Abes Wirtschaftsplan wird Japans Konjunktur kurzfristig beleben. Ob das auch langfristig gelingt, ist unsicher.
Förderung der Wirtschaft: Am 11. Januar 2013 präsentierte Japans Premierminister Shinzo Abe bei einer Pressekonferenz in Tokio sein Anreizpaket in Höhe von 226,2 Milliarden Dollar. (Xinhua)
Japans Premierminister Shinzo Abe geht seit Beginn seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2012 mit einer neuen Methode gegen die Rezession im Land vor, auch bekannt als Abenomics. In den jüngsten Monaten zeigt die Wirtschaft des Landes tatsächlich einige Fortschritte, für 2013 wird mit einem Wachstum von 2,6 bis 2,8 Prozent gerechnet. Das ist ein positives Signal in Zeiten, in denen die Industriestaaten mit den Nachwehen der globalen Finanzkrise zu kämpfen haben.
Offen gesagt wird eine wirtschaftliche Erholung Japans für China und die Weltwirtschaft keine schlechte Sache sein. Angesichts des aktuellen Stands der Globalisierung wird das Wirtschaftswachstum in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt sicher zu mehr Angebot und Nachfrage führen. Aber es ist weiterhin unsicher, ob die Fackel der Abenomics Japan aus der Finsternis führen kann.
Drei „Pfeile"
Der Begriff Abenomics bezieht sich auf eine Reihe von Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, die Abe, der schon von 2006 bis 2007 Premierminister war, nach Beginn seiner zweiten Amtszeit Ende 2012 ergriff. Abenomics konzentriert sich auf eine lockere Währungspolitik und eine beschleunigte Abwertung des Yen. Das Herzstück des Programms ist unter dem Namen die drei „Pfeile" bekannt: eine starke Finanzpolitik, eine entspannte Steuerpolitik und eine Wachstumsstrategie, die auf nichtstaatliche Investitionen abzielt.
Der erste „Pfeil" beinhaltet eine Inflationsrate von 2 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Das soll mit Hilfe einer Politik der unbegrenzten quantitativen Lockerung, mit Gegenmaßnahmen zur Aufwertung des Yen und einer Änderung des Bankengesetzes, die eine bessere Koordination mit der Regierung ermöglichen soll, erreicht werden.
Der zweite „Pfeil" betont öffentliche Investitionen in großem Maßstab und Aufkäufe von Wohnungsbauanleihen durch die Bank of Japan, die Zentralbank des Landes.
Der dritte „Pfeil" beinhaltet negative Zinssätze, ein Wachstum, das durch eine hohe Lebenserwartung und einen guten Gesundheitszustand in der Gesellschaft erzeugt wird und eine Wachstumsstrategie, die alle Bürger involviert. Er betont zugleich die Rolle der Jugend und der Frauen.
Um die Maßnahmen voranzutreiben, unternahm Abe einige Anstrengungen. Unter seinem Einfluss wurde der Präsident der Bank of Japan zu einem Befürworter der Yen-Abwertung.
Japans Arbeitslosenquote zeigte von November 2012 bis September 2013 aber nur leichte Verbesserungen. Verglichen mit der Arbeitslosenquote von 7 Prozent in den USA und über zehn Prozent in Europa, liegt Japan jedoch weiter bei niedrigen 4 Prozent. Gleichzeitig steigt der Verbraucherpreisindex seit Juni 2013.
Das Anreizpaket hat die Exporte des Landes bislang nicht in eindeutiger Weise beeinflusst. Das heißt, die Abwertung des Yen begünstigt Exporte nicht wie erwartet. Grund dafür ist, dass sich die Wachstumsraten von Schwellenländern, einschließlich China, abschwächen, was zu sinkenden Nachfragen führt.
Herausforderungen und Chancen
Der Erfolg der Abenomics wird eher von langfristigen als kurzfristigen Auswirkungen abhängen. Es ist nicht schwer, die Wirtschaft vorübergehend zu stimulieren, beispielsweise durch eine quantitative Lockerungspolitik. Aber eine langfristige Politik sieht anders aus. Die Wirtschaft benötigt einen eigenständigen Zyklus, der Markt muss daher eine funktionale Rolle spielen. Sie benötigt bestimmte Voraussetzungen, um die Funktionen des Marktes zu aktivieren, z.B. Investitionsmöglichkeiten. Unternehmen investieren nicht blind, wenn eine wirtschaftliche Perspektive fehlt. Gewinne entstehen wiederum nicht ohne Investitionen. In so einer Situation werden Arbeitnehmer über weniger Einkommen verfügen, Verbrauch und Produktpreise werden sinken. Als Folge davon werden Gewinne und Einkommen weiter abnehmen. Abenomics will einen Impuls kreieren, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und wird daher in Japan allgemein begrüßt.
