Städte modernisieren ihre Kanalisation, um gegen regelmäßige Überschwemmungen nach starken Regenfällen vorzugehen.
Überschwemmte Stadt: Autos kämpfen sich nach sintflutartigen Regenfällen am 21. Juli durch das Zentrum von Kunming (Provinz Yunnan).Lin Yiguang
In vielen Städten Chinas leiden die Bewohner seit Anfang des Sommers wegen der nicht funktionierenden Kanalisationssysteme.
Kunming, Hauptstadt der Provinz Yunnan, wurde am 18. Juli von den heftigsten Regenfällen des Jahres heimgesucht. Drei Tage lang standen Autos und Taxis in den Straßen unter Wasser, mehr als 200 Busse waren danach unbrauchbar.
Nach einem Tropensturm, der an der Provinz Fujian im Südosten Chinas vorbeifegte, wurde die Küstenstadt Xiamen am 19. Juli stark überschwemmt. In mehreren Stadtbezirken stieg das Wasser auf Hüfthöhe, in den Straßen fingen Fußgänger die Fische, die aus Teichen und Fischzuchten entwischt waren.
Bei solchen Berichten fühlen sich die Beijinger oft an die tödliche Regenkatastrophe vor einem Jahr erinnert. Am 21. Juli 2012 wurde die Hauptstadt von den heftigsten Regenfällen seit 60 Jahren getroffen. Es regnete 16 Stunden lang fast ununterbrochen. Die Folgen: Verheerende Schäden in der Infrastruktur, 79 Menschen kamen bei Unfällen und Unglücken ums Leben.
Der Hauptgrund für die Überschwemmungen seien veraltete Kanalisationssysteme, die nicht auf dem Stand der allgemeinen städtischen Entwicklung seien, erklärt Xu Ke, leitender Ingenieur am Beijing Tsinghua Tongheng Urban Planning and Design Institute.
In Folge von Wartungsarbeiten liegen einige Straßen außerdem höher, so dass die tiefer liegenden Straßen anfälliger für Überflutungen durch Starkregen würden, dies sei ein weiterer wichtiger Grund für die Überschwemmungen.
Steigende Risiken
In den letzten Jahren hat das häufige Versagen der Entwässerungssysteme viele Städte zur Ausarbeitung von Notfallplänen gezwungen.
2007 setzten die Regenstürme von Taifun Krosa Hangzhou, die Hauptstadt der Provinz Zhejiang, unter Wasser. Die Straßen waren dermaßen überflutet, dass viele Anwohner auf Kanus als Transportmittel zurückgriffen.
Seit 2008 erhöhte die örtliche Regierung die Standards für Abwasserleitungen in neuen Bauprojekten und sanierte alte Stadtviertel entsprechend. Für besonders gefährdete Stadtbereiche arbeiteten die Behörden einen Notfallplan aus. Während starker Regenfälle wurden wichtigen Stadtbezirken Personal und Pumpen zur Verfügung gestellt, um Staunässe zu verhindern.
Die Methode hat aber nur begrenzte Wirkung gezeigt. Am 24. Juni brachte ein Regensturm das Leben in Hangzhou zum Erliegen, obwohl Hilfspersonal zuvor an 18 wichtige Straßenabschnitte und in 14 Wohnviertel geschickt worden war.
Dutzende Geschäfte an der Sanliting Road im Bezirk Xiacheng wurden bis in den ersten Stock überflutet, Besitzer mussten das Wasser abpumpen, um größeren Schaden zu verhindern. An einer Kreuzung im Bezirk Linping stand das Wasser in wenigen Minuten einen Meter hoch, viele Autos, die vor Ampeln warteten, soffen buchstäblich ab.
