09-11-2010
Kultur und Kunst
Xi Yang Yang ist nicht zu stoppen!
von Jing Xiaolei

Ein sympathisches Schaf sorgt für Wirbel und poliert die glanzlose Trickfilmindustrie Chinas auf.

Liu Manyi, GM Creative Power Entertaining

Jahrzehntelang saßen chinesische Kinder gebannt vor den Fernsehschirmen, wenn die weltberühmte Katze Tom die ebenso bekannte Maus Jerry jagte, oder die japanische Roboterkatze Doraemon dem Schuljungen Nobita Nobi zur Bewältigung des harten Alltags beisprang. Jetzt aber kommt es zur Wende in der Comic-Welt: Ausländische Kinder werden künftig in der Lage sein, von ihrem Sofa aus chinesische Trickfilme zu genießen.

 Creative Power Entertaining, ein Cartoon- und Trickfilmproduzent aus Guangzhou, hat vor kurzem einen Vertrag mit Buena Vista International (BVI), einer Tochterfirma der Walt Disney's Productions über die Senderechte der letzten 100 Episoden der sehr erfolgreichen Trickfilmserie „Sympathisches Schaf und Großer Grauer Wolf" unterzeichnet. Demnach wird die Serie in 52 Ländern und Regionen des Asien-Pazifik-Raums zu sehen sein, darunter Indien, Australien und Neuseeland. Xi Yang Yang und seine Freunde sprechen dann Englisch und zehn weitere Sprachen.

„Dies ist ein Meilenstein in der Entwicklung der chinesischen Trickfilmindustrie", sagt Zhang Xinxiong, Direktor des Guangdonger Animation and Game Industry Research Center. Die Vergabe der Senderechte führt dazu, dass erstmals eine chinesische Trickfilmproduktion eine so weite Verbreitung finden wird, fügt Zhang hinzu.

Ein schlauer Schafskopf als Star

Eine Schafsherde, die den Fängen eines Ehepaars hungriger Wölfe immer wieder erfolgreich entkommt, stand nicht am Anfang der Überlegungen des Kreativteams. Beim Brainstorming wurden verschiedene Vorschläge auf den Tisch gelegt.  Es wurden zum Beispiel die Kombination Tiger gegen Hase, Ameise gegen Elefant und sogar die archetypische Katze gegen eine Maus durchgespielt. Aber die Mannschaft von Creative Powers Entertaining beschloss einen frischen Klassiker zu kreieren: die Kombination Schaf gegen Wolf.  „Wir sind glücklich, dass wir diese Wahl getroffen haben. Schafe sind sanft und liebenswert und mit die bekanntesten Tiere auf der Welt, die am wenigsten von religiösen Tabus umgeben sind", gibt Liu Manyi, Generalmanager der Creative Power Entertaining, gegenüber der Beijing Rundschau zu Protokoll.

Die Zeichner mussten dann erst einmal eine Entwurfsmappe mit den hauptsächlichen Charakteren der Serie vorlegen, um die Reaktion des Publikums abzuschätzen. Versuche mit Kindergartenkindern wurden durchgeführt, um herauszufinden, welche Entwürfe den größten Anklang finden. Nach Abschluss des Castings gingen die Zeichner ans Werk. Bald darauf erblickte Xi Yang Yang das Licht der Welt und begann seine Erfolgsreise. 

Ohne auch nur mit einem Augen nach dem Auslandsmarkt zu schielen, setzte Creative Power alles daran, in China eine breite Anhängerschaft für das Sympathische Schaf und den Großen Grauen Wolf zu schaffen. Seit 2005 gibt es das antagonistische Paar. In den vergangenen fünf Jahren wurde die Serie auf mehr als 40 Fernsehkanälen im ganzen Land ausgestrahlt und erreichte Einschaltquoten von bis zu 17,3 Prozent.

Später wurde die Zeichentrickserie zu einem low-budget Film umgearbeitet. The Super Snail Adventure kostete lediglich sechs Millionen Yuan (639 400 EUR) und wurde auf Anhieb ein Kinohit.  Im Januar 2009 gestartet, spielte er bereits am ersten Tag acht Millionen Yuan (852 500 EUR) ein – doppelt so viel wie der Hollywood- Blockbuster Kung Fu Panda – und brach mit 90 Millionen Yuan (9,6 Millionen EUR) den bisherigen chinesischen Kassenrekord. Ein Nachfolgestreifen wurde 2010 in die Kinos gebracht und spielte 130 Millionen Yuan (13,8 Millionen EUR) ein.

