China-Fan Hans Gottlieb hat sich einen alten Jugendtraum erfüllt und in Beijing ein traditionelles chinesisches Hofhaus gekauft. Der Deutsche liegt damit voll im Trend: Seit sich der chinesische Immobilienmarkt zunehmend für Ausländer öffnet, entdecken viele Westler den heimeligen Charme der denkmalgeschützten Hofhäuser für sich. Für Ausländer gilt es beim Kauf einer eigenen Immobilie in China allerdings einiges zu beachten.
Als sich Marketing-Experte Hans Gottlieb entschied, der Arbeit wegen von Hamburg nach Beijing umzusiedeln, erfüllte sich der Deutsche einen seiner größten Träume gleich mit. Für den Chinafan der ersten Stunde war klar: Wenn der Umzug nach Beijing von Dauer sein sollte, dann stand früher oder später auch der Kauf einer eigenen Immobilie zur Debatte.
„Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon so viele Geschichten von Ausländern gehört, die beim Versuch in China eine Immobilie zu kaufen, auf Schwierigkeiten gestoßen sind. Von daher schreckte mich anfangs allein der Gedanke daran ab", erinnert sich Gottlieb. Aber einfach in ein von seinem neuen Arbeitgeber vermitteltes Apartment in einem der modernen Hochhaustürme im zentralen Geschäftsbezirk im Osten der Metropole zu ziehen, das kam für den Werbefachmann nicht in Frage.
„Schon bei meinem ersten Chinabesuch war ich fasziniert von den Beijinger Siheyuans, Anwesen mit ebenerdigen Häusern um einen viereckigen Hof. Für mich war klar: Wenn ich meinen Chinatraum wahr machen wollte, dann musste ich eines dieser Hofhäuser kaufen und zu meinem neuen Zuhause machen."
Und der Deutsche ließ seinen Traum Realität werden: Mit seiner jungen Familie im Schlepptau ist Gottlieb heute stolzer Besitzer eines Siheyuans im Beijinger Stadtbezirk Dongcheng. Ganz billig kam den Marketingfachmann das ganze jedoch nicht: fast 9 Millionen Yuan (rund 977 000 Euro) blätterte er für sein neues Traumhaus hin.
Der Charme traditioneller Hofhäuser
Die Siheyuans (wörtlich: „Anwesen mit ebenerdigen Häusern um einen viereckigen Hof") sind sicherlich eines der eigentümlichsten Merkmale chinesischen Städtebaus und nahezu im ganzen Land anzutreffen. Vor allem Beijing ist berühmt für seine historischen Hofhausviertel. Noch immer entscheiden sich viele Einwohner jeglicher Couleur quer durch alle Berufsgruppen und Einkommensschichten für ein Leben in einem der traditionellen Hofhäuser, die meist in kleinen, verwinkelten Seitengassen in einem der zahlreichen Hutongviertel versteckt liegen. Die alten Gebäude, die noch immer den romantischen Zauber des historischen Beijings atmen, sind heute längst auch zu einer lukrativen Einnahmequelle für die boomende Immobilienbranche der Stadt geworden. Vor allem ausländische Kunden schätzen das romantische Lebensgefühl, das die traditionellen Gemäuer vermitteln.
Auch Laurence Barron konnte dem Charme der Siheyuans nicht widerstehen. Dem Magazin Beijing This Month erzählte der Präsident von Airbus China: „Für viele Westler kommt es nicht in Frage, auf eine Wohnung im gewohnten westlichen Stil zu verzichten. Ich bin da experimentierfreudiger, ich wollte etwas Neues ausprobieren." Und der Brite ist fündig geworden: „Ich hatte das Glück, ein Hofhaus zu finden, dass direkt in einem Park gelegen ist. Jeden Tag werde ich vom Zwitschern der Vögel vor meinem Fenster geweckt und vor meinem Schlafzimmer plätschert ein kleiner Bach – ich kann hier einfach wunderbar abschalten, es ist Entspannung pur", sagt er.
Befeuert durch den allgemeinen Immobilienhype in China haben aber auch die Preise für die traditionellen Hofhäuser spürbar angezogen. Wie viel man letztlich für einen Beijinger Siheyuan hinblättern muss, entscheiden vor allem Lage, Fengshui-Gesichtspunkte (Geomantie) und die Verkehrsanbindung des jeweiligen Objekts. Im Schnitt müssen die Interessenten mit 7000 bis 10 000 Yuan (760 bis 1085 Euro) pro Quadratmeter rechnen. Für Hofhäuser in besonders begehrter Lage, etwa rund um den Beijinger Houhai-See, kann der Quadratmeter sogar bis zu 40 000 Yuan (rund 4340 Euro) kosten. Aber mancher Liebhaber scheut keine Kosten, um den auserkorenen Siheyuan sein eigen nennen zu können. Erst kürzlich wechselte ein traditionelles Hofhaus mit 2000 Quadratmeter Grundfläche für 40 Millionen Yuan (4,3 Millionen Euro) den Besitzer.