Die ersten beiden „Pfeile" der Abenomics werden ihr Ziel leichter treffen, als der dritte. Da fehlende Investitionsperspektiven die größte Herausforderung für die Wirtschaft sind, könnte der dritte „Pfeil" sein Ziel verfehlen.
Als hochentwickeltes Land bietet Japan wenige Anreize für Investitionen. Die Infrastruktureinrichtungen sind bereits gut ausgebaut. So wurden beispielsweise 97 Flughäfen auf einer Fläche von rund 380.000 Quadratkilometern gebaut, was der Größe der chinesischen Provinz Yunnan entspricht. Der heimische Markt ist wegen der hohen Arbeitskosten für japanische Unternehmen unattraktiv. Sie würden eher in andere Länder investieren, um größere Gewinne zu erzielen. Außerdem generiert der dritte „Pfeil" wahrscheinlich wenig Möglichkeiten für ein Wirtschaftswachstum. Die meisten jungen Japaner sind heutzutage konservativ, was Studium und Arbeit im Ausland angeht. Sie halten Japan für das beste Land der Welt. Es fällt schwer sich vorzustellen, wie diese Generation in der Lage sein soll, eine führende Rolle auf der Weltbühne zu spielen. Zudem wird es angesichts der Tradition, dass verheiratete Frauen zu Hause bleiben, noch lange dauern, bis Japans Frauen eine wirkliche Rolle spielen werden.
Die schwache Weltwirtschaft wird weiterhin die Auslandsinvestitionen japanischer Unternehmen beeinflussen. Zuerst muss sich die Konjunktur erholen, bevor sie eine Entscheidung über eine Erweiterung ihrer Auslandsinvestitionen treffen werden. Vor diesem Hintergrund ist es unmöglich, eine Wachstumsstrategie, die die gesamte Gesellschaft involviert, umzusetzen. Außerdem fehlt im Investitionsumfeld eine dauerhafte Stabilität. So hatte die angespannte Beziehung zu China einen negativen Einfluss auf die japanischen Investitionen im Reich der Mitte.
Abenomics belebt die japanische Wirtschaft weiterhin. Zu einer Zeit, in der die Weltwirtschaft anfällig bleibt und es keine Wunderwaffe gegen das Monster der Wirtschaftskrise gibt, zeigen andere Länder mehr Zeichen der Ermutigung als der Kritik hinsichtlich Japans Politik, auch wenn sie in einigen Bereichen zu weit gehen mag. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist, dass die absichtliche Währungsentwertung in der Vergangenheit normalerweise als Regierungsintervention am Markt kritisiert wurde, nun aber erfreut sich Japans Politik zunehmender Wertschätzung.
Japan zollt neuen Märkten besondere Aufmerksamkeit. Seit kurzem konzentriert es sich auf das Gebiet des Mekong, das Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam umfasst. Die Sättigung der US- und EU-Märkte sowie die Spannungen mit seinen ostasiatischen Nachbarn haben Japan dazu gebracht, diesen neuen Markt zu erkunden. Das Gebiet ist wegen der niedrigeren Arbeitskosten, einem riesigen potenziellen Markt und ähnlicher kultureller Gegebenheiten attraktiver als Zentral- und Südasien oder Afrika
Es ist eine Regel, dass es für eine hochentwickelte Wirtschaft wie Japan fast unmöglich ist, eine Wachstumsrate von mehr als 2 bis 3 Prozent aufrechtzuerhalten. Ein solches Kunststück zu erreichen ist schwierig, das zeigen die wirtschaftlichen Leistungen der Industrieländer in den vergangenen 20 Jahren. Europa und Japan haben bislang die 3-Prozent-Hürde nicht überschritten, die US-Wirtschaft erzielte Mitte der 1990er Jahre eine Wachstumsrate von 4 bis 5 Prozent.
Chinas wirtschaftliche Entwicklung wird Japan ebenso beeinflussen und Chancen bieten. Japan investierte von Januar bis September 2013 5,93 Milliarden Dollar in China und wurde zum zweitwichtigsten Investor. Seine Investitionen in das Mekong-Gebiet werden Japan potenziell neue Märkte, billige Ressourcen und Energie bringen – genauso wie harten Wettbewerb.
Die internationale politische Situation und Spannungen in der Region sind für Japan zurzeit ungünstig. Die wirtschaftliche Entwicklung erfordert ein friedliches und stabiles Umfeld. Japans Beziehungen zu China und Südkorea sind jedoch sehr gespannt. Es ist nicht leicht, diesen Zustand kurzfristig zu verändern. Abes politischer Rechtsdrall mag den Ausschlag zugunsten von China und Südkorea geben und für Abes Regierung zu einem Dorn im Auge werden.
(Der Autor ist Professor an der School of Economics der Renmin-Universität of China in Beijing)
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