31-07-2014
Wirtschaft
Internetfinanzprodukte in der Krise
von Zhou Xiaoyan

Beenden rapide fallende Renditen den Boom der Finanzdienstleistungen im Internet?

 

CFP

Es gab einmal eine Zeit, als Chinas Banken die Finanzprodukte von Internetunternehmen als furchterregende Konkurrenz betrachteten. Jetzt können sie sich entspannt zurücklehnen, tief durchatmen und sich erholen.

Selbst erfolgreiche Internet-Pioniere wie Alibaba geraten nämlich ins Schleudern. Die Renditen für ihre Finanzprodukte fallen seit mehreren Monaten in Folge, die Bedenken hinsichtlich ihres Anlagewertes wachsen und es stellt sich die Frage, ob sie ganz vom Markt verschwinden werden.

Verblassender Glanz

Ende Mai 2013 kam „Yu'ebao" (wörtlich: übriggebliebener Schatz) auf den Markt. Verantwortlich für dieses Aushängeschild der Online-Anlageprodukte waren Alibaba, Chinas führendes E-Commerce-Unternehmen, und die Tianhong Asset Management Co. Ltd.  Kunden von „Yu'ebao" konnten Bargeld in einen Geldmarktfonds investieren.  

Yu'ebao hatte sofort großen Erfolg und wurde Chinas wichtigstes Investmentangebot im Internet. Die User zogen das Produkt traditionellen Investitionsmöglichkeiten vor, weil es deutlich höhere Erträge abwarf als die regierungsgesteuerten Einlagenzinsen. Es gab keine Anforderungen an eine Mindesteinzahlung und es war leicht, Geld zu überweisen und abzuheben, ohne dafür eine Kommission zu zahlen. Am 26. Mai verfügte Yu'ebao nach Angaben von Tianhong Asset Management Co. über mehr als 100 Millionen Nutzer und eine Gesamtinvestitionssumme von 574,2 Milliarden Yuan. Es war der größte Geldmarktfonds in China und der viertgrößte der Welt.

Doch die guten Zeiten sind vorbei. Seit Januar, als die wöchentliche Zinsrate mit 6,76 Prozent ihren höchsten Wert erreichte, sinkt die Rendite von Yu'ebao kontinuierlich. Am 23. Juli betrug die Zinsrate nur noch 4,18 Prozent. Analysten prognostizieren, dass sie im August unter 4 Prozent fallen wird. Der jährliche Leitzins beträgt 3 Prozent.

"Auf lange Sicht wird sich der Zinssatz von Yu'ebao bei 3 bis 4 Prozent einpendeln", erklärte Yi Huanhuan, stellvertretender Leiter der Forschungsabteilung bei Hongyuan Securities Co. Ltd. Die Neueinlagen brachen im zweiten Quartal dieses Jahres ein, sie lagen bei knapp 33 Milliarden Yuan, weniger als 10 Prozent der Neueinlagen des ersten Quartals.  

Auch der Anstieg der Nutzerzahl hat sich verlangsamt. Von Ende 2013 bis Ende März 2014 verdoppelte sich die Zahl nahezu von 43 auf 80 Millionen, bis Ende Juni stieg sie dagegen nur noch auf 100 Millionen. Für Yu'ebao gebe es nicht mehr viel Entwicklungsspielraum. „Yu'ebao hat seinen Zenit erreicht", meint Wu Xiaoling, ehemaliger Vizepräsident der Zentralbank.

Yu'ebao ist kein Einzelfall. Online-basierte Vermögensmanagementprodukte wie Licaitong von Tencent und Baizhuan von Baidu verzeichnen ebenfalls eine kontinuierliche Abnahme der Renditen.

 

Die Banken schlagen zurück

Nach Expertenansicht sind die seit April sinkenden Zinssätze für Interbankkredite der Hauptgrund für die schrumpfenden Zinsen von Online-Finanzprodukten. Als die Produkte im Juni vergangenen Jahres an den Markt gingen, litt der Geldmarkt an einem ernsthaften Kapitalengpass, die Zinssätze stiegen sprunghaft an. Die Online-Fonds profitierten von diesem Anstieg und konnten den Investoren hohe Erträge anbieten. Da sich die Situation am Geldmarkt jedoch stabilisiert und die Zinssätze fallen, sind die Renditen von Fonds wie Yu'ebao entsprechend gesunken.

Langfristig werden sich die Gewinne von Yu'ebao allmählich stabilisieren, genau wie bei jedem anderen normalen Geldfonds auch. Sie werden sich dem Finanzmarkt anpassen. Es sei daher unmöglich, Investoren außergewöhnliche hohe Renditen anzubieten, behaupten Analysten.

