29-01-2014
Wirtschaft
Neue Reisetrends in China
von Lan Xinzhen

Immer mehr Chinesen entdecken das Reisen. Vor allem der Auslandstourismus nimmt zu.

 

Mehr Reisen ins Ausland: Ein Tourist beim Besuch des Metropolitan Museum of Art in New York. (Wang Lei)

Zum 3. Januar hat der Inselstaat Vanuatu im Südpazifik seine Visabestimmungen für Besucher aus China vereinfacht. Chinesische Staatsbürger brauchen nicht mehr in die Botschaft von Vanuatu zu gehen, sondern müssen nur noch einen Online-Antrag ausfüllen und Passfotos sowie Ausweise per Mail an die Botschaft schicken. Die Botschaft schickt die eingescannten Visa dann innerhalb von fünf Arbeittagen den Antragstellern zu.

Vanuatu ist nach den USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Südkorea seit 2013 das jüngste Beispiel für ein Land, das durch eine Vereinfachung der Visabeantragung mehr chinesische Touristen anlocken will, da sie den Konsum im Land ankurbeln.

Am 8. Januar veröffentlichte die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften das Grünbuch Tourismus 2013-2014. Auslandsreisen hätten in den vergangenen Jahren schnell zugenommen, während die Zahl der Inlandsreisen abnehme, hieß es. „Hinter dieser Veränderung steckt die Neuausrichtung der weltweiten Konsumkräfte", erklärte Wu Jimei, stellvertretende Chefredakteurin des Grünbuchs und Forscherin im Professorsrang an der CASS.

 

Zunahme der Auslandsreisen

Laut Grünbuch haben Auslandsreisen in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. 2000 reisten 10 Millionen Chinesen ins Ausland, 2013 waren es bereits 97,3 Millionen. Schätzungen zufolge werden es 2014 mehr als 100 Millionen sein.

Mit der Zunahme der Auslandsreisen steigt auch ihr Verbrauch der Touristen im Ausland an. 2013 gaben Chinesen im Ausland insgesamt 102 Milliarden Dollar aus, das sei Weltspitze, so das Grünbuch.

Schilder und Reiseführer in chinesischer Sprache könne man nun in vielen weltbekannten Geschäften sehen, vor zehn Jahren sei dies noch undenkbar gewesen, so Wu.

Die Ausgabefreudigkeit chinesischer Touristen im Ausland könne auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden. Für die meisten Chinesen ist eine Auslandsreise etwas Besonderes. Haben sie einmal die Gelegenheit dazu, kaufen viele Chinesen daher Konsumgüter, die sie mehrere Jahre lang verwenden können. Zum anderen sind Chinas Zollgebühren für importierte Waren immer noch hoch, so dass viele Touristen ihr Geld lieber im Ausland ausgeben.

„Wir hoffen, dass Chinesen ihr Geld im Ausland sinnvoll ausgeben können. Natürlich erwarten wir in dieser Phase weiterhin ein beständiges, nachhaltiges und gesundes Wachstum bei Auslandsreisen und beim Konsum", erklärte Wu.

Viele Länder wetteifern auf vielfältige Weise darum, chinesische Touristen anzulocken, sie vereinfachen die Visabeantragung und investieren viel Geld, um auf dem chinesischen Markt für sich zu werben. Für ihre Hotels, Touristenattraktionen und Geschäfte sind chinesische Touristen zunehmend wichtige Kunden.

„Immer mehr junge Chinesen reisen ins Ausland, sie sind unabhängiger, wissen mehr über ausländische Kulturen und sind eher dazu bereit, sich an die fremde Kultur anzupassen", erklärt Song Rui, Direktor des Tourismusforschungszentrums an der CASS. Sie achten verstärkt darauf, sich als gebildet und respektvoll gegenüber anderen Kulturen zu präsentieren und versuchen dadurch Anerkennung zu erlangen.

Eines sollte man aber nicht ignorieren: Die Zahl der Chinesen, die 2013 nach Japan reisten, sank dramatisch, während gleichzeitig die Zahl der Russlandreisen stieg. Dies habe allein politische Gründe, so Wu. Die Politik wirkte sich in beiden Ländern direkt auf die Einnahmen aus dem Tourismus und sogar das Vertrauensverhältnis zu China aus. Chinesische Touristen reisen immer öfter ins Ausland, bei der Wahl ihres Reisezieles spielen politische Faktoren eine entscheidende Rolle.

 

Wandel bei Inlandsreisen

Laut Grünbuch machten Chinesen 2013 3,58 Milliarden Reisen im eigenen Land, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Einnahmen aus dem Inlandstourismus stiegen um 12 Prozent auf 2,85 Billionen Yuan (347 Milliarden Euro) im Jahr 2013. 

„Urlaub war früher eine Art Erholung, die der oberen Klasse vorbehalten war. Nun aber können sich ihn auch ganz gewöhnliche Leute leisten, egal, ob ältere Leute, Frauen oder Bauern", so Jin Zhun, Generalsekretär des Tourismusforschungszentrums an der CASS. 

Nach einer Umfrage des Tourismusforschungszentrums verdienen die meisten chinesischen Touristen zwischen 3000 Yuan und 8000 Yuan (365 – 975 Euro) im Monat.

