschauer kann im Netz die heimische Produktion mit den begehrten Preziosen aus Amerika vergleichen.
Die Orientierung an den Bedürfnissen des Marktes, die in China in den neunziger Jahren einsetzte, hat sich auch als Antriebsmittel für die Entwicklung chinesischer TV-Serien erwiesen. Staatliche Investitionen und Sponsoring durch Unternehmen sind längst nicht mehr die einzigen Quellen zur Finanzierung von TV-Serien. Immer mehr Privatkapital strömt in die Filmwirtschaft, sei es als direkte Investition oder in Form von Darlehen.
Einige TV-Serien konnten inzwischen sogar ins Ausland verkauft werden. Im Jahr 2010 exportierte China 10 200 Stunden TV-Unterhaltung im Wert von zehn Millionen US-Dollar. Ein Jahr später waren es schon 11 000 Stunden, für die zwölf Millionen US-Dollar erlöst wurden, so Cheng Chunli, Marketing-Direktor der China International Television Corp. Nimmt man allerdings den Warnruf von Marktkenner Gao Qunshu ernst, sollte man sich tunlichst davor hüten, auf Masse statt Klasse zu setzen. |