14-09-2012
China und EU
Der sechste China-Besuch Merkels als wegweisende Investition in die Zukunft
von Meng Hong

Konstruktive Zusammenarbeit durch Vermehrung der Gemeinsamkeiten und Verringerung der Differenzen

Ende dieses Jahres findet in China ein umfassender Personalwechsel in der Parteiführung statt, im darauf folgenden Jahr werden in Deutschland die Wahlen zum 18. Bundestag durchgeführt. Für Merkel ist so der Staatsbesuch in China auch eine wichtige Gelegenheit, um sich mit den Nachfolgern in Chinas Staats- und  Ministerpräsidentenamt bekannt zu machen. Während ihres kurzen Aufenthalts in Beijing traf sich Merkel deshalb sowohl mit dem chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao und seinem Vize und voraussichtlichen Nachfolger Xi Jinping, als auch mit dem potenziellen Nachfolger von Wen Jiabao, Vizepremier Li Keqiang sowie dem Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Hu Bangguo. Nach einem kurzen Besuch in der Verbotenen Stadt fuhr Merkel in Wens Begleitung in dessen Heimatstadt Tianjin, wo mehr als 300 deutsche Unternehmen ihre Niederlassung haben. Neben dem Zusammentreffen mit deutschen und chinesischen Wirtschaftsvertretern besuchte Merkel das Airbus-Montagewerk in der Hafenstadt am Golf von Bohai, wo soeben die hundertste dort gefertigte A320-Maschine vom Band lief.

Deutschland gewinnt seit der Wiedervereinigung als das drittgrößte Beitragsland und eines der bedeutendsten Geberländer der UNO international immer mehr an Einfluss. Derzeit gibt es insgesamt 23 Zentral- und Zweigstellen der UNO in Deutschland. Seit 2011 fungiert Deutschland für zwei Jahre als eines der zehn nichtständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats, und seit dem 1. September hat es zudem erneut für einen Monat den Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat. Für diesen kurzen Zeitraum wollte sich Deutschland besonders für eine nachhaltige Lösung der Krise in Syrien und der Verbesserung des Kinderschutzes in Kriegsgebieten, für den Klimaschutz und die Aufwertung der Arabischen Liga einsetzen. Diesbezüglich haben die zweiten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen auch dem Meinungsaustausch über aktuelle internationale Angelegenheiten gedient, wobei beide Seiten zugleich ihren starken Willen unterstrichen haben, durch kontinuierliche Fortsetzung des bilateralen Rechts- und Menschenrechtsdialogs Reform und Rechtstaatlichkeit in China zu fördern.

Rund um Merkels Chinabesuch gab es diesmal erneut einige kritische Stimmen in Deutschland, wie z.B. in Bezug auf die chinesische Investitions- und Pressepolitik gegenüber den deutschen Unternehmen und Journalisten, wie man der deutschen Presse entnehmen kann. Die demokratische Grundhaltung und Diskurskultur in der deutschen Gesellschaft führen häufig dazu, dass unterschiedlichen Meinungen aus Parteikreisen und von Bürgern deutlich Ausdruck verliehen wird, was die Regierung bei wichtigen politischen Entscheidungen in der Regel zu berücksichtigen hat.

Für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland werden die Kultur- und Medienmacher sowie Wissenschaftler in Zukunft eine noch wichtigere Rolle zu übernehmen haben, wie die Bundeskanzlerin auf einem Empfang in der deutschen Botschaft in Beijing betonte. Daher ist nach Abschluss der dreijährigen Veranstaltung „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" in China in diesem Jahr in Deutschland das „Chinesische Kulturjahr 2012" ausgerufen worden. Bedeutend sind zudem der ab 2010 jährlich einmal stattfindende Deutsch-Chinesische Mediendialog sowie im Jahre 2009/10 das Wissenschafts- und Bildungsjahr in Deutschland. Als Ergebnis der zweiten Regierungskonsultationen wird das Jahr 2013/14 im Zeichen des „Deutsch-Chinesischen Sprachenjahres" stehen, das die Bedeutung der Sprache als Träger von Kultur und als Kommunikationsmittel ins Bewusstsein rücken soll.

Das Drachenjahr 2012 ist das Jahr des 40. Jubiläums der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China. In verschiedenen Bundesländern finden dazu eine Reihe von festlichen Veranstaltungen statt. In Köln wird im September zudem das 25. Jubiläum der Aufnahme der Städtepartnerschaft mit Beijing gefeiert. Angesichts des gegenwärtigen Aufstiegs beider Länder als bedeutende wirtschaftliche und politische Zentren ist es erforderlich, dass es neben Regierungskonsultationen und zahlreichen Regierungsdialogen auch zur Förderung des Kulturaustauschs und der Begegnung von Mensch zu Mensch kommt, damit das Verständnis für die historischen, kulturellen und systembezogenen Unterschiede beider Länder vertieft wird und so eine tragfähige und vertrauensvolle Basis für einen erfolgreichen Verlauf der nächsten vierzig Jahre diplomatischer Beziehungen geschaffen wird.

 

Die Autorin ist stellvertretende Direktorin des Deutschland-Forschungszentrums der Renmin-Universität 

von China in Beijing

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Mehr dazu:
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