Die Art des Reisens hat sich im vergangenen Jahr erheblich verändert. Früher nahmen Chinesen meist an Gruppenreisen teil, 2013 verreisten die meisten individuell. Betrachten wir zum Beispiel den Berg Emei in der Provinz Sichuan. 2012 waren noch 80 Prozent der Besucher Gruppenreisende, 2013 kamen zu 80 Prozent Individualtouristen. 2012 reisten 70 Prozent der Besucher des Jiuzhai-Tals und des Changbai-Gebirges in der Gruppe an, 2013 waren 70 Prozent als Individualreisende unterwegs. Die Zahl der Gruppenreisen im Inland werde 2014 weiter abnehmen, meint Jin.

Fast die Hälfte der Individualtouristen verreiste auf eigene Faust. Bei 46 Prozent der Inlandsreisen bzw. 1,36 Milliarden Touristen war dies der Fall.

Aufgrund der jüngsten Anti-Korruptionsmaßnahmen haben regierungsfinanzierte Reisen deutlich abgenommen. Laut Grünbuch sank die Belegungsrate chinesischer Hotels mit drei Sternen oder mehr um 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Einnahmen aus Zimmervermietung und Verpflegung sanken um 8,5 bzw. 17,2 Prozent.

China versucht außerdem, mehr ausländische Touristen anzulocken. Die Flughäfen in Beijing, Shanghai, Guangzhou und Chengdu bieten ein 72-Stunden-Visum für Transitpassagiere aus 45 Ländern an. Diese Maßnahme hat allerdings nicht zum gewünschten Erfolg geführt. 2013 lag die Zahl der Übernachtungen bei Inlandsreisen bei 55,7 Millionen, ein Rückgang von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Visafreigabe sei eine weltweit allgemein übliche Strategie, viele von Chinas Nachbarstaaten böten seit langem ein 72-Stunden-Transitvisum an, erklärt Jin. Einige gewähren sogar ein 30-Tage-Visum, was Chinas Visumsfreigabe weniger attraktiv erscheinen lässt. Es werde einige Zeit dauern, bis das Transitvisum zum gewünschten Erfolg führe, fügt er hinzu.

 

Mehr Investitionen

Laut Grünbuch erreichten die Direktinvestitionen in die chinesische Tourismusindustrie 2013 514,4 Milliarden Yuan (62,7 Milliarden Euro), 16,6 Prozent mehr als im Vorjahr. 57 Prozent davon waren private Investitionen, 61 Prozent gingen in Freizeiteinrichtungen und landschaftliche Sehenswürdigkeiten. 2013 entstanden in der Tourismusindustrie mehr als 500.000 neue Jobs.

Laut Grünbuch ist die Tourismusindustrie bei Fusionen und Übernahmen aktiv wie nie zuvor. Es fließen riesige Investitionssummen in ausländische Airlines, Hotels und andere touristische Einrichtungen ins Ausland. Chinesische Unternehmen sind Teil des internationalen Tourismusmarktes geworden, indem sie ihr Kapital, ihre Technologien, Vermarktungskanäle und Marken nutzen.

Anschaulichstes Beispiel ist die Wanda Group, Chinas größter und wichtigster Immobilien- und Unterhaltungskonzern.  Im Juni 2013 kündigte er an, den britischen Jachtbauer Sunseeker für 320 Millionen Pfund kaufen zu wollen. Wanda will außerdem 700 Millionen Pfund in den Bau eines Wanda Five Star Plus Hotels in London investieren. Es wäre das erste Luxushotel, das von einem chinesischen Unternehmen im Ausland errichtet wird.

Die große Kapitalmenge, die ins Ausland fließt, sei eine Ausweitung der Industriekette, herbeigeführt durch das steigende Ausmaß des Auslandstourismus. Investitionen in den Tourismus nahmen deutlich 2013 zu. Es sind sowohl hohe Investitionen in heimische Einrichtungen als auch erfolgreiche Finanzierungen auf ausländischen Märkten zu beobachten. „Die hohe Investitionsaktivität zeigt, dass die Tourismusindustrie attraktiver für Investoren geworden ist, Investitionspläne werden ehrgeiziger", erklärte Wu.

Investitionen in mobile Internetanwendungen nahmen 2013 ebenfalls explosiv zu. Investitionen in Telekommunikations-, Such- und Positionierungsanwendungen, Reiseführer, soziale Netzwerke und Unterhaltung wuchsen im vergangenen Jahr ebenfalls schnell, Smartphones wurden zu den wichtigsten „cleveren und leicht zu transportierenden Helfern" für die Reise.

Laut Grünbuch werden diejenigen Reiseveranstalter die künftigen Marktführer auf dem Online-Reisemarkt sein, die die Chancen durch die Entwicklung des mobilen Internets nutzen.

China sei allgemein als wichtiges Tourismusland anerkannt, so Wu. Seine Tourismusindustrie leistet wichtige Beiträge für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Obwohl China ein Land mit riesiger Bevölkerung ist und in großem wirtschaftlichen Maßstab operiert, ist der Beitrag der Tourismusbranche zum Wachstum jedoch immer noch niedriger als im weltweiten Durchschnitt. „China ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, aber wir können nicht sagen, dass es verhältnismäßig gesehen ein touristisch starkes Land ist", erklärte Wu.

Viele Faktoren würden die Entwicklung der Tourismusbranche einschränken, so wie die soziale Offenheit, die Nachhaltigkeit landschaftlicher Sehenswürdigkeiten, ein industrialisiertes Umfeld und die allgemeine soziale Entwicklung, so Wu weiter. Dringlichste Aufgabe für die Regierung sei es, den Reisenden mehr Urlaubszeit zu gewähren.