07-07-2014
Wirtschaft
Härtere Strafen: China bessert beim Gesetz für Lebensmittelsicherheit nach
von Yuan Yuan

Angesichts zahlreicher Lebensmittelskandale wie schwermetallbelastetem Reis, giftigem Milchpulver, pestizidverseuchtem Gemüse und giftigen Zusatzstoffen in Lebensmitteln kann einem die Angst davor, was man seinem Körper antut, auch die Freude am besten chinesischen Essen vermiesen.

Qual der Wahl: Früchte auf einem Supermarktregal am 10. Juni in Shanghai (IC)

Das ist ein großes Problem für ein Land, das für seine kulinarischen Traditionen bekannt und ins Essen verliebt ist, auch wenn China wohl niemals einen Kampf anzetteln würde, damit stets Essen von höchster Qualität auf den Tisch kommt.

Nun versucht man mit härteren Strafen, die Lebensmittelsicherheit zu verbessern. Während seiner alle zwei Wochen stattfindenden Sitzung fand im Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die erste Lesung des geänderten Gesetzes zur Lebensmittelsicherheit statt. Im allgemeinen tritt ein Gesetz oder eine Gesetzesänderung erst nach mindestens drei Lesungen im NVK oder seinem Ständigen Ausschuss in Kraft, während dieser Phase werden Reaktionen der Gesetzgeber und der Öffentlichkeit miteinbezogen.

Ein Schritt nach vorne

China begann in den frühen 1980er Jahren einen gesetzlichen Rahmen für die Lebensmittelsicherheit auszuarbeiten. 1982 wurde das Lebensmittelhygienegesetz (für probeweise Durchführung) verkündet, das den Weg für das gegenwärtige Gesetz zur Lebensmittelsicherheit ebnete.

Zu dieser Zeit machte man sich hauptsächlich wegen verdorbenem, unhygienischem Essen und möglichen Lebensmittelvergiftungen sowie Schadstoffen, die während der Lebensmittelverarbeitung ins Essen gelangten, Sorgen.

1995 trat das Lebensmittelhygienegesetz in Kraft, sein Geltungsbereich deckte auch andere Sicherheitsbelange wie illegale chemische Zusatzstoffe und Lebensmittelstandards für Krankenhäuser und Kinder ab.

Nach dreijähriger Bearbeitungszeit wurde 2009 das Gesetz zur Lebensmittelsicherheit verabschiedet. Es fasste Hunderte verschiedenster Vorschriften und Normen zu einem einheitlichen Standard zusammen und hatte zum Ziel, ein „mächtiges und effektives Rechtssystem zu schaffen, das Verbrauchervertrauen zu steigern sowie die Entwicklung der Lebensmittelindustrie voranzutreiben und höhere Qualitätsstandards zu garantieren."

In den vergangenen Jahren hat sich die Situation jedoch weiter verschlimmert. Milde Strafen und lockere Vorschriften werden als Gründe für die ineffektive Umsetzung des Gesetzes genannt.

„Die Strafen für die Täter sind geringfügig und die Durchsetzung des Gesetzes zu lasch. Der Preis für Gesetzesverstöße ist nicht hoch genug, um sie zu verhindern", erklärt Wu Jinming, Professor an der China University of Political Science and Law in Beijing. „Für Verbraucher ist es zeitaufwändig, ihre Rechte durchzusetzen, nur wenige wollen für Gericht gehen angesichts der geringen Vorteile selbst bei einem Sieg. Wir brauchen detailliertere Vorschriften, um schwere Fälle von Gesetzesverstößen strafrechtlich zu ahnden."

Unterdessen machten weitere Lebensmittelskandale Schlagzeilen, wie etwa Clenbuterol-Injektionen für Schweine, recyceltes Speiseöl, Schweinefleisch aus kranken Tieren, Tabletten mit giftiger Gelatine und der Verkauf von Ratten- und Fuchsfleisch als Hammel- und Rindfleisch. Nach Angaben des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit hat die Polizei in den vergangenen drei Jahren in mehr als 52.000 Fällen wegen Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit ermittelt.

Eine Änderung des Gesetzes zur Lebensmittelsicherheit ist daher von größter Dringlichkeit. Ende Oktober 2013 veröffentlichte die China Food and Drug Administration (CFDA) einen Entwurf der jüngsten Version zur öffentlichen Kenntnisnahme.

Der Entwurf enthält 50 Prozent mehr Paragraphen. Das ist ein Hinweis darauf, dass Lebensmittelproduzenten und –händler mit einer strengeren Kontrolle ihrer Arbeitsprozesse und Lieferketten rechnen müssen. Die Zentralregierung wird lokale Regierungen genauer bei der Umsetzung des Gesetzes überwachen. Forderungen, dass lokale Regierungen und Unternehmen eine aktivere, sogar aggressive Rolle bei der Lösung der Lebensmittelprobleme in China spielen sollten, werden seit Jahren immer lauter.