Das Versagen des Hangzhouer Notfallplans in der diesjährigen Überschwemmungssaison zeigt deutlich, dass nationale Bemühungen notwendig sind, um das Problem ein für alle mal zu lösen. Im April gab der Staatsrat eine Meldung zur Modernisierung der Kanalisationssysteme heraus. Demnach will China innerhalb der nächsten fünf Jahre seine Abwasserleitungen sanieren und Regen- von Abwasser trennen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll ein funktionierendes Kanalisationssystem aufgebaut werden.
Am 18. Juni veröffentlichte das Ministerium für Wohnungsbau und Entwicklung in Stadt und Land (MOHURD) Formulierungsrichtlinien für die Verbesserungspläne städtischer Kanalisationssysteme. In den Zentren der 36 größten Städte des Landes soll die Kanalisation bis 2017 modernisiert werden, um auch Extremregen zu bewältigen, wie er nur alle 50 Jahre vorkommt. In allen weiteren Stadtzentren auf Bezirksebene soll dann Regen, wie er nur alle 30 Jahre vorkommt, kein Problem mehr sein. In den restlichen Stadtzentren sollen die Entwässerungssysteme mit Regen fertig werden, wie er nur alle 20 Jahre fällt.
Laut einer Umfrage des MOHURD aus dem Jahr 2010 gab es zwischen 2008 und 2010 in 62 Prozent aller chinesischen Städte mindestens eine Überschwemmung; in 137 Städten waren es drei oder mehr. In 57 Städten standen Gebäude und andere Einrichtungen mehr als 12 Stunden unter Wasser.
Daten des Office of State Flood Control and Drought Relief Headquarters zeigen, dass im Jahr 2010 258 Städte unterschiedlich stark von Überschwemmungen betroffen waren, die meisten waren durch Extremregen verursacht.
Cheng Xiaotao, stellvertretender Direktor des Water Hazard Research Center am Ministerium für Wasserwirtschaft, erklärte gegenüber den China Business News, dass die regenbedingten Überflutungen eine größere Bedrohung für die Städte darstellten, als das durch äußere Faktoren verursachte Hochwasser. Gesetze, Vorschriften und Notfallpläne zum Hochwasserschutz würden aber noch nicht hinsichtlich beider Katastrophentypen differenzieren. „Ein klares Verständnis der unterschiedlichen Ursachen ist aber der Schlüssel zur Reduzierung der städtischen Überschwemmungen", erklärte er.
Wie Fallobst im Wasser: An einer überschwemmten Straße in Xiamen (Provinz Fujian) fangen Anwohner nach heftigen Regefällen in Folge eines Tropensturms am 19. Juli Fische. Feng Xiaofei
Ein bröckelndes System
Die unmittelbarste Ursache für die immer heftigeren Überschwemmungen sei die relativ rückständige Infrastruktur des Kanalisationssystems, so Chen.
Experten des MOHURD sehen noch spezifischere Probleme wie die geringe Reichweite der Abwasserleitungen und unzureichende Entwässerungskapazitäten. Auch wenn sich das Stadtgebiet von Beijing im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt hat, hinke der Ausbau des unterirdischen Kanalisationssystems hinterher, so das Ministerium.
Der verbesserte Kodex für Abwassertechnik, der vom MOHURD 2011 herausgegeben wurde, verlangt, dass die Kanalisationssysteme im Stadtgebiet einmal in ein bis drei Jahren und in besonders sensiblen Stadtbereichen einmal alle drei bis fünf Jahre Extremregen standhalten sollten.
Die meisten Städte hätten die schwammige Beschreibung des Niederschlags in der Vorschrift ausgenutzt, um ein möglichst leistungsschwaches Kanalisationssystem zu errichten, so Cheng.
Mit seinem Team führte Cheng in den letzten drei Jahren Felduntersuchungen in Städten im ganzen Land durch und stellte einen Bericht mit dem Titel „Hochwasserschutz in Chinas Städten: Gegenwärtige Situation, Probleme und Lösungen" zusammen. Seinen Ergebnissen zufolge haben mehr als 70 Prozent der Städte, darunter Beijing und Wuhan (Provinz Hubei), ihre Kanalisation so eingerichtet, dass sie einmal pro Jahr mit Extremregen fertig werden, in 90 Prozent der Städte verfügen alte Stadtviertel nur über eine mangelhafte Kanalisation.
