Auch wenn sich viele Reformen noch in der Pilotphase befinden, sind bei der Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit in China im vergangenen Jahr echte Fortschritte erzielt worden. Abgesehen von Korruptionsermittlungen wurde eine Reihe fehlerhafte Prozesse erneut unter die Lupe genommen. Dazu zählte der Huugjilt-Fall aus dem Jahr 1996. Dabei wurde ein Teenager zu Unrecht wegen Vergewaltigung und Mord zum Tode verurteilt und hingerichtet. Von Reformen des Justizsystems bis hin zur Einführung der lebenslangen Verantwortlichkeit der Richter für die von ihnen bearbeiteten Fälle und für ihre Entscheidungen sind neue Durchbrüche erzielt worden.
Die Bemühungen des Obersten Volksgerichtshofs (SCP) und der Obersten Volksstaatsanwaltschaft (SPP) zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit haben breite öffentliche Anerkennung erfahren. Bei der letzten Tagung des Nationalen Volkskongresses erzielten die Arbeitsberichte des Obersten Volksgerichtshofs und der Obersten Volksstaatsanwaltschaft Zustimmungswerte von 91 bzw. 87,9 Prozent, die höchsten Werte seit zehn Jahren. In den zehn Jahren davor hatte die Zustimmungsquote beider Organe niemals mehr als 85 Prozent erreicht.
Seit dem 18. Parteitag der KPCh im Jahr 2012 sind eine ganze Reihe korrupter Beamte im Rahmen intensiver Antikorruptionsbemühungen der Justiz überantwortet worden. 2014 gab es 28 Strafprozesse gegen Beamte auf Ministerebene oder darüber.
Der Oberste Volksgerichtshof und die Oberste Volksstaatsanwaltschaft haben sorgfältige Ermittlungen in Korruptionsfällen auf allen Ebenen durchgeführt. Die verhängten Strafen sind eine aktive Antwort auf die Sorgen der Öffentlichkeit. Vor allem die öffentlichen Verhandlungen in sensiblen, öffentlichkeitswirksamen Fällen wie gegen Bo Xilai, den ehemaligen Parteichef von Chongqing, verkörpern das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz.
Im Hinblick auf Fehlurteile erklärten die Leiter des Obersten Volksgerichtshofs und der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, dass juristische Organe auch ihre eigenen Fehler in Betracht ziehen müssten und diejenigen, die sich im Strafverfolgungsprozess unprofessionell verhalten hätten, nicht straffrei ausgehen dürften. Gleichzeitig sei die Schaffung eines Mechanismus zur Revision von Fehlurteilen von entscheidender Bedeutung.
2015 stehen beschwerliche Aufgaben bevor. Obwohl viele korrupte Beamte überführt wurden, ist die Korruption in unterschiedlichem Ausmaß integraler Bestandteil der Regierungsbehörden. Systematische Prüfungen und die bestehenden Machtverhältnisse reichen zur Behebung der Missstände nicht aus. Der Huugjilt-Fall wurde letztendlich nur wiederaufgenommen, weil ein anderer Verdächtiger das Verbrechen gestanden hatte. Die Möglichkeit von Justizirrtümern zu jedem Zeitpunkt, von den Ermittlungen bis hin zum Prozess, zu minimieren, ist entscheidend. Die Justizbehörden müssen die Wölfe in ihrer Mitte enttarnen und mit aller Härte gegen Nepotismus und richterliche Befangenheit zu Gunsten der Reichen und Privilegierten vorgehen.
Der Oberste Volksgerichtshof und die Oberste Volksstaatsanwaltschaft haben die gegenwärtigen juristischen Rahmenbedingungen untersucht und mit ihren Arbeitsberichten auf die Erwartungen der Öffentlichkeit reagiert. Damit geben sie den Ton an für künftige Anstrengungen zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit. Dabei muss das Justizsystem seine Bemühungen fortsetzen, nicht weniger entscheidend ist aber die Einbeziehung der gesamten Gesellschaft. |