17-10-2013
Wirtschaft
Goldene Woche: Rekordausgaben und Rekordchaos
von Zhou Xiaoyan

In der Goldenen Woche gaben die Chinesen rekordverdächtig viel Geld aus, doch nicht jeder ist glücklich.

 

 

Kaufrausch: Kunden stehen am 5. Oktober vor einem Burberry-Laden in einer Outlet-Mall in einem Vorort von Tianjin Schlange (CFP)

China hat die Welt wieder einmal mit der ungeheuren Kaufkraft seiner Urlauber in Erstaunen versetzt. Während der einwöchigen Ferien zum Nationalfeiertag vom 1. bis 7. Oktober gab eine Rekordzahl von Chinesen Rekordsummen für Essen, Kleidung oder Reisen aus. Der wachsende Konsumrausch während der Ferien hat sogar zur Schaffung eines neuen Begriffs geführt. „Goldenes Chaos" wurde die Zeit wegen des Verkehrschaos und überfüllter touristischer Sehenswürdigkeiten auch genannt. Viele fordern nun von der Regierung Lösungen für eine stressfreiere Reisezeit.

 

Immens gestiegener Verbrauch  

Wie haben Mittelklasse-Chinesen während der lang ersehnten Goldenen Woche die Zeit totgeschlagen? Mit Essen, Shopping und Reisen.

Die Verkaufsumsätze in Chinas Einzelhandel und Gastronomie erreichten nach Angaben des Handelsministeriums (MOFCOM) während der Ferien 760 Milliarden Yuan (95 Milliarden Euro), ein Zuwachs von 13,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aufgrund zahlloser Hochzeitsbankette, Familien- und Freundestreffen strich die Gastronomie exorbitante Gewinne ein.

Die Goldene Woche ist ein beliebter Zeitpunkt für Hochzeiten und Bankette, weil viele Chinesen sieben Tage am Stück frei haben. Ein Glücksfall für Hotels und Restaurants, die oft schon ein Jahr im Voraus gebucht werden. In Shanghai richteten laut MOFCOM 121 Hotels 23.000 Hochzeitsessen aus. 

Luxusrestaurants boten Sonderangebote und kostengünstige Möglichkeiten, ganz im Einklang mit der aktuellen politischen Kampagne für mehr Genügsamkeit. Haidilao, eine beliebte Hotpot-Kette, verzeichnete laut MOFCOM einen 45 Prozent höheren Umsatz als im Vorjahr.

Kaufhäuser im ganzen Land lockten die Kunden mit einer ganzen Reihe von Sonderangeboten in die Geschäfte. Während der Ferienwoche kletterten die Umsätze wichtiger Kaufhäuser in den Provinzen Hainan, Liaoning, Shaanxi und Anhui um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 

Die Nachfrage nach Goldschmuck war riesig. Die Verkäufe bei Shanghai Laomiao Gold und im Beijing Cai Bai Gold Store stiegen um 55 bzw. 16 Prozent. Die Online-Verkäufe gingen ebenfalls durch die Decke. Bei suning.com, der Website von Chinas größtem Elektrogerätehändler, stiegen die Verkäufe im Vorjahresvergleich um 60 Prozent.

Wohlhabende Chinesen begnügten sich in den Ferien jedoch nicht mit Shopping oder Essen. Sie nutzten die Zeit zum Verreisen. Die Zahl der Flugpassagiere stieg im Vorjahresvergleich um 15,8 Prozent auf rund 7,7 Millionen, so die Behörde für Zivile Luftfahrt (CAAC). Zu den beliebtesten Reisezielen wurden rund 4000 zusätzliche Flüge eingerichtet. Eine beachtliche Anzahl an Flügen wurde jedoch aus Sicherheitsgründen wegen des Taifuns Fitow annulliert. 

Wie in der Luft, so auch am Boden. Die chinesische Bahn verzeichnete mehr als 70 Millionen Fahrgäste, nach Unternehmensangaben ein neuer Rekord. Auf den Straßen reihten sich die Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange, dank der Aufhebung der Autobahngebühren durch die Regierung. Nach Angaben des Verkehrsministeriums waren rund 601 Millionen Menschen auf den Straßen unterwegs, fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung.

Chinesische Touristen unternahmen 428 Millionen Reisen im eigenen Land, 15,1 Prozent mehr als im Vorjahr, so die Nationale Tourismusbehörde. Die Einnahmen aus dem Tourismus stiegen um 21,2 Prozent auf 223,3 Milliarden Yuan (27,8 Milliarden Yuan). Die Durchschnittsausgaben lagen bei 521 Yuan (65 Euro). Chinas 124 Hauptsehenswürdigkeiten erlebten einen Ansturm von 31,25 Millionen Touristen; allein die Einnahmen aus Eintrittskarten betrugen 1,66 Milliarden Yuan (207,5 Millionen Yuan).

