05-05-2015
China Reportage
Sind autodidaktische Fahrer sicher genug?

Der Weg zum Führerschein führt in China meist über eine Fahrschule. Wer den Schein bekommen will, muss mindestens 64 Fahrstunden in der Fahrschule absolvieren. Die Preise dafür liegen zwischen 5000 Yuan (über 700 Euro) und 10 000 Yuan (mehr als 1400 Euro). Die hohen Gebühren, gepaart mit Korruption in den Fahrschulen und den Straßenverkehrsbehörden, haben die Anträge auf Führerscheine ohne vorhergehenden Fahrschulbesuch in die Höhe schnellen lassen.

Laut dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit soll noch in diesem Jahr ein entsprechendes Pilotprogramm gestartet werden. Es sind zwar noch keine Details bekannt, man kann aber davon ausgehen, dass man sich vor der Online-Registrierung für die Prüfung die für den Führerschein notwendigen Kenntnisse selbst beibringen muss.

Diese Neuigkeiten haben schnell das landesweite Interesse auf sich gezogen. Viele halten das für eine gute Idee, die dazu führen wird, dass mehr Leute den Führerschein leichter, billiger und effizienter erhalten. Einige Zweifel bleiben jedoch bestehen. Die Bedenken konzentrieren sich auf die Konflikte mit Chinas gegenwärtigen Verkehrssicherheitsgesetzen, laut denen es den Fahrschülern nur in Begleitung eines Fahrlehrers erlaubt ist, zu fahren, wohingegen die neue Richtlinie den Antragsstellern erlauben würde, bereits vor der Prüfung ein Fahrzeug zu lenken. Gegenwärtig haben die Fahrschulen auch eine Monopolstellung in Bezug auf die typischen Fahrschulautos und auf registrierte Fahrlehrer.

Gute Nachrichten

Yuan Bao (www.cnhubeicom): Das Monopol der Fahrschulen lässt den Menschen keine andere Wahl, als diese trotz ihrer exorbitanten Gebühren zu besuchen. Da so viele Menschen die Fahrprüfung machen wollen und die Quoten limitiert sind, müssen viele Menschen auf einen Platz warten. Beinah alle Schüler mussten die Erfahrung machen, gezwungen zu sein, ihren Fahrlehrer während der Ausbildung zu bestechen, um ein gutes Training zu erhalten, um so die Prüfung erfolgreich zu bestehen.

Die Entscheidung des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit erlaubt es potenziellen Lenkern autozufahren, ohne eine Fahrschule zu besuchen, was zweifelsfrei zu mehr Auswahl in Bezug auf den Weg zum Führerschein führt. Ist diese neue Richtlinie erst implementiert, werden die bestehenden Fahrschulen wesentlich weniger überfüllt sein und es wird viel einfacher sein, eine Fahrstunde zu bekommen.

Auf diese Weise wird die Regierung die Möglichkeiten, auf welche Weise man die Fahrausbildung absolviert, nicht mehr länger einschränken. Angehende Lenker können von privaten Fahrlehrern genauso wie von Fahrschulen lernen. Fähige Fahrlehrer werden den Schülern individuelle Trainings anbieten und die Schüler werden mehr Gelegenheit haben zu üben, wodurch die Effektivität der Ausbildung gesteigert wird.

Leng Yuyan (www.hebei.com.cn):Den Führerschein, ohne auf eine Fahrschule angewiesen zu sein, machen zu können, ist zweifelsfrei eine gute Nachricht für alle, die eine Lenkberechtigung erwerben wollen. Für die meisten Chinesen sind die Erfahrungen, die man im Zuge des Führerscheinerwerbs macht, keine guten.

Viele müssen warten um schlussendlich am frühen Morgen oder späten Abend ihre Fahrstunde zu machen und bekommen dennoch nur eine ganz kurze Möglichkeit, tatsächlich zu üben. Es ist eine große Belastung für Berufstätige, die nur wenig Freizeit am Wochenende haben. Manchmal sind die Schüler auch regelrechter psychologischer Folter von Seiten der Fahrlehrer ausgesetzt. Am meisten sind sie von den hohen Gebühren und den verschiedensten Formen der in dieser Industrie geradezu endemischen Korruption, frustriert.

Wenn man den Führerschein ohne Fahrschulbesuch machen kann, wird das solchen Unternehmen einen schweren Schlag versetzen. Das wird dazu führen, dass die Schulen ihre Ausbildung standardisieren werden, unprofessionelle Fahrlehrer strenger bestrafen und eine effizientere Ausbildung, die mehr Schüler anziehen wird, einrichten werden. Es sollte auch detailliertere Gesetze und Regelungen geben, um dieses Programm besser in die Praxis umsetzen zu können.