Der Film hat einige Preise gewonnen, darunter den für den besten Animationsfilm beim 13. Huabiao Wettbewerb, dem wichtigsten Leistungsvergleich der chinesischen Filmindustrie.

Der erste Xi Yang Yang Film wurde zu mehr als einem Kinohit, er wuchs sich zu einem gesellschaftlichen Phänomen aus, das Kinder wie Erwachsene gleichermaßen erfasste. Es brachte coole Sprüche hervor, die Eingang in die Alltagssprache fanden und inspirierte mehrere erfolgreiche Songs. Bücher, Zeitschriften, Miniaturfiguren und andere Merchandising Artikel fanden reißenden Absatz.

„Wir glauben nicht, dass der Erfolg des Films Zufall war. Wir hatte bereits durch die Fernsehserie, die seit vier Jahren ausgestrahlt wurde, eine stabile Grundlage von  vielen Millionen Fans unter den Kindern gelegt", sagt Liu.

Kein Spaß, keine Zuschauern

„Wenn die Geschichte langweilig ist, hilft auch die ausgereifteste Animationstechnik nichts", sagt Shao Haowen, PR-Chef der Creative Power Entertaining. Shao ist ein erfahrener Autor für die Xi Yang Yang Fernsehserie und andere Cartoons.

Die Einfälle zu den Geschichten stammen oft aus dem Alltagsleben der Autoren oder aus deren Kindheitserinnerungen. Sie nehmen auch Dinge aus dem Internet auf und fragen Kinder oft danach, was sie gerne auf der Mattscheibe sehen würden.

Versehen mit allerhand Rohmaterial, rühren die Autoren dann noch etwas Moral unter die Geschichte. Aber um einen Inhalt zu produzieren, den Kinder wirklich interessant finden, müssen die Autoren wie Kinder denken. Während der Produktionsphase einer Staffel der Serie erhalten die Autoren von namhaften Experten Nachhilfe in Kinderpsychologie.  

„Es scheint, dass die einfachsten Stories am schwierigsten zu schreiben sind", sagt Shao. „Jeden Tag schaut sich mein Sohn die Teletubbies an, und jede Episode gleicht in meinen Augen wie ein Ei dem anderen, aber Kinder nehmen die Unterschiede wahr."

Das Durchschnittsalter des Autorenteams liegt bei 25 Jahren, jeder möchte den anderen darin überbieten, den Cartoon so lustig wie möglich zu machen, damit er keine Ähnlichkeiten mit den üblichen chinesischen Zeichentrickfilmen aufweist, die viel zu ernst und „voller Gardinenpredigten" stecken, wie Shao es auf den Punkt bringt. 

"Eines der wichtigsten Dinge, die wir von unseren Kollegen in Hollywood gelernt haben, ist das Erzählen einer guten Geschichte", sagt Shao. Er meint, dass Kinder zu unterhalten heute schwieriger sei als früher. "Moralpredigten können die Kinder heutzutage gar nicht leiden. Sie laufen auf und davon und werden niemals mehr deine Geschichten anschauen, wenn sie allzu pädagogisch daherkommen."

Aber eine interessante Geschichte fällt nicht vom Himmel und sie fließt auch nicht aus der Feder eines einzelnen Autors. Sie ist das Produkt intensiven Brainstormings. Shao beschreibt diese Arbeitssitzungen so: ruhige Diskussionen am Anfang, dann lautes Geschrei und am Ende als Ergebnis eine großartige Geschichte.

„Für mich ist die Firma wie eine große Familie, oder eine Schulklasse. Wir teilen gemeinsame Interessen und lernen ständig voneinander", sagt Zhang Heng, 28, einer der Animation Directors des Unternehmens und an der Produktion der ersten vierzig Folgen der Serie beteiligt. Zhang hält viele seiner Kollegen für rechte Kindsköpfe, oder für Erwachsene, die im Herzen Kind geblieben sind. „Ich mag noch immer Cartoons und Comics. Ich halte auch Kontakt zu den Kindern in der Nachbarschaft und zu Schülern der Grund- und Mittelschule. Manchmal liefern sie mir Anregungen für meine Arbeit."

 

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