Stau als Infarkt der „mobilen" Gesellschaft
„Der Wecker klingelt um 5.40 Uhr, Doktor Small erhebt sich aus dem Bett. Um 6.00 Uhr verlässt er das Haus. Denn er weiß: Jeden Tag braucht er mindestens zwei Stunden für die Fahrt zum Krankenhaus. Auf dem Dwight D. Eisenhower Expressway kann er sogar noch eine Stunde lang gemütlich im Wagen Kaffee trinken und bei Schneckentempo den Sonnenaufgang genießen, während er im Radio Sportnachrichten hört." So beginnt ein Artikel im US-Magazin „Newsweek" im Januar 2006. Unter der Überschrift „Lange und langweilige Straße" dreht sich der Beitrag um die Verkehrslage in den Vereinigten Staaten. In der westlichen Welt gelten Verkehrsstaus bei Wirtschaftswissenschaftlern als reine Tragödien, denn sie kosten sehr viel Geld. In vielen Ländern der Welt bereiten Staus Kopfzerbrechen.
Im „Guardian" konnte man über einen schweren Stau in der brasilianischen Metropole São Paulo lesen. Die Männer vertrieben sich die Zeit durch Rasieren, während sich die Frauen die Lidschatten nachzogen. Einige Leute sperrten ihre Wägen ab und warteten in einem Café am Straßenrand darauf, dass der Verkehr wieder ins Rollen kam. Im Januar dieses Jahres war der Verkehr auf dem britischen Motorway 11 wegen heftiger Schneefälle ins Stocken geraten. Ein Korrespondent der chinesischen „Global Times" steckte mitten im Stau. Zum Glück dauerte dieser Stau nur sieben Stunden. Aber damit dürfte dies fast der längste Stau gewesen sei, den Europäer erleben können. Das kanadische Fernsehen hat in einer Umfrage herausgefunden, dass weniger als vier Prozent aller Befragten schon einmal einen Stau erlebt haben, der länger als acht Stunden angehalten hat.
Am 24. August schieben chinesische Medien die Schuld für den Stau auf die Stadtregierung von Beijing, die die Fahrzeuge nicht in die Stadt lässt. Manch einer argwöhnt, dass es noch andere verborgene Ursachen für den Stau gibt. Einige Analysten appellierten an die Regierung, den Autofahrern mehr Unterstützung zu gewähren. Duan Jinyu meint, der Unterschied zwischen chinesischen Autobahnen und ausländischen Autobahnen liegt in den höheren Gebühren, die in China erhoben würden. Um Benzin und Mautgebühren zu sparen, seien die LKW oft überladen. Verkehrsunfälle sind an der Tagesordnung, das behindere den reibungslosen Auflauf des Verkehrs zusätzlich. Duan Jinyu sieht zwei Möglichkeiten, das Problem in den Griff zu bekommen: entweder müssten weitere Autobahnen gebaut, oder die bestehenden besser verwaltet werden. Die Grenzen effektiver Verwaltung aber scheinen bereits erreicht zu sein. Demnach bleibt nur der Bau weiterer Autobahnen als gangbare Option für die nahe Zukunft.
|