Trotz der enormen Anziehung, die die romantischen Kleinode vor allem auf ausländische Käufer ausüben, kann der Traum vom Leben im Siheyuan manchmal ein vorzeitiges Ende finden, gibt Jing Yunjiao, Generaldirektor der Immobilienfirma Wandecheng Real Estate in einem Interview mit der Global Times zu bedenken. „Es existiert kein langfristiges städteplanerisches Konzept für Beijing. Ob alte Siheyuans neuen Apartmenthochhäusern weichen müssen, kann niemand so genau vorhersagen. Hinzu kommt die Frage des Zeitpunkts der Räumung des Objekts."
Kein Ende des Immobilienbooms in Sicht
Nach Angaben von Immobilienanalysten hat sich das Wachstum der chinesischen Immobilienpreise jüngst merklich verlangsamt. Die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Abkühlung des überhitzten Marktes zeigen also Wirkung. Zahlen des Staatlichen Statistikamtes belegen, dass die Verkaufspreise für neu errichtete Apartmenthäuser in 70 chinesischen Großstädten im Dezember 2010 im Vergleich zum Vorjahresmonat lediglich um 7,6 Prozent angestiegen sind. Die Teuerung lag damit deutlich unter dem bisherigen Rekordwert vom April 2010. Damals hatte der Preisanstieg für Immobilien im Vergleich zum Vorjahr 15,4 Prozent betragen.
In der Hauptstadt steigen die Immobilienpreise noch immer stärker als in anderen Städten, obwohl die Teuerung auch hier im Dezember 2010 mit 9,9 Prozent eine stark rückläufige Tendenz zeigte. Sie lag deutlich unter 18 Prozent, dem Jahresmittel 2010.
Seit 2009 hatten die Immobilienpreise in China kontinuierlich angezogen. Diese Entwicklung wurde auch durch das direkte Eingreifen der Regierung befeuert, die als Reaktion auf die globale Rezession ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg brachte, um die Nachfrage nach Eigentumswohnungen anzukurbeln.
Im November 2008 beschloss die Regierung ein 4-Billionen-Yuan-Paket (rund 434 Milliarden Euro), das auch Zuweisungen für Wohnungsbau- und Infrastrukturprojekte vorsah. Die Fördermaßnahmen umfassten außerdem Finanzspritzen für die Bereiche Produktion, Bildung und Industrie. Der Staat gestand den lokalen Regierungen außerdem eine Schuldverschreibung von bis zu 200 Milliarden Yuan (rund 21,7 Milliarden Yuan) über das Finanzministerium zu.
Für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2009 wurde zudem der beim erstmaligen Immobilienerwerb fällige Steuersatz von 1,5 auf 1 Prozent herabgesetzt, aber nur dann, wenn das erworbene Wohneigentum kleiner als 90 Quadratmeter ist.
Ausländer auf dem Weg zur eigenen Immobilie
Außerdem erleichterte die Regierung Ausländern den Erwerb einer Immobilie in China. In der Vergangenheit waren dazu zahlreiche Genehmigungen erforderlich. Außerdem mussten Ausländer nachweisen, dass sie sich aus beruflichen Gründen in China aufhielten.
Wer heute als Ausländer in Beijing eine Immobilie erwerben möchte, benötigt nach den Vorgaben des Ministeriums für Wohnung und Aufbau in Stadt und Land lediglich eine Bescheinigung der Beijinger Behörde für öffentliche Sicherheit, die belegt, dass der Käufer zum Arbeiten oder Studieren in China lebt. Ausländer können eine Immobilie allerdings weiterhin nur für den Eigenbedarf erwerben. Der Kauf für andere Zwecke ist untersagt.
Auf die Käufer kommen allerdings noch einige weitere Abgaben zu, die eingeplant werden müssen, darunter etwa eine Stempelsteuer von 3 Prozent, 2 Prozent Verwaltungssteuer, 1,5 Prozent Vertragssteuer und weitere 0,1 Prozent Stempelsteuer für Wiederverkaufsobjekte.
Auch bei der Renovierung der eigenen vier Wände sind gewisse Punkte zu beachten: Wer seinen Siheyuan sanieren möchte, muss gemäß den Verwaltungsregelungen für denkmalgeschützte Bereiche einen Antrag auf Erhaltung und Sanierung bei der regionalen Verwaltungsbehörde stellen. Erst wenn dieser bewilligt ist, darf der Besitzer mit der Renovierung beginnen.
Hans Gottlieb hat sich erfolgreich durch das Dickicht an Vorschriften und Regelungen geschlagen und genießt das besondere Lebensgefühl in seinem neuen Zuhause. Diese Freude möchte der Wahl-Beijinger nun auch mit anderen Ausländern teilen. Er plant, ein Beratungsunternehmen zu gründen und andere Westler auf ihrem Weg zur eigenen Immobilie in China zu begleiten. „Als ich hier ankam, hatte ich mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, bis ich endlich meine Traumresidenz gefunden hatte. Am meisten Probleme bereitete mir die fremde Sprache, und häufig musste ich mich mit recht windigen Agenten herumschlagen. Jetzt, da ich mein Lieblingsplätzchen gefunden habe, möchte ich anderen dabei helfen, ebenfalls in ihren eigenen Siheyuan zu ziehen. Es ist sicher keine leichte Aufgabe, da viele der Gebäude, die ein Symbol für Beijings glorreiche Vergangenheit sind, heute unter Denkmalschutz stehen," räumt der Deutsche ein. „Aber wir sind schließlich in China – hier ist alles möglich." |