Die Handelsstreitigkeiten zwischen China und dem Westen nehmen weiter zu. Beide Seiten betrachten sich mit wachsender Skepsis.
Ein Arbeiter befördert am 23. Mai 2012 importierte Stahlrohre für ein Unternehmen in Jiangsu.
Endziel Europa: Ein Arbeiter prüft am 27. August 2012 Photovoltaikprodukte in einem Energieunternehmen in Lianyugang (Provinz Jiangsu).
Der Handelskrieg zwischen China und den Industrieländern geht unvermindert weiter. Als Chinas Handelsministerium (MOFCOM) am 10. Mai eine Anti-Dumping-Untersuchung von Stahlrohrimporten aus der EU, den USA und Japan ankündigte, sorgte das erneut für Zündstoff. Genauer gesagt handelt es sich um nahtlose Rohre aus legiertem Stahl für Hochtemperatur- und Hochdruckumgebungen.
Aufgrund des schnellen Wirtschaftswachstums und der großen Nachfrage nach Wärmekraft ist China mittlerweile zum größten Markt für legierte Stahlrohre geworden. Sie kommen häufig in modernen Wärmekraftwerksblöcken zum Einsatz.
Seit der Markt für Wärmekraft in den meisten Industrieländern gesättigt ist, ist China für Rohrproduzenten zu einer äußerst reizvollen Alternative geworden. Mehr als 90 Prozent der Weltproduktion geht jedes Jahr ins Reich der Mitte.
Manche halten die Ermittlungen des Handelsministeriums für eine reine Retourkutsche dafür, dass China in den vergangenen 20 Jahren eine der häufigsten Zielscheiben für Dumping-Anschuldigungen war.
China wehrt sich
Viele Jahre lang hatten Unternehmen in den Industriestaaten, darunter Wyman-Gordon Forgings Inc. in den USA, Vallourec & Mannesmann Tubes in Europa und Sumitomo Metal Mining Co. Ltd. in Japan, das Monopol auf Produktionsanlagen und -technologien für legierte Stahlrohre. Nach Angaben des Handelsministeriums machten die Rohre aus den USA, Europa und Japan zwischen 2009 und 2012 mehr als 94 Prozent des chinesischen Marktes aus.
Erst im Jahr 2009 gelang es der North Heavy Industries Group in der Inneren Mongolei, erfolgreich eine Nicht-Eisen-Strangpresse mit einer Produktionskapazität von 36.000 Tonnen herzustellen. Auch wenn China somit eins der weniger Länder ist, das nahtlose Stahlrohre produzieren kann, haben die dramatischen Preissenkungen der ausländischen Konkurrenz die heimischen Hersteller in Richtung Ruin getrieben.
Im Gegensatz dazu seien die Importkosten von 2009 bis 2012 um bewerkenswerte 47,26 Prozent gesunken, heißt es in einem Anti-Dumping-Antrag der Inner Mongolia Heavy Industries Co. Ltd.
China macht sich aber um weit mehr Sorgen als nur Rohre.
Nach einem Bericht der Online-Ausgabe der Economic Information Daily plant das Handelsministerium eine Anti-Dumping-Untersuchung von Import-Weinen als Retourkutsche für die zahlreichen EU-Ermittlungen gegen China. Nach Angaben der China Alcoholic Drinks Association stammt ungefähr ein Drittel aller Weine im Reich der Mitte aus dem Ausland, vor allem aus der EU. Insider behaupten, dass der CIF-Preis (Kosten, Versicherung und Fracht) für EU-Wein nur deshalb bei lediglich einem Euro liegt, weil einige Länder Regierungssubventionen erhalten.
Heimische Produzenten würden durch Anti-Dumping-Maßnahmen nicht wieder auf die Beine kommen, da chinesische Verbraucher eine Vorliebe für Importweine hätten, erklärte Wang Dehui, Weinexperte und Geschäftsführer von ZHIDE, einem Unternehmen für Weinmarketing in Shenzhen, Provinz Guangdong.
Massiver Angriff
Schon im Oktober 2009 hatte das US-Handelsministerium Anti-Dumpingzölle in Höhe von 32,39 bis 98,37 Prozent auf die Stahlrohre aus China geschlagen. Die Begründung: Sie seien um bis zu 98 Prozent günstiger als die der einheimischen Hersteller gewesen.
Zusammen mit der Ankündigung einiger EU-Länder, wegen Preisdumping bei legierten Stahlrohren ermitteln zu wollen, erwägt die Exekutive der EU zum 6. Juni nun außerdem Strafzölle in Höhe von 47 Prozent auf chinesische Solarmodule.
