Weihnachten ist in Beijing vor allem in den Shopping-Malls präsent.
Wie feiert man Weihnachten in einem Land, in dem gar kein Weihnachten gefeiert wird? Vor allem, wenn man dort als junger Mensch gestrandet ist und die Feiertage ohne Familie verbringen muss, weil die Preise für Flugtickets ins Unermessliche steigen?
Mit dieser Problematik habe ich mich diese Woche konfrontiert gesehen, denn der 24. Dezember nahte unerbittlich. Wenn man in China lebt, ist es allerdings schwer, sich mental auf dieses christliche Fest einzustimmen; schließlich wird es hierzulande nicht begangen. Obwohl Weihnachten zunehmend von der chinesischen Jugend importiert wird, beschränkt sich die weihnachtliche Stimmung auf die überaus zweifelhafte Dekoration in Läden und Einkaufszentren und auf einige arme Kassierer, die dazu gezwungen werden, im Santa-Kostüm zu arbeiten. Echte Weihnachtsbäume gibt es nicht zu kaufen und im Radio hört man auch kein „Last Christmas". Alles in allem mangelt es also an weihnachtlicher Besinnlichkeit – obwohl, zugegeben, im Westen eigentlich auch.
Im Prinzip, dachte ich mir, ist Weihnachten ohne Familie doch einmal etwas ganz Nettes – zumindest bedeutet es weniger Stress. Vermutlich sind die Feiertage mit den unzähligen Weihnachtsessen für die meisten Leute anstrengend, aber meine Familie legt da immer noch eine Schippe drauf. Und dann ist da noch der Geschenkestress. Denn selbst wenn man sich verspricht „Dieses Jahr gibt's keine Geschenke, wir konzentrieren uns auf das Beisammensein!" wissen doch alle, dass Oma am Ende wieder Geschenke bringen wird - und der ganze Kreislauf beginnt.
Mit der Aussicht, diesmal Weihnachten ohne Familie zu feiern, lag es also an mir, die Feiertage zu gestalten. Meine Weihnachtsvorbereitung fing auch relativ vielversprechend an, mit der Einladung von einer Freundin zu einem gemeinsamen Abendessen. Das war in der Tat ziemlich angenehm, jeder brachte etwas zu Essen, es gab Wein und ein paar Weihnachtsmützen wurden getragen. So, dachte ich, könnte es gerne auch Heiligabend sein. Aber dann, schwupps, stand der große Tag schon an und ich hatte außer einem Anruf bei meiner nichts geplant. Doch auch da hatte ich wieder Glück, ein paar befreundete Praktikanten, in derselben Situation wie ich, luden mich zu einem Essen an Heiligabend ein. Man muss ja unter armen, alleingelassenen Praktikanten in Beijing zusammenhalten! Da waren wir nun, um die zehn Leute, die meisten Ausländer, saßen im Schlafzimmer der Gastgeberin verteilt und aßen Kartoffelsalat und Pizza auf Pappgeschirr. Eine große Weihnachtsgans gab es nicht, dafür spielte im Hintergrund die Weihnachts-Playlist mit altbekannten Klassikern. Ich schätze, keiner der Anwesenden hat in diesem Schlafzimmer den weihnachtlichen Geist verspürt, aber es war zumindest gemütlich und jeder war froh, Heiligabend mit anderen Menschen verbringen zu können. Geschenke gab es natürlich keine.
Leider war dies auch schon der Höhepunkt der Weihnachtlichkeit für mich. Der erste Weihnachtsfeiertag stellte sich als Katastrophe heraus. Der Plan war, dass eine Freundin mich zu einer kleinen Party bei einer Kollegin mitnehmen würde, doch da kamen wir nie an. Als ich meine Freundin traf, hatte sie ihr Handy verloren. Sie fuhr also mit dem Fahrrad umher, ich irrte zwei Stunden durch die Pekinger Hutongs auf der Suche nach der Party und als ich diese nicht fand, auf der Suche nach meiner Kollegin. Am Ende bekamen wir das Handy dank eines sehr hilfsbereiten Chinesen zurück und machten uns auf die Suche nach der Party, die schon vor drei Stunden begonnen haben sollte. Leider hatte die Gastgeberin ihr Handy ausgeschaltet, daher mussten wir, durchgefroren und entnervt wie wir waren, einen kompletten Wohnblock absuchen. Da standen wir also, um 23 Uhr am ersten Weihnachtsfeiertag in einem chinesischen Treppenhaus. Irgendwann rief meine Freundin eine andere Kollegin an – sie erzählte ihr, die Party hätte am Tag vorher stattgefunden.
Nachdem der Abend damit vollständig ruiniert war, schien die einzige logische Konsequenz das Aufsuchen einer Bar zu sein. Gegen Mitternacht befanden wir uns dann in einer der günstigeren Spelunken in Sanlitun, gemütlich zwischen diversen Sexshops gelegen (die immerhin weihnachtlich dekoriert waren), und erwärmten uns mit Tequila Sunrise.
Da ich für den zweiten Feiertag erst gar nicht versuchen wollte, etwas Weihnachtliches zu unternehmen, verbrachte ich den Tag im Park und den Abend im Pekinger Nachtleben. Bei beidem, dachte ich, kann nicht viel schief gehen und es verlief auch erfreulich unerwähnenswert. Damit waren die Weihnachtsfeiertage also überstanden, zugegeben mehr schlecht als recht. Zusammengefasst war es immerhin abwechslungsreich, Essen gab es genug und Tequila Sunrise ebenfalls.
Nur wie Weihnachten hat es sich nicht angefühlt. Das lag zum einen daran, dass das Fest nicht wirklich präsent in China ist, außer in Shopping Malls. Zum anderen hätte ich selber mehr tun können. Ein bisschen Weihnachtsmusik, Plätzchen backen, ein paar christliche Gedanken – das hätte bereits einen Unterscheid gemacht. Immerhin weiß ich jetzt, dass trotz Stress und Chaos ein Weihnachtsfest mit der Familie etwas hat, was man alleine nicht ersetzen kann. Und nächstes Jahr freue ich mich dann vielleicht doppelt auf Weihnachten.
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