Die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen leiten eine neue Ära der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern ein.
Die erste Runde der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen hat am Vormittag des 28. Juni Ortszeit in Berlin stattgefunden. (Quelle: Xinhua)
Bei seinem Aufenthalt in Deutschland vor wenigen Tagen eröffnete Ministerpräsident Wen Jiabao gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, einen neuen Mechanismus in der Kooperation beider Länder. Die erste Runde des Ministertreffens wurde am 28. Juni in Berlin von Merkel und Wen persönlich geleitet. Die Veranstaltung gilt als Meilenstein in den bilateralen Beziehungen der beiden Länder, denn Deutschland ist das erste Land, das mit China künftig regelmäßige Konsultationen auf Ministerebene unterhalten wird.
Mehr als zwanzig chinesische und deutsche Minister, die verschiedenen Ressorts vorstehen, wie etwa den auswärtigen Beziehungen, der Wirtschaft, den Finanzen, Wissenschaft und Technologie sowie Landwirtschaft, Umweltschutz und Bildung, haben an den Konsultationen teilgenommen.
Der neue Dialog zeigt nicht nur, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen ein höheres Niveau erreicht haben, sondern dass die beiden Länder auch dazu bereit sind, die bilaterale Zusammenarbeit in umfassender Weise auszubauen.
Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1972 haben beide Länder bedeutende Veränderungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich vollzogen. Dieser Wandel wurde von einem Auf und Ab in den diplomatischen Beziehungen begleitet, aber in vielen Bereichen hat sich die Zusammenarbeit stetig entwickelt.
Im Jahr 2010 haben die beiden Länder eine strategische Partnerschaft vereinbart und in einem gemeinsamen Kommuniqué einen Ausbau ihrer Kooperation auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet angekündigt. China ist Deutschlands wichtigster Partner in Asien, während Deutschland der wichtigste Partner Chinas in Europa ist. Mittlerweile sind ihre Beziehungen zum tragenden Pfeiler des stabilen Verhältnisses zwischen China und der EU geworden. Im Gefolge der Globalisierung waren vor allem wirtschaftliche Zusammenarbeit und Zusammenwirken bei Weltfragen die hauptsächlichen Triebkräfte der Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen.
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sind die Eckpfeiler der chinesisch-deutschen Beziehungen. Deutschland ist Chinas größter europäischer Handelspartner. Die Bundesrepublik ist darüber hinaus der größte Investor und Lieferant technischer Güter für China aus den Reihen der Staaten Europas. Die gemeinsamen Anstrengungen beider Länder bei der Überwindung der weltweiten Finanzkrise haben ebenfalls zu einem Ausbau ihrer Wirtschaftsbeziehungen beigetragen.
Im Jahr 2010 erreichte der bilaterale Handel ein Volumen von 142,4 Milliarden US-Dollar, was einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 34,8 Prozent entspricht. Damit machte der chinesisch-deutsche Austausch von Gütern und Dienstleistungen nahezu 30 Prozent aller zwischen China und der EU gehandelten Waren aus.
Bis Ende 2010 summierten sich die deutschen Direktinvestitionen in China auf 17,2 Milliarden US-Dollar. China hatte Verträge zum Import von technischen Gütern im Wert von 51,4 Milliarden US-Dollar unterzeichnet.
Gegenwärtig sind die Erwartungen, die Wirtschaft und Handel mit der deutsch-chinesischen Kooperation verknüpfen, noch größer geworden. China benötigt deutsche Technologie für den Strukturwandel seiner Wirtschaft, Deutschland braucht den chinesischen Markt zur Beflügelung seines Wirtschaftswachstums.
Hinzu kommt, dass die beiden Partner bei vielen globalen Problemen gemeinsame Interessen verfolgen. Als führende Handelsnationen der Welt haben China und Deutschland eine wichtige Rolle bei der Überwindung der Finanzkrise gespielt. Im Rahmen der Zusammenarbeit der G20 haben sie vertrauensvoll zusammengearbeitet. Beide treten dafür ein, Lehren aus der Krise zu ziehen und die Rolle der internationalen Finanzinstitutionen zu stärken und das System der internationalen Finanzaufsicht zu reformieren.
Darüber hinaus wirken China und Deutschland auch auf anderen internationalen Feldern zusammen, darunter Umweltschutz, Folgen des Klimawandels, Energiepolitik und der Nichtverbreitung von Atomwaffen.
Beide Länder nehmen bei vielen regionalen und internationalen Fragen die gleichen oder ähnliche Standpunkte ein. So machten sich beide Seiten etwa für eine politische Lösung der Libyen-Krise stark und optieren für Dialog anstatt militärischer Gewalt.
Allgemein gesprochen bewegen sich die chinesisch-deutschen Beziehungen auf der Bahn von Vertrauensbildung und Förderung der Zusammenarbeit. Aber natürlich gibt es auch Hindernisse und Probleme.
Aufgrund ihres verschiedenen historischen und kulturellen Hintergrundes sowie der Verschiedenartigkeit ihrer politischen Systeme kommt es bei einer Reihe von Themen zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Staaten. Die deutsche Außenpolitik ist nicht nur interessengeleitet, sondern auch wertorientiert. Daher kritisiert Deutschland oft den Stand der Menschenrechte in China und das chinesische Rechtssystem.
China begrüßt einen Austausch auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses und Respekts. Aber es weist ganz entschieden bösartige Angriffe und Anschuldigungen zurück, die die staatlichen Verhältnisse Chinas ignorieren.
Um Investitionsrisiken zu mindern, dehnen deutsche Firmen ihre Geschäftsaktivitäten über viele asiatische Länder aus. Kleine und mittlere Betriebe sind die treibende Kraft bei den Hi-Tech-Innovationen der deutschen Wirtschaft. Aus Angst vor der Verletzung geistiger Eigentumsrechte in China halten sich diese Firmen jedoch beim China-Geschäft zurück. China muss diese Befürchtungen zerstreuen, um mehr Unternehmen vor allem aus dem Hi-Tech-Bereich anzuziehen.
In den letzten Jahren haben deutsche Medien einen negativen Einfluss auf die chinesisch-deutschen Beziehungen ausgeübt. Unterschiede in der Weltanschauung sind eine wichtige Ursache für diese Erscheinung. Eine noch größere Rolle spielte dabei aber die Fehleinschätzung von Chinas rascher Entwicklung. Sie betrachteten den Aufstieg Chinas als Bedrohung, nicht als Chance für Deutschland und die Europäische Union.
Im Lichte dessen ist die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den beiden Ländern – vor allem zwischen deren Menschen – wesentlich für eine nachhaltige Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen. Es ist daher erforderlich, die Kooperation auf den Feldern Wissenschaft, Technologie, Kultur und Bildung zu intensivieren. Ein Austausch auf diesen Gebieten wird China und Deutschland dabei helfen, Differenzen zu überbrücken und das gegenseitige Vertrauen zu stärken.
Die Autorin ist Wissenschaftsrätin am Institut für Europastudien an der Akademie der Sozialwissenschaften.
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