Die Strafen für Gesetzesverstöße werden im geänderten Gesetz deutlich höher ausfallen. Hersteller müssen mit Geldstrafen rechnen, die das 30-fache des Produktwertes betragen, bislang war es höchstens das 10-fache. Bei einem Produktwert von bis zu 10.000 Yuan kann die Geldstrafe nun bis zu 150.000 Yuan betragen, vorher waren es höchstens 50.000 Yuan.

Verbraucher können Entschädigungen verlangen, die dreimal so hoch sind, wie die Verluste, die sie durch die schlechten Lebensmittel erlitten. Das heißt, dass auch medizinische Ausgaben möglicherweise in dreifacher Höhe zurückgezahlt werden. Das bisherige Gesetz sieht nur Entschädigungen vor, die höchstens das 10-fache des Einkaufspreises der Lebensmittel beträgt.  

Die Gesetzesvorlage sieht auch Regelungen zur Bestrafung der Verpächter von Produktionsanlagen vor, wenn sie von den illegalen Praktiken gewusst haben. Gleiches gilt für Händler, die illegale Substanzen verkaufen, wissend, dass sie Lebensmitteln zugesetzt werden sollen. Jedes auf diesen Wegen erzielte illegale Einkommen wird konfisziert, es werden Geldstrafen von bis zu 200.000 Yuan verhängt.

Der Änderungsentwurf sieht auch die Einrichtung eines einheitlichen Überwachungs- und Managementsystems vor, das landesweit staatliche und lokale Lebens- und Arzneimittelbehörden umfasst.

Beamte, die bei Lebensmittelskandalen versagen und Schlupflöcher nicht beseitigen, drohen Sanktionen wie Degradierung und Entlassung. Sie werden ebenfalls für die Verschleierung von Skandalen zur Verantwortung gezogen. Ähnliche Strafen drohen Beamten von Lebens- und Arzneimittelregulierungsbehörden sowie Gesundheits- und Landwirtschaftsministerien. Mitarbeiter bei Testverfahren, die falsche Ergebnisse präsentieren, die dann zu Lebensmittelskandalen führen, oder die an Verbrechen beteiligt sind, erhalten ein lebenslanges Berufsverbot. „Die Gesetzesänderung wird Verstöße mit harten zivilen, administrativen und strafrechtlichen Sanktionen ahnden und hart gegen Kontrolleure vorgehen, die ihre Pflicht vernachlässigen" erklärte Zhang Yong, Leiter der CFDA.

 Meinungen

„Die Gesetzesänderung hat einen fundierten Rahmen. Sie entspricht der allgemeinen öffentlichen Erwartung an uns, Verbrechen gegen die Lebensmittelsicherheit hart zu bestrafen", sagte Cai Fang, Mitglied des Ständigen Ausschusses des NVK, bei einer Podiumsdiskussion über den Entwurf am 23. Juni.

Der NVK-Abgeordnete Zhang Haiqing besitzt eine Molkerei und ein Unternehmen für Tiefkühllebensmittel in der Provinz Henan. Er unterstützt die Vorlage. „Das gegenwärtige Gesetz hat keine klaren Bestimmungen, welche Strafen bei Gesetzesverstößen angewandt werden sollen. Das ermöglicht einigen Kriminellen, davonzukommen", so Zhang. „Wenn Verbrecher bestraft werden, werden die Gesetzestreuen davon profitieren, da der Ruf der Industrie sich verbessern und das öffentliche Vertrauen zunehmen wird."

Chen Weiwen, ebenfalls Mitglied des Ständigen Ausschusses des NVK, empfiehlt, dass das Gesetz noch weiter gehen sollte, von der Produktion der Lebensmittel hin zur Erzeugung ihrer Bestandteile. „In vielen Nahrungsergänzungsmitteln werden beispielsweise Bestandteile medizinischer Kräuter verwendet.  Die Art der Kräuter und das Umfeld, in dem sie wachsen, beeinflusst die Qualität und Sicherheit der Ergänzungsmittel in hohem Ausmaß", erklärt Chen.

„Die Gesetzesänderung wird den Lebensmittelkontrolleuren mehr Macht geben, aber seine Einführung wird nicht einfach sein angesichts des weit verbreiteten stillschweigenden Einverständnisses unter den Lebensmittelproduzenten", sagt Zheng Fengtian, Professor an der Renmin-Universität in Beijing. „Skrupellose Lebensmittelhersteller können möglicherweise einen Weg finden, härteren Strafen zu entgehen."

Liu Junhai, Direktor des Business Law Center der Renmin-Universität, der am Entwurf des Gesetzes beteiligt war, fordert betroffene Behörden zur Zusammenarbeit und Koordination der Lebensmittelkontrolle auf. „Die Entschädigung für Opfer von Lebensmittelskandalen sollte keine Obergrenze haben", fügte Liu hinzu. „Sogar das 30-fache des Produktwertes ist in einigen Fällen nicht wirklich viel und je nach Fall sollte sie höher ausfallen."