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des US-Handelsministeriums vom Mai 2012, Antidumping-Zölle in Höhe von 18,32 bis 249,96 Prozent auf Solarzellen aus China zu verhängen, behauptete EU Pro Sun, eine Initiative der EU-Solarindustrie, in einer 25. Juli 2012 eingereichten Klage, dass chinesische Solarmodule und deren Schlüsselkomponenten zu Preisen unter Marktwert auf den EU-Markt gelangten.
"Die EU-Mitgliedsländer sollten Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Solarmodule ablehnen. Sie verhindern freien Handel und Marktwachstum", erklärte dagegen die britische Solar Trade Association in einer aktuellen Stellungnahme.
Die provisorischen Zölle werden die Kosten für Solarmodule aus China und anderen Ländern erhöhen.
"Falls die Zölle eingeführt werden, werden sie dem britischen Solarmarkt schaden, vor allem dem Freiflächen-Sektor", erklärte Paul Barwell, Geschäftsführer der Vereinigung, am 8. Mai. "Dies ist eine optimale Gelegenheit, Großbritanniens Engagement für freien Handel und den Umweltschutz unter Beweis zu stellen, indem man die anderen Mitgliedsstaaten dazu bringt, gegen die Zölle zu stimmen."
"Die Zölle werden zu einem Jobverlust in der Branche führen, das Wachstum des Solarmarkts bremsen und Europas Chancen auf die Erfüllung seiner Ziele hinsichtlich der erneuerbaren Energien für das Jahr 2020 senken", sagte Barwell und drang auf ein Nein der Britischen Regierung gegen die Zölle.
Schaden für den Handel
Chinas Regierung rief Europa dazu auf, vorsichtig bei der Anwendung protektionistischer Maßnahmen zu sein.
"China und die EU sind füreinander die wichtigsten Handelspartner", erklärte Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums bei einer Pressekonferenz. "Wir hoffen, dass beide Seiten eine Position konstruktiver Zusammenarbeit aufrechterhalten können und ihre Differenzen durch Dialog und Beratungen ausräumen können."
"Jedes Jahr gelangen rund 70 Prozent der in China produzierten Solarmodule und deren Schlüsselkomponenten auf den EU-Markt", sagt Miao Liansheng, Geschäftsführer von Yingli Green Energy, einem der größten Solarenergieunternehmen und Photovoltaik-Produzenten in Baoding (Provinz Hebei). "Mit dem Verlust von zehn Prozent Marktanteilen in den USA sehen wir uns nun mit der Frage konfrontiert, ob Chinas Solarenergie überleben kann."
"China spielt nun bei den EU-Exporten eine zunehmend wichtige Rolle. Um aus der aktuellen Schuldenkrise herauszukommen, ist die EU abhängig von Exporten", erklärte Zhang Jian vom China Institute of Contemporary International Relations.
"Statt sich auf Protektionismus zu verlegen, sollte die EU keine Anstrengungen zur Erhaltung der Handelsbeziehungen zwischen China und Europa auslassen. Auch wenn Chinas Wirtschaft wegen der Anti-Dumping-Maßnahmen leiden mag, könnte die EU noch mehr Nachteile erleiden", so Zhang.
Am 17. Mai reichten leitende Beamte der EU wegen angeblichen Preisdumpings und illegaler Regierungssubventionen eine Klage gegen Huawei Technolgies und ZTE, Chinas führende Anbieter von Telekommunikationsgeräten, ein.
"Seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise nimmt der Protektionismus zu. Mittlerweile betrifft er auch Chinas High-End-Produkte. Einerseits ist das auf die rasante Entwicklung in der Telekommunikationsindustrie zurückzuführen, andererseits erinnert es uns daran, dass Chinas Unternehmen ihre Anpassungsfähigkeit verbessern sollten", erklärte Huo Jianguo, Direktor der chinesischen Akademie für Internationalen Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Die Schuldenkrise der EU zieht sich nun fast vier Jahre hin, und es ist kein Ende in Sicht. In den USA und Japan gerät die Wirtschaft gerade wieder auf Kurs. China erlebt als größtes Schwellenland der Welt zurzeit eine Konjunkturflaute.
Beim China Development Forum, das vom 23. bis 25. März stattfand, betonte Vizehandelsminister Wang Chao erneut die Bedeutung gegenseitiger Offenheit. "Durch multilaterale Regeln und den Abbau unsinniger Handelsschranken werden alle Länder mehr Möglichkeiten zu Zusammenarbeit und Entwicklung finden."
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