29-07-2011
China Reportage
Schweres Zugunglück nahe Wenzhou
von Yin Pumin

Der rote Punkt markiert die Lage der Stadt Wenzhou CFP

Laut Medienberichten war ein weiterer Grund, der zu dem Unglück führte, dass ein Sicherheitssystem, das den Lokführer des heranfahrenden Schnellzuges über das Hindernis auf der Strecke hätte informieren sollen, ebenfalls durch Blitzschlag lahmgelegt war. 

Auffahrunfälle wie dieser kämen zwischen Hochgeschwindigkeitszügen äußerst selten vor, erklärte Shuai Bin, Professor an der Southwest Jiaotong University. „Die Züge verfügen über ausgeklügelte Kontrollsysteme, die alle Zugführer und die Kontrolleure der Signale ständig über die Position eines Zuges informieren."

Laut Yang Jixiang, Experte für Eisenbahnsignaltechnik des 4. Eisenbahn-Forschungs- und Designinstituts, seien alle Hochgeschwindigkeitszüge mit Funksignalsystemen ausgestattet, die es ihnen ermöglichten, stets mit der Meldezentrale der jeweiligen Eisenbahnbehörde in Kontakt zu bleiben. Im Falle des tödlichen Zusammenstoßes am 23. Juli sei die Shanghaier Eisenbahnbehörde die zuständige Institution gewesen. Sie habe die Aufsicht über den Zugverkehr in ganz Zhejiang und somit auch über die beiden am Unfall beteiligten Züge gehabt. Auch bei Beschädigung des Funksignalsystems durch einen Blitzschlag hätte das Computersystem der Meldezentrale laut Yang eine automatische Warnmeldung aussenden müssen, sobald es einen liegen gebliebenen Zug ausgemacht hätte.

Laut der anonymen Einschätzung eines erfahrenen Zugführers gegenüber der Zeitung „The Beijing News", mache das Sicherheitssystem einen derartigen Auffahrunfall quasi unmöglich, außer es komme zu einem Zusammenbruch des Computersystems, einer Sabotage oder Verzögerungen bei der Übermittlung der Anordnungen.

Kritiker hatten nach dem Unglück bemängelt, die Unfallstelle sei zu schnell wieder freigegeben worden, was eine gewissenhafte Untersuchung des Falles unmöglich mache.

Vertrauen in Technologie erschüttert

Trotz des verheerenden Unfalls in Wenzhou sei Chinas Technologie für Hochgeschwindigkeitszüge fortschrittlich und entspreche den internationalen Standards, versicherte unterdessen der Sprecher des Eisenbahnministeriums Wang.

Das Vertrauen der Öffentlichkeit allerdings scheint nachhaltig erschüttert. Bei einer Onlineerhebung des Nachrichtenportals Ifeng.com gaben 54 Prozent der insgesamt 251 000 Befragten an, zumindest kurzfristig auf das Fahren mit Hochgeschwindigkeitszügen verzichten zu wollen. Nur 15 Prozent der Befragten bewerteten das Verkehrsmittel als sicher.

Experten aus der Industrie warnten davor, dass der Unfall sich negativ auf das chinesische Exportgeschäft mit Hochgeschwindigkeitstechnologie auswirken könnte. In den vergangenen Jahren hatte China in diesem Bereich zunehmend zum globalen Markt aufgeschlossen. Seit 2003 sind Übereinkommen mit mehr als 30 Ländern unterzeichnet worden, darunter die USA, Russland, Brasilien, Saudi-Arabien, Polen, Indien und die Türkei.

„Chinas Eisenbahnexporte könnten negativ beeinflusst werden, da bei den ausländischen Kunden nun Zweifel an der Qualität unserer Produkte aufkommen", warnte Yang Hao, Professor an der Beijinger Universität für Verkehrswesen.   

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