Auch wenn Yu'ebao erst seit einem Jahr existiert, so hat das Produkt doch die Branche wesentlich verändert und das Bewusstsein für Vermögensmanagement deutlich erhöht. Angesichts hoher Einlageverluste entwickelten Chinas Banken in der Folge ähnliche Produkte, um sich ihren Anteil am Kuchen zu sichern. Auch wenn sie Spätzünder waren, sind ihre Renditen zurzeit höher als die der Internet-Unternehmen. So liegen die Zinssätze von Zhangui Qianbao (wörtlich: Geldbörse des Chefs), ein Produkt der Industrial Bank, und von Huoqibao (bedeutet "Lieferung nach Bestellung"), ein Produkt der Bank of China, beide über 5 Prozent.

Um höhere Gewinne machen zu können, sind Online-Geldfonds teilweise von Einlagevereinbarungen mit traditionellen Bankhäusern abhängig (die Banken bieten höhere Zinssätze für Unternehmenskunden als Einzelkunden). "Nachdem sie große Geldsummen gehortet haben, müssen Internet-Unternehmen mit den Banken über Einlagen verhandeln, um Gewinne machen zu können. Einen Teil der Gewinne erhalten die Investoren, einen anderen Teil die Internetunternehmen. Mittlerweile verfügen Banken aber über eigene Anlageprodukte im Internet. Es gibt weniger Zwischenglieder, daher bieten bankengestützte Investitionsprodukte  eine höhere Rendite als die von Internetunternehmen", erklärte Guo Fanli, Direktor der Forschungsunternehmens CIConsulting in Shenzhen. "Außerdem wird die marktorientierte Zinssatzreform in China schrittweise umgesetzt. Daher werden die Online-Finanzprodukte der Banken die der Internetunternehmen in Zukunft um Längen schlagen", so Guo weiter.

"Investmentplattformen im Internet werden sich nicht nur auf Geldmarktfonds konzentrieren, sondern noch andere Entwicklungsmöglichkeiten auftun. Neue Fondstypen können genutzt werden, um eine stabile Rendite zu gewährleisten", prophezeit Guo.

Es ist außerdem bequemer, Online-Investmentprodukte von Banken zu nutzen, da die tägliche Rückkaufbeschränkung höher ausfällt und Rückkäufe schneller möglich sind. Banken bieten einen sofortigen Rückkauf an, bei Yu'ebao dauert der Rückkauf von weniger als 50.000 Yuan unter zwei Stunden, mehr als 50.000 Yuan gibt es in zwei Tagen zurück. Einige bankengestützte Investmentprodukte benötigen nicht einmal eine Rückkaufsoption, die User können Fondseinlagen direkt am Geldautomat abheben.

 

Produktdiversifizierung

Ungeachtet der gesunkenen Renditen konnte Yu'ebao mehr als 100 Millionen Nutzer gewinnen, die mit ihrem Bargeld arbeiten wollen. Mit einer so wertvollen Kundenreserve ist es für das Unternehmen zu einer dringenden Aufgabe geworden, diese Ressource auch effektiv zu nutzen. Angesichts der Trendwende am Finanzmarkt scheint der Schlüssel zum Überleben der Investmentprodukte von Internetunternehmen in ihrer Diversifizierung zu liegen. Yu'ebaos geplante Produktinnovationen konzentrierten sich auf zwei Bereiche: die Erfüllung von Verbraucherbedürfnissen und die Bereitstellung von zahlreicheren und unterschiedlicheren Vermögensverwaltungsdienstleistungen für die User, erklärte ein Mitarbeiter von Alibaba gegenüber der National Business Daily.  

So hat Yu'ebao beispielsweise Vereinbarungen mit großen Telekomanbietern getroffen, die den Kauf eines Smartphones mithilfe eines Yu'ebao-Fonds erlauben. Der Fonds kann ebenso zum Online-Shopping, zum Bezahlen von Strom-, Gas- und Telefonrechnungen genutzt werden.

„Im April dieses Jahres gründete Yu'ebao eine offene Investmentplattform namens Zhaocaibao. Zhaocaibao unterscheidet sich grundlegend von Yu'ebao. Finanzinstitute können hier ihre Produkte an unsere mehr als 100 Millionen User verkaufen. Zhaocaibao bietet eine stabile Rendite und einen fixen Zeitraum für Rückkäufe. Der Service ist als Ergänzung zu Yu'ebao gedacht, User sollen Zugang zu professionelleren und spezifischeren Vermögensveraltungsangeboten erhalten", erklärte Wen Tian, Direktor der Vermögensverwaltungsabteilung von Alibabas Small and Micro Financial Services Group.