07-08-2015
China Reportage
Ein Sack Reis und eine grüne Wüste – Eindrücke vom fünften Kubuqi International Desert Forum
von Verena Menzel

 

In den vergangenen 27 Jahren ist es der Regierung in der Kubuqi-Region Hand in Hand mit örtlichen Privatunternehmen, allen voran dem Energieriesen Elion und dessen unternehmenseigener Stiftung, sowie auch mit Hilfe zahlreicher ausländischer Experten gelungen, rund 6000 Quadratkilometer Sanddünen wieder aufzuforsten. Ein besonderer Erfolg ist dabei die Errichtung der rund 240 Kilometer langen grünen ökologischen Barriere, die wir auf unserer Fahrt zum Tagungszentrum streifen. Sie dient als erfolgreicher Schutz vor einer weiteren Ausbreitung der Dünen.

Es wurden mehrere große Straßen gebaut sowie Strom-, Wasser- und Telekommunikationsnetzwerke errichtet. Und neben der Kontrolle der Desertifikation investierten die Verantwortlichen auch in die Entwicklung der lokalen Industrie, allen voran die Solarenergie. Durch all diese Anstrengungen konnte nicht nur die Wüstenbildung, die die Lebensgrundlage der örtlichen Landwirte bedroht, entscheidend eingedämmt werden. Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Finanzierung sozialer Infrastruktur wie Schulen und Wohnsiedlungen über die Einnahmen der neuen Industriezweige, konnten auch die Lebensbedingungen der Einheimischen entscheidend verbessert werden. Nun planen die Verantwortlichen vor Ort unter dem Schirm des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (United Nations Convention to Combat Desertification, kurz UNCCD) im Rahmen der neuen Seidenstraße ihre Erfahrungen auch anderen Ländern zugute kommen zu lassen.

Das Kubuqi-Forum, das in diesem Jahr zum fünften Mal stattfand, ist zu einer wichtigen Austauschplattform für Experten aus aller Welt geworden. 

Dem Kubuqi-Forum, als wichtige Austauschplattform für Experten aus aller Welt, kommt dabei eine zentrale Stellung zu. „Das Kubuqi-Modell ist eine der erfolgreichsten Antworten auf das Problem der Wüstenbildung und kann eine Inspiration für alle Teile der Welt sein", sagte José Manuel Barroso, einer der Ehrengäste, am Rande des Zusammentreffens. Wüstenbildung sei nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein gesellschaftliches und ökonomisches Problem, so der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon erklärte in einem Grußwort an das Forum: „Jedes Jahr gehen weltweit heute schätzungsweise zwölf Millionen Hektar an produktivem Ackerland verloren, was zu Nahrungsengpässen und Wassermangel führt, und unsere Anpassungsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel beeinträchtigt." Die Veränderungen, die in China stattfänden, ganz besonders in der Kubuqi-Wüste, fielen in diesem Zusammenhang sehr positiv ins Gewicht. Und auch Monique Barbut, Exekutivsekretärin der UNCCD, betonte, dass die Folgen der Wüstenbildung keineswegs lokal begrenzt seien: „99 Prozent der Ernährung der Weltbevölkerung werden noch immer über Landflächen gewonnen. Nehmen die Chancen auf dem Land ab, flüchten die Menschen in die Städte."

Und hier schließt sich der Kreis und führt zurück in Chinas Hauptstadt und irgendwie auch zurück an die hessische Bergstraße. Chinas Hauptstadt bekommt die positiven Veränderungen in den Wüstenregionen der Inneren Mongolei nicht nur durch ökologische Veränderungen wie die Abnahme von Sandstürmen zu spüren. Der Zugewinn von Ackerböden am Rande der Kubuqi-Wüste wirkt sich letztlich auch auf Anbauflächen aus, die für die Versorgung des Ballungsraumes Beijing von großer Bedeutung sind. Und Chinas Regierung hat aus gutem Grund großes Interesse, das Hinterland für Chinas Bevölkerung auch in Zukunft noch attraktiver zu gestalten. Schon heute zieht es Millionen von Menschen aus ländlichen Regionen ins Hauptstadtgebiet, das den Bevölkerungszulauf kaum mehr verkraften kann. Zumindest in der Kubuqi-Wüste scheint ein erster Schritt getan, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.

UNCCD-Exekutivsekretärin Monique Barbut betonte in ihrer Rede, dass die Folgen der Wüstenbildung keineswegs lokal begrenzt seien: „Nehmen die Chancen auf dem Land ab, flüchten die Menschen in die Städte", sagte sie. 

Und auch für die Menschen in Europa und Deutschland ist das Thema Wüstenbildung letztlich viel näher, als mancher glauben mag. Das führt auch José Manuel Barroso den Teilnehmern des Forums deutlich vor Augen. Denn, so der erfahrene Politiker, ein guter Teil des illegalen Flüchtlingsstroms, mit dem sich die EU-Staaten momentan konfrontiert sehen, hänge letztlich auch mit ökologischen Ursachen zusammen. Viele der Menschen, die illegal ihren Weg in die EU suchten, stammten aus Afrika. „Und das ist eine Region, die weltweit am stärksten von Wüstenbildung betroffen ist." Der gemeinsame Kampf gegen die Deserfikation ist von daher ein Problem, dass uns alle angeht.

Und so ist es auch für die Menschen an der Bergstraße sehr wohl von Interesse, ob in China oder sonst irgendwo auf der Welt ein Sack Reis umfällt, das gilt auch für die Kubuqi-Wüste in der scheinbar so fernen Inneren Mongolei.(Quelle: China heute)

 

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