Der Bericht enthüllt auch die ungenügende Reichweite städtischer Kanalisationssysteme, das gilt selbst für Shanghai.
Für Cheng liegt die Ursache für die schlechte Kanalisation in der schnellen Urbanisierung. „In den letzten 20 Jahren sind Vorortbezirke in nie da gewesenem Ausmaß in die Stadt eingegliedert worden", so Cheng.
In anderen Ländern mit deutlich langsamerer Urbanisierung hatten die Regierungen genug Zeit zum Aufbau der Infrastruktur, bevor sie Grundstücke an Bauträger verkauften. Dies ist in China nicht der Fall. Die Situation wird durch die Tatsache erschwert, dass noch ein vernünftiger gesetzlicher Rahmen zur Vermeidung solcher infrastruktureller Schlupflöcher im Land fehlt.
In den Metropolen seien Bodenflächen, Feuchtgebiete und Seen, die Regenwasser aufnehmen und speichern konnten, im Verlaufe der städtischen Entwicklung außerdem enorm geschrumpft. So wie auch in Beijing. Chengs Forscherteam fand heraus, dass die Anzahl der Seen im Stadtgebiet in den letzten 60 Jahren von mehr als 200 auf rund 50 fiel.
Viele Experten empfehlen den Städten, das Speicherpotenzial existierender Gewässer voll auszuschöpfen, um Überflutungen zu mildern. Die Ausweitung von Flussbetten ist in Beijing wegen der dichten Uferbebauung allerdings fast unmöglich.
Ein weiteres typisches Beispiel für eine Stadt, die an den Folgen der Landgewinnung aus Seen und Teichen leidet, ist Wuhan.
Seit 2008 gibt es in Wuhan mindestens einmal im Sommer schwere Überschwemmungen. Nach den sintflutartigen Regenfällen vom 18. Juni 2011 waren 82 Straßenabschnitte überschwemmt, der Verkehr kam zum Erliegen und machte Notfallmaßnahmen der höchsten Dringlichkeitsstufe erforderlich, um die Situation zu bewältigen.
"Die Stadt hat während ihrer Entwicklung nie aufgehört, Land für Bauprojekte zu gewinnen", erklärte Ruan Chengfa, Sekretär der KP in Wuhan bei einer Konferenz im vergangenen Jahr.
"Stadt der 100 Seen" lautete der Spitzname von Wuhan. Während der 1950er Jahre gab es mehr als 100 Seen im Zentrum. Die Stadt war bekannt für ihre Seenlandschaft. Bis 2012 war die Anzahl der Seen nach mehreren Wellen der Landgewinnung über 30 Jahre hinweg auf 40 gesunken.
Auch wenn der lokale Gesetzgeber eine Vorschrift zum Schutz von Seen und Teichen vor wilden Mülldeponien und Verschmutzung verabschiedete, wurde das Verschwinden der Seen erst vor kurzem tatsächlich überprüft. Offiziellen Statistiken zufolgen wuchs Wuhans dicht bebautes Stadtgebiet von 455,06 Quadratkilometern im Jahr 2006 auf 507,54 Quadratkilometer im Jahr 2011, eine Zunahme von 11,53 Prozent in fünf Jahren.
"Um zu verhindern, dass die von Menschen verursachten Überschwemmungen Wuhan verwüsten, müssen die entsprechenden Gesetze und Vorschriften verbessert und konsequenter umgesetzt werden", sagte Liao Hua, außerordentlicher Professor an der Law School of South-Central University for Nationalities in Wuhan gegenüber der Zeitung Legal Weekly.
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