Fahrschulen haben zu enge Verbindungen mit den Verkehrsbehörden aufgebaut. Wenn die Behörden nun aber Führerscheine an jene ausstellen, die ohne Fahrschule fahren gelernt haben, werden die Fahrschulen finanzielle Verluste erleiden. Die Behörden müssen dann alle Antragsteller gleich behandeln, während zur gleichen Zeit die Aufsicht durch die höheren Behörden verstärkt werden sollte.

Ein entfernter Traum

Mao Jianguo (Dazhong Daily): Viele Menschen hoffen, einen Führerschein zu bekommen, ohne zur Fahrschule zu gehen. Aber sie müssen noch eine Weile warten, bis ihr Traum wahr werden kann. Die Straßenverkehrsordnung fordert, dass Fahrschüler in Fahrschulautos mit zwei Lenkrädern fahren lernen und nur Fahrschulen haben diese Autos und die entsprechenden Ausbildner.

Und auch wenn es soweit sein sollte, werden die Dinge auch nicht von einen Tag auf den anderen perfekt sein. Fahrer, die kein professionelles Training erhalten haben, sind ein Risiko für sich und für andere. Schließlich wird niemand als Autofahrer geboren. Gleichzeitig bedeutet die Fähigkeit, selbst gut fahren zu können noch lange nicht, dass man auch anderen das beibringen könnte. Fahrlehrer, die keine Kriterien für ihre Zulassung erfüllen mussten, könnten furchtbare Folgen haben.

Obwohl die Möglichkeit, ohne Fahrschulausbildung eine Führerscheinprüfung machen zu können, sehr attraktiv wirkt, sind die Chancen dieser Reform, den düsteren Zustand im Fahrschulmarkt zu korrigieren, eher gering. In den Pilotprogrammen ist es den Antragsstellern erlaubt, ihre Fahrprüfung selbst zu buchen. Laut Medienberichten müssen sie nur grundlegende Fahrkenntnisse und das dazu notwendige Basiswissen in einem kurzen Kurs lernen, nach ausreichenden Übungen können sie die Prüfung im Straßenverkehr ablegen. Es ist sehr wichtig, dass sichergestellt wird, dass die privaten Fahrlehrer, die den Antragsstellern zur Seite stehen, auch entsprechend qualifiziert und fähig sind.

Ein weiteres Problem ist, dass im gegenwärtigen System die Schüler praktisch kein Recht haben, ihre Meinung zu äußern. Wenn sie unfair behandelt oder aufgefordert werden, ihren Lehrern Bestechungsgelder zukommen zu lassen, gibt es keine effektiven Kanäle, durch die sie sich Abhilfe verschaffen können. Wäre es möglich, eine Online-Plattform zu bauen, auf der Schüler von ihren Erfahrungen berichten können, ihre Meinungen und ihre Gefühle ausdrücken können, als Hilfe für neue Lerner? Es ist auch notwendig, eine Datenbank über das Fahrverhalten der Schüler einzurichten. Da das Fahrkönnen und Verhalten eines Schülers eng mit der erhaltenen Ausbildung zusammenhängt, sollte man Fahrschulen, die häufig „gefährliche Fahrer" produzieren zur Verantwortung ziehen und ihnen gegebenenfalls sogar die Zulassung entziehen.

Zhu Changjun (Yangcheng Evening News): Es wird berichtet, dass Antragssteller auswählen können, wie sie fahren lernen, nachdem sie die grundlegenden Kenntnisse und Fähigkeiten in einem Grundkurs an einer Fahrschule erhalten haben. Wer entscheidet, ob sie diese grundlegenden Voraussetzungen erfüllen oder nicht? Haben hier die Schulen das letzte Wort? Wenn ja, bleibt die Vorherrschaft von Betrug und Bestechung sicher bestehen.

Die Reformen sollen die verschiedenen Hürden, denen man im Zuge der Fahrausbildung begegnet, reduzieren und gleichzeitig sollen sie sicherstellen, dass die Prüfungsprozeduren ernster genommen werden als bisher. Das größte Problem im bisherigen System ist aber, dass die Fahrschulen die Fahrausbildung monopolisiert haben, aber die Wirksamkeit ihrer Lehrmethoden nie rigiden oder objektiven Standards unterzogen wurden.

Von den Reformen wird erwartet, dass sie den Fahrschülern mehr Rechte geben und dass sie gleichzeitig die öffentliche Sicherheit auf den Straßen sicherstellen. Schüler sollten das Recht haben, selbst zu entscheiden, wo sie lernen und wann sie die Prüfung machen. Fahrschulen sollten als reine Ausbildungsstätten fungieren und von der Prüfung selbst ausgeschlossen werden. Spürbare Fortschritte bei den Reformen sind aber nicht realisierbar, wenn das gegenwärtige Model bleibt wie es ist.