Die hohen Urlaubsausgaben entsprechen den Regierungsplänen, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt aus der Abhängigkeit von Investitionen und Exporten zu lösen und zu mehr heimischem Verbrauch zu verändern. „Die starken Zahlen aus dem Tourismus während der Goldenen Woche weisen auf einen stabilen Arbeitsmarkt, steigende Gehälter und ein stabiles Verbrauchervertrauen hin", erklärten Lu Ting und Robbie Li, Ökonomen der Bank of America Merrill Lynch in einer Studie.

 

Das Goldene Chaos bewältigen

Trotz der Rekordausgaben fühlten sich viele Chinesen noch erschöpfter als sonst, da sie sich an den bekanntesten landschaftlichen und kulturellen Sehenswürdigkeiten mit großen Menschenmengen herumschlagen mussten.

Auf der Chinesischen Mauer ging es nur schrittweise voran. Am Westsee in Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang, sah man nur ein Meer aus Köpfen, wenn man über die vielen Seebrücken spazierte. Dicht gedrängt waren die Besuchermassen auch bei den Terrakotta-Soldaten, einer der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Chinas in der Provinz Shaanxi. Auf den Straßen sah es nicht besser aus. Aufgrund der Staus sahen einige Autobahnen wie riesengroße Parkplätze aus.

Angesichts all dieser Unannehmlichkeiten und Klagen: Warum verreisen Chinesen währen dieser anscheinend unerträglichen Gelegenheit überhaupt noch?

Liu Simin vom Forschungszentrum für Tourismus an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften hat da einige Vermutungen.

"Das Fehlen langer Ferien und weitgehende Fehlen bezahlter Urlaubstage führt unweigerlich zu den Überfüllungen während der Goldenen Woche."

Aber die Anzahl der Touristen war nicht die einzige dunkle Wolke am Himmel. Das Gleiche gilt für schlechtes Benehmen. Vandalismus und unzivilisiertes Verhalten nahmen in dieser Zeit überhand, ungeachtet des neuen Tourismusgesetzes, das am 1. Oktober in Kraft trat und Geldbußen für Reisende vorsieht, die Müll wegwerfen oder touristische Objekte beschädigen. So hinterließen die mehr als 100.000 Besucher, die am 1. Oktober das Flaggenhissen auf dem Tian'anmen-Platz anschauten, fünf Tonnen Müll. Die mehr als eine Millionen Touristen, die den Westsee besuchten, entsorgten auf einer 1,5 Kilometer langen Straße am Seeufer mehr als 7000 Zigarettenkippen. 

Nicht eine einzige Geldbuße sei während der Ferien in der Provinz verhängt worden, meldete die Shandong Business Daily unter Berufung auf die Tourismusbehörde.

"Auch wenn das Tourismusgesetz während der Ferien zum Nationalfeiertag in Kraft trat, ist es nicht sehr gut umgesetzt worden", so der nicht namentlich genannte Mitarbeiter der Tourismusbehörde weiter. "Es gibt mehrere Schwierigkeiten. Zum einen ist es schwierig, diejenigen ausfindig zu machen, die Müll wegwerfen oder Graffitis sprühen, da sich die Touristen in permanenter Bewegung befinden. Zum anderen herrscht in touristischen Orten extremer Betrieb. Man hat dort keine Zeit, sich rückwirkend um das schlechte Benehmen von Reisenden zu kümmern. Das Gesetz gestattet Mitarbeitern der Tourismusindustrie außerdem nicht, Strafzettel und Geldbußen auszustellen. Wir müssten uns mit anderen Behörden abstimmen, bevor wir unzivilisiertes Verhalten bestrafen. Das braucht Zeit."

Das Gesetz sei mehr eine Richtlinie für zivilisiertes Reiseverhalten und weniger ein Mittel, diejenigen zu bestrafen, die sich danebenbenehmen", sagt Liu Zhongquan, Professor für Soziologie an der Technischen Hochschule von Dalian in der Provinz Liaoning.

"Es gibt zwei Arten von unzivilisiertem Benehmen", meint Liu. „Die eine sollte durch das Gesetz geahndet, die andere moralisch geächtet werden. Um unzivilisiertes Benehmen zu bestrafen, sollte die Regierung zunächst einmal zwischen beiden unterscheiden."