19-07-2010
China Reportage
„Nur ja nicht den Anschluss verlieren!“
von Christoph Karg

Sprechfähigkeit steht immer im Vordergrund.

Was machen deutsche Grundschüler in den Sommerferien? Na klar, ins Freibad gehen, mit Freunden spielen, mit den Eltern in den Urlaub fahren oder noch besser einfach in den Tag hineinleben! Zumindest war das so, als ich noch in die Grundschule ging. Das war von 1993 bis 1997. Damals waren die Sommerferien die beste Zeit des Jahres, weil die Schule nie so weit weg war wie in diesen sechs Wochen, zumindest gefühlt. In Beijing machen viele Kinder jedoch auch in den Sommerferien genau das, was sie in der Schulzeit machen: Lernen. Während der Sommermonate bieten dutzende von privaten Schulen sogenannte „Sommerkurse" an. Hier steht vor allem Englisch ganz hoch im Kurs. Die Beijing Rundschau hat der privaten Englischschule EngTech einen Besuch abgestattet.

Am Eingang empfängt uns die 25-jährige Liu Wandan, die hier unter dem Namen Daisy firmiert: „Wir nennen uns hier alle bei unseren englischen Namen", sagt sie.

Liu Wandan hat Internationale Handelsbeziehungen studiert und ist heute für die Organisation der Schule zuständig.

Die Kurse der Schule beginnen erst in der zweiten Ferienwoche, so können die Kinder sich noch ein wenig erholen bevor es richtig losgeht. Viele Eltern buchen das Intensivprogramm. Ihre Kinder sind dann 12 Tage - so lange dauert ein „Semester" - , von montags bis freitags von 9 Uhr bis 17 Uhr in der Schule. Die meisten Kinder besuchen normalerweise die Grundschule. Sie sind also zwischen sechs und zwölf Jahre alt.

Unterrichtet wird ausschließlich von weiblichen Lehrkräften, vielleicht wirken die „Tagesmütter" sympathischer auf die Kinder als Männer. Vermittelt werden Inhalte, die im Englischunterricht an staatlichen Schulen zu kurz kommen. Der Unterricht solle vor allem Spaß machen, betont Liu Wandan. In allen Klassen werden verschiedene Medien eingesetzt, die Schüler lernen meist anhand von Filmen, Bildergeschichten und Musik. Vor allem die Sprechfähigkeit stehe im Vordergrund, so Liu.

Das Konzept scheint sich auszuzahlen: „Bei den englischen Sprachprüfungen an ihren Stammschulen belegen unsere Ferienschülern stets die vorderen Plätze", berichtet Liu nicht ohne Stolz. Diese Qualität hat ihren Preis: 5000 Yuan (572 Euro) kostet ein 12-tägiger Kurs. Die gute Nachricht: ein Mittagessen ist im Preis inbegriffen.

Natürlich sind nicht alle finanziell in der Lage, eine derartige Summe aufzubringen, weiß auch Liu: „Alle Eltern, die ihre Kinder in unsere Schule schicken, sind Besserverdiener." Davon scheint es aber in Beijing immer mehr zu geben, denn die Nachfrage ist so groß. Die private Schule verfügt über ein gutes Dutzend Klassenräume, viele sind mit Computern und Tageslichtprojektoren ausgerüstet.

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