Donnerstag, 19.8.2010, China, Beijing
Es ist 16.55 Uhr. Wir befinden uns in Beijings Galerienviertel, 798, einem ehemaligen Industriegebiet, das in den letzten Jahren zu einem Zentrum der chinesischen Gegenwartskunst geworden ist. Es verbleiben noch knappe fünf Minuten.
Dann endlich ist es soweit und die Ausstellung „Coinciding At The Wall", die noch bis zum 4. September im 798 Art District zu sehen sein wird, wird offiziell eröffnet. Die Vernissage findet in der Galerie „With Space" statt. Michael Schultz, dessen Berliner Galerie in Künstlerkreisen großes Ansehen genießt, ist bereits eingetroffen und begrüßt die geladenen Gäste und Künstler.
Nach einem kurzen Austausch zwischen Künstlern und Gästen und einem ersten Rundgang durch die Galerie, ergreift Michael Schultz das Wort und bittet um Ruhe und Aufmerksamkeit, denn es soll noch eine Überraschung geben. Er stellt den Gästen und Künstlern Liu Xueming vor, den Kurator und Chairman der Caochangdi International Art Academy, die dieses Jahr erstmalig zwei Künstlerinnen mit dem „Caochangdi Art Award 2010" auszeichnen wird.
Gespannt warten Künstler und Gäste auf die Verkündung der Preisträger:
Iris Woehr-Reinheimer ist die erste, die nach vorne gerufen wird und eine Auszeichnung für ihre „mixed media" Collagen auf Holz erhält. Das Besondere an ihren Collagen ist der spezielle Blickwinkel aus der Froschperspektive, den der Betrachter auf das Bild hat. Auch die besondere Wahl des Bildausschnitts, der in diesem Fall lediglich die Beine von vorbeieilenden Fußgängern zeigt, begründet ihre Auszeichnung.
Die zweite Preisträgerin ist Monika Sigloch, eine Künstlerin, die für ihre Vorliebe für grelle und bunte Farben bekannt ist. Hauptsächlich malt sie ihre Bilder mit Acrylfarben auf Leinwand. Ihre ausdrucksstarke Farbzusammenstellung und schnelle, dynamische Pinselführung, bei der sie ihre ganze Emotionalität auf das Bild überträgt, würdigt sie für eine derartige Auszeichnung. Nach einem Gruppenfoto der Künstler löst sich die Menschentraube auf und die Beijing Rundschau heftet sich auf die Fersen von Michael Schultz, der nicht nur seit vielen Jahren eine Galerie in Berlin leitet, sondern auch in Seoul und im November 2007 eine „Michael Schultz Galerie" in Beijing in Caochangdi eröffnet hat.
Michael Schultz erklärt sich bereit, der Beijing Rundschau für einige Fragen zur Verfügung zu stehen. Auf der Terrasse der „With Space Gallery" erzählt er, wie die Idee, hier in Beijing eine Galerie zu eröffnen, so allmählich in ihm herangereift ist. Allerdings habe gerade der Zufall - wie so oft im Leben - eine sehr entscheidende Rolle gespielt: So ergab es sich, dass ein Bekannter von ihm aus Deutschland, der zusammen mit zwei Chinesen in Beijing eine Galerie führte, aus dem Projekt ausstieg und er einspringen konnte. Da sich der chinesische Binnenmarkt für Kunst allein noch nicht trage, werden die Geschäfte mit den Werken chinesischer Künstler vor allem in Europa, Amerika, aber auch in einigen asiatischen Ländern, wie Korea, Singapur oder Indonesien, gemacht, sagt Michael Schultz. „Aber für mich war es gerade von großer Wichtigkeit, dieses Projekt nicht nur von außen zu betreiben - wie es ja durchaus möglich wäre – und vielleicht zweimal im Jahr hierher zu kommen mit dem Geldköfferchen unter dem Arm, um meine Künstler zu bedienen. - Nein, das wollte ich nicht, ich wollte es richtig machen und habe daher beschlossen, meine Galerie zu eröffnen. Im Nachhinein bin ich auch wirklich sehr froh über diese Entscheidung", berichtet der Galerist.
Bei dem Programm seiner Galerie in Beijing handelt es sich um einen Mix aus deutscher zeitgenössischer Kunst, die man gewöhnlich eher nicht zu sehen bekommt in China, und ausgewählter chinesischer Malerei und Skulptur von internationalem Rang. Seine Galerie in Berlin zeige auch chinesische Kunst und er habe zum Beispiel eine Ausstellung unter dem Namen „Chinese Pop" zusammengetragen und diese in einigen deutschen Museen gezeigt. Auch Malerei und Druckgraphik aus China stoßen im Westen auf immer lebhafteres Interesse. Der chinesische Kunstmarkt, so war im Dezember 2009 im „Economist" zu lesen, ist inzwischen weltweit der drittgrößte – nach den USA und Großbritannien. Immerhin kommt China umsatzmäßig schon auf einen Weltmarktanteil von 7,7 Prozent. Michael Schultz hingegen berichtet der Beijing Rundschau, dass es in Asien zwar einen Markt für Kunst gebe, dieser allerdings noch immer zu klein sei. „Es ist nicht so, dass die Galerien hier in Beijing allein vom Verkauf der Kunst leben. Hauptsächlich existieren die Galerien - was man sehr deutlich im 798 Art District sehen kann – durch die kleinen Cafés, Bars oder Restaurants, die neben den Galerien eröffnet werden."
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